Vor dem KP-Parteitag:Sommer der Nebelmaschine in China

Vor dem KP-Parteitag: Test für die Parade zum 90. Geburtstag der Volksbefreiungsarmee: Xi Jinping in Zhurihe in der Inneren Mongolei.

Test für die Parade zum 90. Geburtstag der Volksbefreiungsarmee: Xi Jinping in Zhurihe in der Inneren Mongolei.

(Foto: AP)

Beim KP-Parteitag im Herbst wird Chinas Politik für die nächsten fünf Jahre neu ausgerichtet. Schon jetzt wird innerhalb der allmächtigen Partei gefeilscht und gerungen. Für Staatschef Xi Jinping geht es um alles.

Von Kai Strittmatter, Peking

Ein starkes Land, ein starker Mann; die Bilder, die Chinas Propaganda am Sonntag in die Welt schickte, zeigten Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping im Kampfanzug bei einer Parade der Volksbefreiungsarmee VBA in der Inneren Mongolei. Die Soldaten grüßten Xi als "Vorsitzenden". "Die Welt unterm Himmel ist nicht in Frieden", sagte Xi, und befahl den Soldaten die "unbedingte Loyalität zur absoluten Führung der Partei". Er sagte, die Armee müsse "alle Feinde besiegen, die es wagen, China anzugreifen".

Die Bilder kommen kurz vor dem 90. Geburtstag der VBA am Dienstag. Sie kommen aber vor allem nur wenige Monate vor dem fünften Jahrestag von Xis Machtübernahme im November 2012. Das heißt: Es steht wieder, wie alle fünf Jahre, ein Parteitag der Kommunistischen Partei (KP) Chinas vor der Tür, für China der wichtigste politische Termin seit 2012.

Für China hat das ähnliche Bedeutung wie die Parlamentswahlen in westlichen Ländern: Auf den Parteitagen wird stets ein großer Teil der Führung von Land und Partei ausgetauscht. Und es wird die Politik für das Land neu ausgerichtet, für die nächsten fünf Jahre. Doch es wird eben nicht gewählt, und es wird auch nicht offen debattiert, sondern es wird innerhalb der einen allmächtigen Partei gefeilscht, gerungen und kaltgestellt - alles hinter den Kulissen. Die Säuberungen laufen längst.

Das Ganze wird begleitet von mächtigen Zensuranstrengungen, die das ohnehin schon eingemauerte chinesische Internet noch ein Stück mehr abschotten von der Welt. Mitte Juli verschwanden plötzlich über Nacht sämtliche amerikanischen und europäischen Filme und TV-Serien von den populären Streaming-Plattformen ACFun und Bilibili.

Der Mikrobloggingdienst Weibo löschte Promiklatsch und erklärte, sich nun an "sozialistischen Kernwerten" ausrichten zu wollen. Und am Sonntag wurde bekannt, dass Apple auf Pekings Verlangen in seinem China-Store Apps gelöscht hat, die Nutzern in China bislang ermöglicht hatten, die Zensur auszutricksen.

Selbstbewusster nach außen, repressiver nach innen

Vor ihrem Parteitag sorgt die geheimniskrämerische KP dafür, dass sich ein Nebel über China legt, der den Chinesen und der Welt nur mehr die Sicht auf die staatlich orchestrierte Propaganda erlauben soll. Nicht einmal der Termin für den Parteitag ist bislang bekannt: vielleicht wird es Oktober, vielleicht auch November.

Dafür erleben Fernsehen, Zeitungen und Internet diese Wochen und Monate eine auch für chinesische Verhältnisse außerordentliche Flut von hagiografischer Xi-Jinping-Schwärmerei. Die Botschaft ist unmissverständlich: Tatsächlich ist es dieser Mann, der das Land wieder stark macht. Es ist Xi Jinping, der seiner Partei und China nach einer Zeit der Krise unter seinen Vorgängern nun fünf "außergewöhnliche Jahre" geschenkt hat. Der sein Land an einen "historischen Wendepunkt" herangeführt hat, so hat es Xi Jinping selbst vergangene Woche gesagt.

Tatsächlich ist China unter Xi nach außen hin selbstbewusster, im Inneren aber nationalistischer, ideologischer und repressiver geworden. Wenn einer für Chinas neue Größe sorgt, so die Propaganda, dann dieser Xi, der einst selbst bei Bauern lebte und Schweinekot schleppte, der heute unnachgiebig den korrupten Beamten das Handwerk legt, und der eigenhändig in Chinas Außenpolitik ein "neues Kapitel" aufgeschlagen hat, wie es der hochrangige Außenpolitiker Yang Jiechi vorige Woche ausdrückte: Das bislang zurückhaltende China zeige nun, "dass es zum Kampf bereit ist".

Das Parteimagazin Study Times teilte am Freitag mit, Xi "persönlich" habe die Entscheidung gefällt zum Bau der umstrittenen künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer.

Jetzt wird sich zeigen, wie stark Xi Jinping wirklich ist

Für Xi Jinping geht es im Herbst um alles. Wenn sich der Nebel hebt, wird klar sein, wie stark dieser Mann wirklich ist, der organisatorisch die Macht so sehr auf sich ausrichtet hat wie kaum einer seit Mao Zedong. Als Xi Jinping vor fünf Jahren antrat, hatte er kaum ein eigenes Netzwerk in den zentralen Gremien von Partei und Staat. Der Parteitag nun ist seine Chance, sich für seine zweite Amtszeit mit eigenen Leuten zu umgeben.

Seit einigen Jahren verfährt die KP nach der informellen Regel, wonach Funktionäre, die 68 Jahre alt oder älter sind, nicht wieder nominiert werden. Im ständigen Ausschuss des Politbüros der KP sind die mächtigsten Leute des Landes versammelt. Fünf von sieben Mitgliedern des Gremiums sollen im Herbst ausgetauscht werden, ebenso elf von 25 Politbüromitgliedern insgesamt und fast die Hälfte der circa 200 Mitglieder des Zentralkomitees (ZK) der Kommunistischen Partei.

Die entscheidenden Fragen sind also: Wird die Partei Xis politische "Theorien" offiziell in eine Reihe stellen mit den kodifizierten Ideen seiner Vorgänger? Schafft es Xi, in den Parteigremien eine Mehrheit seiner Leute zu installieren? Wird er seine rechte Hand Wang Qishan noch einmal auf einen wichtigen Posten bringen, obwohl Wang mit 69 Jahren eigentlich die Altersgrenze überschritten hat? Plant Xi selbst vielleicht gar eine dritte Amtszeit? Die beiden letzteren Schritte wären ein klarer Bruch mit den Normen und Traditionen, auf die sich die KP-Führer die vergangenen Jahrzehnte mühsam geeinigt hatten.

Meister im machiavellistischen Spiel

Klar ist, dass Xi auch in der Partei Feinde hat, und dass hinter den Kulissen mit harten Bandagen gekämpft wird. Xis Gegner beschießen vor den Augen einer staunenden Netzgemeinde in einer wahren Schlammschlacht Xis Alliierten, den laut Propaganda wackeren Antikorruptions-Sheriff Wang Qishan, selbst mit Korruptionsvorwürfen.

Xi Jinping und Wang Qishan ihrerseits benutzen derweil weiter eben jene Antikorruptions- und Disziplinierungskampagne dazu, missliebige Rivalen auszuschalten. Ein Spiel, in dem Xi sich in den letzten Jahren als Meister gezeigt hat. Xi sei um einiges "machiavellistischer, skrupelloser und mächtiger als seine Vorgänger", urteilt Bill Bishop, Autor des einflussreichen China-Newsletters "Sinocism".

Zu spüren bekam das zuletzt Sun Zhengcai. Er war Parteichef von Chongqing - vor allem aber sahen in dem erst 54-jährigen Politbüromitglied nicht wenige Beobachter einen potenziellen Nachfolger von entweder Xi selbst oder aber von Premier Li Keqiang. Vor einer Woche nun wurde Sun seines Postens enthoben, es läuft eine Untersuchung gegen ihn wegen "ernsthafter Verletzung der Parteidisziplin".

Es ist das erste Mal seit dem spektakulären Sturz des charismatischen Xi-Jinping-Rivalen Bo Xilai vor fünf Jahren (Bo war ebenfalls Parteichef von Chongqing gewesen), dass es ein amtierendes Politbüromitglied erwischt. Der Sturz Suns nun, so schreibt das Parteiblatt Volkszeitung warnend, solle für andere in der Partei "die Alarmglocken läuten": Ein jeder müsse sich von nun an um die Parteiführung "mit Xi Jinping als Kern" scharen.

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