Süddeutsche Zeitung

Union in der Groko:Wie Merkel die CDU auf Koalitionskurs trimmt

  • CDU-Chefin Merkel stellt am Sonntagnachmittag ihre Kandidaten für die Ministerämter vor.
  • Am Montag stimmt dann ein Parteitag über den Koalitionsvertrag und die neue Generalsekretärin ab.
  • Außerdem sollen die Delegierten den Startschuss für ein neues Grundsatzprogramm geben.

Von Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel ist keine Frau vieler Worte und großer Gesten. Woanders machen Regierungschefs um die Ernennung ihres Kabinetts ein gewaltiges Bohei, der Kanzlerin ist derlei ziemlich fremd. Vor vier Jahren brauchte sie keine sechs Minuten, um alle CDU-Minister vorzustellen. Um niemanden zu bevorzugen, ging sie bei ihrem Auftritt vor der Presse die Namen streng alphabetisch durch - von Peter Altmaier bis Johanna Wanka. Jeder Ressortchef bekam zwei, drei Sätze, das war's. Und so dürfte es auch an diesem Wochenende wieder sein. Nur dass diesmal die Liste nicht mehr mit Wanka enden wird; die Bildungsministerin hat bereits ihren Rückzug angekündigt.

An diesem Sonntag um 16 Uhr will Merkel dem CDU-Präsidium mitteilen, wen sie ins Kabinett berufen möchte. Spätestens dann dürften die Namen öffentlich werden. Eine Stunde später trifft sich auch der CDU-Vorstand - danach will Merkel vor die Presse treten und die Namen persönlich kundtun. Es wird der Auftakt zu 24 Stunden sein, in denen sich die CDU endgültig für die nächste Regierung bereit macht.

Denn am Montagmorgen kommt die CDU auch zu einem Parteitag zusammen. Dabei werden die Delegierten aller Voraussicht nach mit großer Mehrheit den Koalitionsvertrag billigen, Annegret Kramp-Karrenbauer zu ihrer neuen Generalsekretärin wählen und den Startschuss für ein neues Grundsatzprogramm geben.

Auch die CDU-Spitze hat erkannt, dass die Partei nicht nur eine personelle, sondern auch eine inhaltliche Auffrischung nötig hat. Dadurch, dass Merkel jetzt von sich aus eine Programmdebatte anstößt, nimmt sie Druck aus dem Streit über den richtigen Kurs der CDU. Und mit der Entscheidung für Kramp-Karrenbauer ist der Kanzlerin ein Coup gelungen: Sie stärkt die Rolle der Partei gegenüber der Regierung - danach sehnen sich viele in der CDU schon lange.

Kramp-Karrenbauer hat bereits angekündigt, auch Konflikte mit der Kanzlerin eingehen zu wollen. Gleichzeitig ist aber das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Frauen - zumindest bisher - so groß, dass Merkel sich keine Sorgen wegen der neuen Eigenständigkeit der CDU-Zentrale machen muss.

Die erschlaffte CDU soll wiederbelebt werden

Bei ihrer Wahl zur Parteichefin vor 18 Jahren hat Merkel die CDU aufgefordert, "ins Offene" zu gehen. Das hat die Partei dann - angetrieben von der Vorsitzenden - auch reichlich getan. Doch in den vergangenen Jahren ist die CDU erschlafft. Jetzt soll sie wieder belebt werden.

Mit dem Elan, der in der Partei gerade ausbricht, könnte es aber schnell wieder vorbei sein, wenn Merkel bei der Ministerauswahl kein Kabinettstück gelingt. Bereits am Freitag hatte sie dem Vernehmen nach mit allen Christdemokraten gesprochen, die sie berufen will. Die Damen und Herren wurden zum Stillschweigen verpflichtet - und tatsächlich wurde zunächst keine einzige Personalie bekannt.

Wird Jens Spahn Gesundheitsminister?

Dass Kanzleramtschef Peter Altmaier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auch der nächsten Regierung angehören sollen, galt am Freitag als sicher. Allerdings wurde davon ausgegangen, dass Altmaier ins Wirtschaftsministerium wechselt und der bisherige Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, Helge Braun, neuer Kanzleramtschef wird. Für das Agrarministerium galt die Rheinland-Pfälzerin Julia Klöckner als Favoritin. Für das Gesundheitsministerium kamen der bisherige Ressortchef Hermann Gröhe, aber auch seine bisherige Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz sowie Finanzstaatssekretär Jens Spahn infrage. Spahn wurden dabei die größten Chancen gegeben. Für die Spitze des Bildungsministeriums könnte Merkel mit einer Überraschung aufwarten.

All das waren allerdings nur Spekulationen. Bei Kabinettsbildungen ist Merkel für Überraschungen gut. Vor vier Jahren hatte etwa kaum einer daran gedacht, dass von der Leyen Verteidigungsministerin werden könnte. Für die jetzige Regierungsbildung hat die CDU-Chefin bisher nur zwei Fingerzeige gegeben: Das Kabinett solle paritätisch mit Frauen und Männern besetzt werden - und es werde in ihm auch "neue Gesichter" geben.

Merkel hat dabei einigen Spielraum. Denn neben den sechs Ministerposten kann sie auch zwei Staatsminister im Kanzleramt berufen. Außerdem darf die CDU jede Menge parlamentarische Staatssekretäre stellen. Damit lässt sich der Geschlechter-, Alters- und Regionalproporz leichter austarieren. Am Ende wird sich trotzdem alles in erster Linie um eine Frage drehen: Beruft Merkel in Jens Spahn ihren stärksten Kritiker ins Kabinett?

Wenn sie Spahn ignoriert, dürfte es mit der innerparteilichen Ruhe, die nach der Ernennung Kramp-Karrenbauers eingekehrt ist, sofort wieder vorbei sein. Wenn sie ihn aber ernennt, gibt sie Spahn eine Chance, irgendwann nach noch Höherem zu greifen - was Merkel aus Sorge um ihr Vermächtnis gerne vermeiden möchte. Und so wird es für die Zukunft der Partei ziemlich entscheidend sein, ob Merkel am Sonntagabend bei der alphabetischen Aufzählung der CDU-Minister Spahn sagen wird, wenn das "S" an der Reihe ist.

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SZ vom 24.02.2018/jsa
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