Vor dem AfD-Parteitag:Warum der AfD-Parteitag für Petry zur Belastungsprobe wird

Frauke Petry

Frauke Petry

(Foto: dpa)

Nach den Wahlerfolgen könnten die Konflikte im AfD-Vorstand neu aufbrechen. In Stuttgart wird es nicht nur um Angriffe auf den Islam gehen.

Von Jens Schneider, Berlin

Es gibt ein Problem mit der Weltoffenheit. Man findet es auf Seite 21 im umfangreichen Konvolut der vielen Anträge der AfD. Eingereicht hat den Antrag ein Landtagsabgeordneter der AfD aus Sachsen-Anhalt.

Unterstützt wird er, so steht da, von mehr als 49 weiteren Mitgliedern. Sie wollen, dass die Partei sich nicht als weltoffen bezeichnen möge.

"Wir sind offen gegenüber der Welt, wollen aber Deutsche sein und bleiben." Diese Formulierung schlägt der Bundesvorstand in seinem Programmentwurf für den Parteitag der AfD am Wochenende in Stuttgart vor. Doch das Mitglied Tillschneider, Hans-Thomas, und seine Unterstützer möchten, dass der Satz gestrichen wird.

Der Begriff "Weltoffenheit" sei einer der Kernbegriffe des politischen Neusprech, findet er: Wer solche "Lügen- und Nonsensbegriffe" verwende, signalisiere, "dass er vor allem eines will, nämlich dazugehören".

AfD zu den Landtagswahlen

Wird von Vorstandsmitgliedern kritisiert: AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Bau und Betrieb von Moscheen sollen verboten werden, fordern mehrere Antragsteller

Einfälle dieser Art gibt es einige in der Partei, manche könnten mehrheitsfähig sein. Es dürften am Ende aber die Debatten über Anträge wie jenen auf Seite 675 sein, die das Bild der rechtspopulistischen AfD in den nächsten Monaten prägen - auf dem Weg zur Bundestagswahl 2017, die für die Parteispitze eine Art Ziellinie ist.

Nach Berlin wollen sie, in den Bundestag, die spektakulären Erfolge bei drei Landtagswahlen sollen Etappensiege sein, der Parteitag in Stuttgart eine Station. In ihrem Antrag auf Seite 675 nennt die AfD-Politikerin Birgit Bessin, gemeinsam mit der "Gliederung Teltow-Fläming" aus Brandenburg, den Islam verfassungsfeindlich.

Das kennt man nun schon aus der Parteispitze, die laut ihrem eigenen Vorschlag für das Programm keine Minarette in Deutschland erlauben will. Bessin aber geht weiter, sie will den Bau und Betrieb von Moscheen untersagen lassen. Sie ist kein No-Name in der AfD in Brandenburg, in der Fraktion im Potsdamer Landtag ist sie Parlamentarische Geschäftsführerin unter Führung des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alexander Gauland.

Es geht also noch derber als zuletzt schon. Vor Kurzem hatte die Vize-Parteivorsitzende Beatrix von Storch erklärt, der Islam sei nicht verfassungskonform. Der Parteitag der AfD in Stuttgart ist keine Tagung über den Islam, es geht um das komplette Parteiprogramm von der Energie- bis hin zur Familien- und Wirtschaftspolitik. Die Zahl der Anträge zum Islam macht schon deutlich, dass viele an der Basis sich sehr wohlfühlen mit der Idee, den Angriff auf die Religion zur Hauptbotschaft des Wochenendes zu machen. Andere wollen den Ton mäßigen, auch das gibt es.

Halbe Sache

Eines hält der Parteivorstand um Frauke Petry für sicher: Ganz fertig wird die AfD mit ihrem Programm auf dem Parteitag in Stuttgart nicht werden. Dabei sollte es schon lange fertig sein. Doch die AfD hatte zu viel mit sich selbst zu tun, widmete sich Satzungsdebatten und dem Streit um die Führung. In Stuttgart soll als Grundlage für die Diskussion der Entwurf einer Programmkommission dienen. Ein Jahr lang hat sie Vorschläge aus der Partei geprüft. Auf 78 Seiten findet sich die Forderung nach Einführung eines "Straftatbestands der Steuerverschwendung", das "Experiment Euro" soll "geordnet beendet" werden. Der Entwurf stellt sich gegen den Islam und fordert eine restriktive Flüchtlingspolitik, die Energiewende wird als Irrweg bezeichnet. Von der Basis liegen 1425 Seiten mit Änderungsanträgen vor. Jens Schneider

Der Vorstand bekräftigt vor dem Parteitag seine islamfeindliche Linie. Zu Wochenbeginn wiederholten der Parteivorsitzende Jörg Meuthen und der Vize Gauland in einem Interview ihre These, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Meuthens Ko-Vorsitzende Frauke Petry teilt die Position. "Die Kritik am Islam wird sicherlich nicht die einzige Botschaft aus Stuttgart sein", sagt sie aber. "Das soll auch nicht so sein. Die Partei ist viel breiter aufgestellt."

So könnte es hitzige Debatten über die Frage geben, wie die AfD sich sozialpolitisch ausrichten will. Entzünden könnten sie sich am Streit über den Mindestlohn, den eine Mehrheit befürwortet, während etwa die Vorsitzenden Meuthen und Petry ihn ablehnen, eine liberale Sozialpolitik befürworten. Offen ist, ob besonders extreme AfD-Politiker wie der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke den Parteitag als Bühne zur Profilierung nutzen. Höcke hatte sich zuletzt zurückgehalten.

Das Treffen in Stuttgart wird zur Belastungsprobe

Derbe persönliche Konfrontationen wie noch 2015 werden nicht erwartet. Dennoch wird das Treffen in Stuttgart zur Belastungsprobe für das fragile Machtgefüge im Vorstand der AfD. Die Basis wird aufmerksam beobachten, ob die Spannungen zwischen Frauke Petry und dem Gros der restlichen Führungsriege sich offen entladen.

Das Verhältnis ist von Misstrauen geprägt. Im Vorstand könne nicht mehr offen gesprochen werden, heißt es auf beiden Seiten. Petry soll mehrmals fehlende Unterstützung beklagt haben. "Friktionen gibt es immer", sagt sie zur Situation in der Parteispitze. "Das ist normal. Aber der gesamte Bundesvorstand sollte sich schon seiner Verantwortung für die Zukunft der Partei bewusst sein." Sie sieht sich in der Rolle der Mittlerin, die Probleme im Dienste der Partei entschärft.

Kritiker im Vorstand werfen ihr vor, ohne Absprachen vorzugehen und eine Art autarke Führungsebene eingeführt zu haben, mit ihrem Lebensgefährten. Sie argwöhnen, dass Petry mit dem Landesvorsitzenden der AfD Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, einer eigenen Agenda folge. Nachhaltig verstört hat die Inszenierung ihrer Partnerschaft als Polit-Liebespaar in der Bunten. Spöttisch wird bei Gelegenheit daran erinnert, dass die Vorsitzende, wie Pretzell da sagte, "etwas dämonenhaft Schönes" haben soll.

Co-Chef Meuthen und AfD-Vize Gauland sprechen sich ab - an Petry vorbei

Wie groß die Distanz geworden ist, offenbart der Umgang mit dem AfD-Pressesprecher Christian Lüth. Petry sagte den Vorstandskollegen vor einigen Wochen, dass sie nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wolle. Sie sei mit seiner Arbeit unzufrieden. Die Kollegen ließen sie abperlen.

Anschließend erklärte Lüth gegenüber Journalisten auf Nachfrage, dass die anderen Vorstandskollegen sich weiter von ihm vertreten lassen wollten, Petry nicht. Er sei nur noch deren Sprecher. Ein Affront. Es hat in anderen Parteien schon bei geringeren Vorgängen Vorsitzende veranlasst, die Vertrauensfrage zu stellen. Petry erklärte intern, dass sie in Sachsen einen eigenen Pressesprecher einstellen werde, der sie auch als Bundesvorsitzende betreuen soll. Das passiert gerade, bestätigt sie.

Unterdes sortiert sich das Machtgefüge neu. Nicht zufällig erinnert sich die Parteispitze zunehmend daran, dass Petry keineswegs alleinige Vorsitzende ist, sondern Jörg Meuthen, einer der Wahlsieger in Baden-Württemberg, ihr als zweiter Chef gleichgestellt ist.

Nun entwickeln Meuthen und der Partei-Vize Alexander Gauland sich zu einer tragenden Achse im Vorstand, an Petry vorbei. Sie sprechen sich auch dann ab, wenn sie in Nuancen voneinander abweichen, etwa über die Frage einer Zusammenarbeit der AfD mit dem rechtsnationalen Front National aus Frankreich. Zugleich versichern alle, dass die Statik der Spitze nicht erschüttert werden soll. Niemand scheint derzeit interessiert zu sein, die Machtfrage zu stellen und Petry abzulösen. Wer sie herausfordert, riskiert viel: Von der Basis gibt es ständig wieder Warnungen, sich an der Spitze bloß nicht noch mal so zu verkämpfen wie vor einem Jahr.

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