Süddeutsche Zeitung

Vor dem Nato-Gipfel:Militärsache Klimawandel

  • Die Nato hat den Klimawandel zwar als Sicherheitsbedrohung erkannt. Experten fordern jedoch, das Militärbündnis sollte sich viel intensiver auf die drohenden Folgen der Erderwärmung vorbereiten.
  • US-Verteidigungsminister Mattis räumt die Bedrohung ein - aber US-Präsident Donald Trump ist Klimaskeptiker.

Von Markus C. Schulte von Drach

Der Klimawandel, dessen erste Auswirkungen bereits zu spüren sind, lässt viele Menschen mit Sorgen in die Zukunft blicken: In was für einer Welt werden wir und unsere Nachkommen leben?

Für Soldaten allerdings stellt sich darüber hinaus die Frage: In was für einer Welt werden wir kämpfen, um unsere Länder zu beschützen? Welche Bedrohung stellt der Klimawandel für den Frieden dar?

Es sind nicht nur Klimaforscher, die vor der Klimaerhitzung warnen, sondern auch Militärs. In der Nato etwa beschäftigen sich seit einigen Jahren Experten mit der Frage, welche Herausforderungen der Anstieg der globalen Temperatur um voraussichtlich zwei Grad Celsius - vielleicht auch mehr - an das Militärbündnis stellen wird.

Für die Sicherheitsexperten ist allerdings die politische Entwicklung in den USA wenig hilfreich. Denn US-Präsident Donald Trump, oberster Befehlshaber der US-Streitkräfte - ist Klimaskeptiker. Er hat den Klimawandel in der Vergangenheit als Hoax bezeichnet, oder als Erfindung der Chinesen. Die Behauptung, die Erde würde wärmer, sei "bullshit", der aufhören müsse. Denn "Our planet is freezing". Bezeichnend ist auch, dass er mit Scott Pruit ausgerechnet einen Mann zum Chefder US-Umweltbehörde EPA gemacht hat, der überzeugt ist, der Mensch spiele kaum eine Rolle für den Klimawandel. Sogar ob die US-Regierung das Klimaabkommen von Paris ratifizieren wird, ist noch offen.

Die Nato hat offiziell immer wieder den Klimawandel thematisiert

Wenn der US-Präsident nun an der Nato-Tagung in Brüssel teilnehmen wird, wäre dies eine Gelegenheit für die Militärs, ihn erneut auf die Bedeutung der Erderwärmung für die Sicherheit hinzuweisen und zu drängen, das Klimaabkommen abzusegnen.

Voraussichtlich kommt es nicht dazu. Es wird erwartet, dass auf dem Gipfel das Verhältnis des Westens zu Russland diskutiert wird, die Sicherheitspolitik für den Nahen Osten, Nordafrika und andere Regionen, in denen derzeit gekämpft wird, Maßnahmen im Kampf gegen den Terror, insbesondere den des sogenannten Islamischen Staates -, die neue Herausforderung durch Cyberangriffe - und die Beiträge der Mitgliedsstaaten. Schließlich hatte Trump gedroht, militärische Unterstützung der Amerikaner zurückzufahren, wenn nicht alle Mitglieder die in der Vergangenheit vereinbarten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in das Bündnis investieren.

Dabei hat unlängst erst Trumps eigener Verteidigungsminister James Mattis belegt, wie wichtig Militärs die drohenden Folgen des Klimawandels nehmen: "Der Klimawandel wirkt sich auf die Stabilität von Regionen der Welt aus, in denen unsere Truppen heute operieren", heißt es in einem Statement des ehemaligen Generals der US Marines vom Januar 2017 an den Verteidigungsausschuss des Senats. Der Klimawandel könne Instabilität verstärken, und das Verteidigungsministerium müsse auf die negativen Effekte dieses Phänomens achten.

Auch Stephen Cheney vom American Security Project, ein ehemaliger Brigadegeneral der Marines, hat unlängst darauf hingewiesen, dass der Anstieg der Temperatur bereits den Raum militärischer Einsätze fundamental ausgeweitet habe. So würden US Navy und Küstenwache schon jetzt neue Aufgaben in der Arktis übernehmen. Und eine wachsende Zahl starker Wirbelstürme und Dürren ließen den Bedarf an militärischer Unterstützung humanitärer Einsätze insbesondere im Pazifik zunehmen. Beispiele für ähnliche Äußerungen von US-Sicherheitsexperten lassen sich etliche finden.

Die Nato hat offiziell ebenfalls immer wieder den Klimawandel thematisiert. So warnte bereits 2009 der damalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, die Erwärmung sei "eine Herausforderung der Sicherheit in einer Größenordnung und Komplexität, wie wir es noch nie zuvor gesehen haben". Rasmussen empfahl, darüber zu diskutieren, wie die Nato diese Herausforderung angehen könnte.

Ein Jahr später hieß es im "Strategischen Konzept" der Nato: "Erhebliche Beschränkungen in Bezug auf die Umwelt und Ressourcen, darunter Gesundheitsrisiken, Klimawandel, Wasserknappheit und steigender Energiebedarf, werden das künftige Sicherheitsumfeld in Bereichen, die der Nato Sorge bereiten, beeinflussen und könnten die Planung und die Operationen der Nato erheblich beeinträchtigen." Doch in die langfristige Planung der Allianz ist das Thema bislang nicht angemessen eingegangen.

Zwei Berichte im Vorfeld das Nato-Gipfels zeigen nun, wie real die Bedrohung der Sicherheit durch den Klimawandel tatsächlich bereits ist. Einer wurde für die Parlamentarische Versammlung der Nato (Nato PA) verfasst, eine Organisation, in der Parlamentarier aller Nato-Staaten über sicherheits- und verteidigungspolitische Themen beraten.

Osman Aşkın Bak, der für die AKP im türkischen Parlament sitzt, hat im Auftrag der Nato PA die Lage in zwei Regionen untersucht, die aus mehreren Gründen durch den Klimawandel besonders gefährdet sind: der Nahe Osten und Nordafrika.

Bereits auf dem Nato-Gipfel in Warschau 2016 hatte das Verteidigungsbündnis festgestellt, dass wegen des IS und anderer extremistischer Gruppen die transatlantische Sicherheit "stark betroffen ist von der Sicherheitslage" in diesen Regionen. Zugleich aber bedrohen auch Wasser- und Nahrungsmittelknappheit die Stabilität in diesen Gebieten.

Während fünf Prozent der Weltbevölkerung hier leben, haben die Menschen Zugang zu lediglich einem Prozent des verfügbaren Wassers. Und dieses wird nicht nachhaltig gewonnen und verwendet. Die lokalen Grundwasservorräte schrumpfen deshalb. Zudem sind die Regionen die einzigen weltweit, in denen der Hunger in den vergangenen Jahren nicht ab-, sondern zugenommen hat. Die stark wachsende Bevölkerung ist auf immer mehr Nahrungsmittelimporte angewiesen.

Kommt es zu Kämpfen wie in Syrien, werden auch die Nachbarländer in Mitleidenschaft gezogen. Im Libanon etwa, dessen Bevölkerung durch syrische Flüchtlinge um 30 Prozent angewachsen ist, ist die Versorgung mit Trinkwasser äußerst schwierig geworden. Und in Jemen bedroht der Bürgerkrieg die Versorgung von sieben Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln.

Ausgerechnet in diesen Regionen wird die Temperatur wegen des Klimawandels bis Ende des Jahrhunderts um 0,9 bis 4,1 Grad Celsius ansteigen, es wird weniger regnen und die Verdunstung wird zunehmen. In trockenen Regionen kann das für die Menschen verheerend werden. Falsche Maßnahmen der lokalen Regierungen erschweren die Probleme noch.

Doch obwohl die Gefahren des Klimawandels auf höchster Ebene der Nato erkannt worden sind, habe das Bündnis nicht genug unternommen, um sich darauf vorzubereiten, warnt in einem zweiten Bericht Shiloh Fetzek vom Center for Climate and Security in Washington D.C.. Der Organisation gehören etliche ehemalige hochrangige US-Militärs als Berater an.

Die Erderwärmung habe das Potenzial, den Kontext, in dem die Nato arbeitet, "dramatisch zu verändern", schreibt Fetzek. Deshalb empfiehlt sie, das Thema nicht nur zu einem wichtigen Punkt auf dem Nato-Gipfeltreffen zu machen, sondern endlich eine eigene, weitreichende Strategie des Bündnisses für den Umgang mit den Folgen des Klimawandels zu entwickeln.

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