Superwahljahr 2011: Baden-Württemberg:Schicksalswahl im Ländle

Die Wahl in Sachsen-Anhalt ist abgehakt. Jetzt schaut alles auf Baden-Württemberg. Was passiert, wenn die CDU um Stefan Mappus verliert? Wird eine neue Volkspartei geboren? Oder gar das Ende von Schwarz-Gelb in Berlin besiegelt?

Thorsten Denkler

Von Schicksalswahl sprechen einige schon. Von einer Zeitenwende, die mit dem kommenden Sonntag anbrechen könnte. Vom Ende von Schwarz-Gelb - nicht nur in Baden-Württemberg, auch im Bund.

Zwei Wahlen sind es eigentlich, die am Sonntag anstehen. Doch in Rheinland-Pfalz sind keine großen Überraschungen zu erwarten. Irgendwie werden es Ministerpräsident Kurt Beck und seine SPD wohl schaffen, das Land weiterzuregieren.

Ganz anders ist die Lage im Nachbarland Baden-Württemberg. Seit 1953 regiert dort die CDU. Das schlimmste, was der CDU seither passiert ist, war eine große Koalition mit der SPD. Ansonsten: schwarz-gelbe Bündnisse oder CDU-Alleinregierungen.

Was sich aber jetzt in den Umfragen andeutet, könnte alles verändern. Erstmals in der Geschichte des Landes, das zu den wirtschaftsstärksten Regionen der Welt gehört, könnte die CDU ihre Regierungsmehrheit verlieren. Und das nicht an die SPD, was für die Christdemokraten schon schwer genug wäre. Sondern an die Grünen, die derzeit deutlich vor den Sozialdemokraten legen.

In Berlin steigt die Nervosität im Regierungslager. Ein Überblick über Risiken und Nebenwirkungen der Wahl in Baden-Württemberg für die Parteien.

CDU

Der Grad der Nervosität lässt sich leicht am übertriebenen Jubel für das Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt ablesen. Als hätten die Christdemokraten einen historischen Wahlsieg errungen, feierten am Sonntagabend die Anhänger der Christdemokraten im Konrad-Adenauer-Haus die Ansprache von Generalsekretär Hermann Gröhe. Dabei können die 32,5 Prozent eine Volkspartei auch nicht wirklich glücklich machen.

Wahlplakat Mappus mit Symbol fuer radioaktive Strahlung

Die Atom-Katastrophe in Japan hat Ministerpräsident Stefan Mappus zu einer Abkehr von seiner bisherigen Atompolitik gezwungen. Das finden offenbar nicht alle Bürger glaubwürdig.

(Foto: dapd)

Schlimmer noch: Die Partei hat fast vier Prozentpunkte verloren. Damit setzt sich in Sachsen-Anhalt ein Abwärtstrend für die CDU fort, der mit der Wahl in Hamburg einen krachenden Anfang genommen hat. Minus 20 Prozentpunkte in der Hansestadt, das war deutlich.

In Baden-Württemberg war die CDU gerade dabei, nach dem Stuttgart-21-Debakel wieder etwas Rückenwind zu verspüren. Doch die Atom-Katastrophe in Japan hat die CDU zu einer Abkehr von ihrer bisherigen Atompolitik gezwungen. Eine Position, mit der die CDU nur verlieren kann: Atomkraft-Gegner glauben der Partei nicht, dass sie es ernst meint. Und die Atom-Befürworter verstehen die Welt nicht mehr. Plötzlich soll alles falsch sein, wofür sie jahrzehntelang eingetreten sind. Nun sind die Aussichten für Schwarz-Gelb wieder düster. Jüngste Umfragen sehen die CDU bei 38, die FDP bei sechs Prozent. Das reicht nicht für eine Mehrheit.

Für Ministerpräsident Stefan Mappus dürfte eine Wahlniederlage das vorläufige politischen Aus bedeuten. Soweit muss es für Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht kommen. Aber dass die Statik der Bundesregierung in Frage gestellt wäre, steht außer Zweifel. Im Bundesrat wäre jede reelle Chance vertan, vor der Bundestagwahl 2013 eine Gestaltungsmehrheit zurückzuerlangen. Zugleich werden CDU, CSU und FDP stärker als zuvor versuchen, das eigene Profil zu schärfen. Im Zweifel auf Kosten der Koalitionspartner.

Wie Merkel unter den Umständen weiter regieren will, ist wohl ihr Geheimnis. Manche in ihrer Partei messen der Wahl in Baden-Württemberg jene Bedeutung zu, die die Landtagswahl in Nordhein-Westfalen 2005 für die rot-grüne Bundesregierung hatte. Damals verlor die SPD erstmals ihre Regierungsmehrheit an Rhein und Ruhr - und Kanzler Gerhard Schröder rief noch am gleichen Abend Neuwahlen im Bund aus.

SPD

Politscher Aschermittwoch der baden-wuerttembergischen SPD

Baustelle SPD: Wenn die Sozialdemokraten in Baden-Württemberg hinter den Grünen landen, wird die Arbeit von Parteichef Sigmar Gabriel in Frage gestellt werden.

(Foto: dapd)

Wenn es bei dem bleibt, was die Umfragen vorhersagen, dann könnte die Wahl in Baden-Württemberg auch für die SPD zur Zäsur werden. Sie liegt erstmals in einem westlichen Bundesland an dritter Stelle - hinter den Grünen. Die SPD müsste unter einem grünen Ministerpräsidenten den Juniorpartner geben, wenn sie verhindern will, dass die CDU weiterregiert.

Baden-Württemberg war nie ein gutes Pflaster für Sozialdemokraten. Das Land ist bürgerlich-konservativ geprägt. Und dennoch hat sich etwas verändert in dem Land. Es gibt eine neue bürgerliche Klasse, die Nachhaltigkeit nicht für ein Schimpfwort hält und Protest nicht den Extremen überlässt. Ganz offensichtlich vermag es die SPD nicht, diese Menschen anzusprechen.

Für die Bundespartei wäre das ein Desaster. Wenn die Sozialdemokraten in einem wirtschaftstarken Bundesland mit elf Millionen Einwohnern bei weniger als 25 Prozent landen, würde auch Parteichef Sigmar Gabriel erheblich unter Druck geraten. Zumal wenn in Rheinland-Pfalz am gleichen Tag die SPD ihre absolute Mehrheit verliert. Bis jetzt hatten die Genossen Geduld mit ihrem Vorsitzenden. Immerhin, er hat die Partei mit einer punktuellen Abkehr von den Agenda-Reformen halbwegs geeint.

Gabriel fehlen aber überzeugende Erfolge. In Nordrhein-Westfalen hat sich die SPD vor einem Jahr in eine wackelige Minderheitsregierung hieven können. Der dritte Platz in Sachen-Anhalt hat das vermeintliche Zwischenhoch in Hamburg wieder zunichtegemacht. Wenn das so weitergeht, dann dürfte es bald Schluss sein mit der Ruhe in der Partei.

Grüne

Grüne Ampel mit S21 Aufkleber

Erst Stuttgart 21, jetzt die Atomdebatte: Die Landtagswahl in Baden-Württemberg könnte die Geburtsstunde einer dritten Volkspartei in Deutschland sein - die Grünen haben gute Chancen, zum ersten Mal einen Ministerpräsidenten zu stellen.

(Foto: dpa)

Die Grünen scheinen derzeit alles richtig zu machen. Und dann kommt auch noch politisches Glück dazu. Als Anti-Atom-Partei passen sie für viele Menschen genau in die Zeit. Kein Wunder also, dass sie in Umfragen jetzt wieder drei Prozentpunkte vor der SPD liegen.

Die Grünen haben damit erstmals in ihrer Geschichte die ziemlich realistische Chance einen Ministerpräsidenten zu stellen. Und das auch noch in einem strukturell konservativ geprägten Flächenland mit gut elf Millionen Einwohnern. Wenn es da klappt, kann es überall klappen.

Die sieben Prozent, mit denen die Grünen jetzt in den Landtag von Sachsen-Anhalt eingezogen sind, dürfen da nicht verwirren. Auch das ist schon eine Sensation. 13 Jahre lang haben die Grünen dort die außerparlamentarische Opposition gegeben.

Es liegt natürlich auch ein Risiko in den Erfolgen. Das größte liegt wohl darin, den Erwartungen nicht gerecht werden zu können. Als Juniorpartner in Bundes- und Landesregierung haben die Grünen es zumeist geschafft, sich selbst als die Guten ins rechte Licht zu rücken. Als die Partei aber, die den Ministerpräsidenten stellt, wird sie für alles verantwortlich gemacht.

Wenn sie es aber dann tatsächlich besser machen sollte, als die anderen, dann könnte die Wahl in Baden-Württemberg der Startschuss für eine neue Phase grüner Parteiengeschichte werden. Es wäre die Geburtsstunde einer dritten Volkspartei in Deutschland.

FDP

Kleiner Landesparteitag der baden - wuerttembergischen FDP

Sollte die Baden-Württemberg-Wahl für die FDP in einem Desaster enden, wäre das wohl auch das politische Ende der Landeschefin und FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Birgit Homburger.

(Foto: dapd)

Baden-Württemberg ist das Stammland der FDP. Zu ihren besten Zeiten hat sie hier 18 Prozent geholt. In ganz mageren Jahren mal 5,8 Prozent. Mit Reinhold Maier stellten sie bis 1953 sogar den ersten und bisher einzigen gewählten liberalen Ministerpräsidenten in der Bundesrepublik. Das ist lange her. Am kommenden Sonntag wird es darum gehen, ob die FDP überhaupt den Einzug in den Landtag schafft.

Leicht wird das nicht. Umfragen sehen die Partei bei sechs Prozent. Und auch das wäre schon katastrophal. Die Regierungsbeteiligung wäre wohl dahin.

In Berlin wird jetzt schon argumentativ vorgebaut. Es soll um jeden Preis verhindert werden, dass Parteichef Guido Westerwelle zum Schuldigen gemacht wird. Die Atomkatastrophe im fernen Japan muss dann wohl als Sündenbock für das Scheitern der Liberalen im Ländle herhalten.

Fraglich, ob das als Erklärung reichen wird. Westerwelle hat sich zwar innenpolitisch in den vergangenen Wochen zurückgehalten. Und es sah ganz gut für ihn aus, als er in den arabischen Ländern ein Thema fand, mit dem der Außenminister sein Praktikantenimage ablegen konnte.

Dann aber verordnete er der Partei einen Schlingerkurs in Sachen Atom. Er erweckt den Eindruck, zum größten lebenden Atom-Kritiker geworden zu sein. Zugleich aber bastelt er sich mit Kanzlerin Angela Merkel ein dreimonatiges Moratorium zusammen, bei dem sich niemand sicher sein kann, dass am Ende nicht doch alle Atomkraftwerke wieder eingeschaltet werden.

Auf die Füße fallen könnte Westerwelle am Sonntag auch seine Haltung zu einer Fugverbotszone über Libyen. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen enthielt sich Deutschland der Stimme. Westerwelle will keine deutschen Soldaten in einen Krieg schicken und wähnt sich damit bereits als Friedensaußenminister. Damit hat Westerwelle Deutschland von den engsten Verbündeten wie Frankreich, Großbritannien und den USA isoliert.

Andererseits aber unterstützt er die Flugverbotszone und das Ziel, den Despoten Muammar al-Gaddafi loszuwerden. Wer das als Doppelmoral auslegt, dürfte nicht ganz falsch liegen.

Möglicherweise scheitert der Wahlstratege Westerwelle an seiner eigenen Strategie. Als Sicherheit aber hat er noch ein Bauernopfer. Sollte die Baden-Württemberg-Wahl für die FDP in einem Desaster enden, wäre das wohl auch das politische Ende der Landeschefin und FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Birgit Homburger. Westerwelle würde das genügend Luft verschaffen, den Bundesparteitag im Mai zu überstehen. Zumal sich immer noch keiner gefunden hat, der in der Lage wäre, ihn zu stürzen. Vielleicht muss dafür erst Schwarz-Gelb im Bund gegen die Wand fahren. Aber das hoffen nicht mal die ärgsten Westerwelle-Gegner in der FDP.

Die Linke

Wahlplakate in Ludwigsburg

Gelingt in Baden-Württemberg der Sprung in das Parlament nicht, dann muss sich die Linke neu ausrichten.

(Foto: dpa)

Kommunismusdebatte und Porsche-Klaus - die Führungsspitze der Linken hat sich in den vergangenen Monaten redlich bemüht, die Erfolgswelle der Partei zu brechen. In Baden-Württemberg könnte das dann endgültig der Fall sein. In den Umfragen schafft sie es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Wenn es so kommt, dürfte sich nahtlos eine Führungsdebatte um Gesine Lötzsch und Klaus Ernst als Parteivorsitzende anschließen.

Wenn auch die SPD es nicht hinbekommen hat sich selbst zu stärken, so hat sie doch mit ihrem Linksruck der Linken gehörig Wind aus den Segeln genommen. Dazu kommt nach dem Abgang von Altmeister Oskar Lafontaine, dass niemand in der Linken die Lücke auch nur annähernd füllen konnte. Fraktionschef Gregor Gysi versucht es zwar, aber er kann auch nicht alles machen.

Hinzu kommt: Die laufende Programmdebatte lähmt die Partei. Die Diskussion ist unumgänglich. Aber sie zeigt, dass nicht alle Gewissheiten der vergangenen Jahre für alle Zeit Bestand haben können. Zumindest dann nicht, wenn es eine rot-rot-grüne Perspektive für die Bundestagswahl 2013 geben soll.

Gelingt in Baden-Württemberg der Sprung in das Parlament nicht, dann hieße das auch, dass das Rezept der Maximalforderungen nicht mehr wirkt. Die Linke wird sich neu ausrichten müssen um im Westen Wähler ansprechen zu können. In Hamburg hat es die Linke zwar mit 6,4 Prozent so gerade geschafft. Aber dort ist das Milieu großstädtisch und traditionell eher links.

Die Frage ist nur, ob die Linke zu solchen Veränderungen bereit ist. Wenn nicht, dann wird sie sich wohl im besten Fall zu einer Ostpartei zurückentwickeln.

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