Süddeutsche Zeitung

Vor dem Krisengipfel zum EFSF:EU verschiebt Entscheidung über Rettungsschirm auf kommende Woche

Der Streit zwischen Deutschland und Frankreich gefährdet die Euro-Rettung: Kanzlerin Merkel lehnt die Forderung von Präsident Sarkozy als ökonomisch falsch und rechtswidrig ab - und sagt kurzfristig ihre Regierungserklärung vor dem Bundestag am Freitag ab. Wegen der Konflikte müssen sich die europäischen Regierungschefs nach dem Krisengipfel in Brüssel am Sonntag noch ein zweites Mal treffen.

Stefan Braun, Susanne Höll und Claus Hulverscheidt

Wegen zahlloser ungelöster Probleme bei der Bewältigung der Schuldenkrise werden die europäischen Staats- und Regierungschefs erst in der kommenden Woche auf einem zweiten Gipfeltreffen Beschlüsse fassen. Das gab die Bundesregierung am Donnerstagabend bekannt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Frankreich und Deutschland hätten beschlossen, dass beim ersten Gipfeltreffen am Sonntag das "ehrgeizige Maßnahmen-Paket" nur geprüft würde. Bis spätestens Mittwoch sollen die Regierungschefs dann noch einmal zusammenkommen.

Hintergrund ist ein Streit zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Sie sind sich nicht einig, wie die Schlagkraft des Rettungsfonds' EFSF erhöht werden kann. Zudem gibt es Probleme mit Spanien und Italien, die aus Sicht der Partner nicht genug sparen, sowie bei der Beteiligung privater Geldhäuser an den Kosten einer Griechenland-Umschuldung. Merkel sagte nach Angaben aus Koalitionskreisen wegen der unklaren Lage ihre für diesen Freitag geplante Regierungserklärung im Bundestag ab.

Die Kanzlerin hatte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bei einem Treffen mit Sarkozy am Mittwochabend dessen Forderung abgelehnt, dem EFSF unbegrenzten Zugriff auf Geld der Europäischen Zentralbank (EZB) einzuräumen. Aus ihrer Sicht ist die Idee sowohl rechtswidrig als auch ökonomisch falsch. Merkel will die Schlagkraft des Rettungsschirms erhöhen, indem der EFSF in eine Art Teilkaskoversicherung umgewandelt wird. Durch einen Mix aus öffentlichen und privaten Mitteln könnte so mehr als eine Billion Euro für potentielle Krisenländer zusammenkommen.

Sarkozy lehnt diese Idee nicht grundsätzlich ab, vertrat aber zunächst die Auffassung, dass nur ein Rettungsfonds mit unbegrenzten Mitteln die Märkte beeindrucken werde. Mittlerweile hat er den Widerstand gegen die Versicherungslösung aber offenbar aufgegeben. Aus Pariser Regierungskreisen verlautete, die Kanzlerin und der Präsident seien "vollständig auf einer Linie". Wenn das Treffen der Euro-Regierungschefs zunächst keine Beschlüsse fassen solle, dann nicht wegen eines deutsch-französischen Konflikts, sondern wegen innerdeutscher Probleme.

Tatsächlich verlangen die Fraktionen im Bundestag von Merkel Aufschluss darüber, welchem Konzept zur "Hebelung" des EFSF sie beim Treffen der Staatschefs zustimmen will. Da die Verhandlungen darüber noch nicht abgeschlossen sind, kann die Kanzlerin diese Auskunft nicht geben. Zugleich signalisierte sie Verständnis für den Ärger vieler Abgeordneten darüber, dass Informationen aus Brüssel den Bundestag häufig unvollständig und zu spät erreichen. Die Opposition warf der Regierung vor, ihre Pläne zu verschleiern. Der Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick sagte: "Wer sagt, das Risiko für den deutschen Steuerzahler steige nicht, der lügt."

Prinzipiell einig sind sich Berlin und Paris darüber, dass systemrelevante Banken ihr Kernkapital auf neun Prozent erhöhen müssen, um sich gegen künftige Krisen zu wappnen. Die Institute brauchen dazu 70 bis 90 Milliarden Euro. Auch deutsche Geldhäuser sind betroffen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1169712
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.10.2011/liv
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.