Von der Politik in die Wirtschaft:Anleitung zum Seitenwechsel

Wenn Minister in die Wirtschaft wechseln, ist die Empörung manchmal groß. Ein neues Gesetz soll nun klären, wer wann wohin darf.

Von Robert Roßmann, Berlin

Eigentlich hat die Bundesregierung dieses Gesetz Martin Bangemann zu verdanken. Der Mann war FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister. Vor allem aber war er EU-Kommissar - und als solcher unter anderem für Telekommunikation zuständig. Als Bangemann 1999 den direkten Wechsel zu einer spanischen Telefongesellschaft verkündete, war die Empörung groß. So dreist hatte bis dahin kaum einer die Seiten gewechselt. Die EU-Kommission nahm den Fall zum Anlass, einen Verhaltenskodex für ihre Mitglieder zu erlassen. Für die Kommissare gilt deshalb schon seit 1999 eine Karenzzeit, innerhalb derer sie nur mit Billigung einer Ethik-Kommission einen neuen Job in der Wirtschaft annehmen dürfen.

Seit damals mussten sich die deutschen Minister immer fragen lassen, warum sie sich keiner Karenzzeit unterwerfen. Es hat lange gedauert, aber jetzt ist der Druck zu groß geworden. Am Donnerstag Abend hat die Bundesregierung - mehr geschoben als begeistert - einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem auch in Deutschland solche "Abkühlphasen" eingeführt werden. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Details:

Wen betrifft die Neuregelung?

Merkel und Pofalla

Prominenter Überläufer: Ronald Pofalla wechselte zur Deutschen Bahn. Zuvor war der CDU-Politiker Angela Merkels Kanzleramtschef.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Sie gilt für alle amtierenden und ehemaligen Mitglieder der Bundesregierung, die innerhalb von 18 Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt einer neuer Beschäftigung (außerhalb des öffentlichen Dienstes) nachgehen wollen. Mitglieder der Regierung sind die Kanzlerin und ihre Minister. Die Regel soll außerdem für die parlamentarischen Staatssekretäre gelten. Sie alle müssen künftig einen möglichen Seitenwechsel "anzeigen", sobald ihnen "eine Beschäftigung in Aussicht gestellt wird" oder sie "mit Vorbereitungen für die Aufnahme einer Beschäftigung" beginnen.

Warum ist ein Gesetz nötig?

Wann darf ein Minister in die Wirtschaft wechseln? Wer entscheidet, ob es einen Interessenskonflikt gibt? Nichts davon ist bisher geregelt. Daniel Bahr, Dirk Niebel, Philipp Rösler, Ronald Pofalla und Eckart von Klaeden konnten deshalb neue Jobs annehmen, ohne sich an irgendwelche Beschränkungen halten zu müssen. Das wird sich jetzt ändern. Mit dem neuen Gesetz solle verhindert werden, "dass durch den Anschein einer voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten oder durch die private Verwertung von Amtswissen nach Beendigung des Amtsverhältnisses das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigt wird", heißt es in dem Entwurf.

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Wer entscheidet über die Zwangspause?

Der Gesetzentwurf sieht keine Pflicht-Karenzzeit vor allen neuen Tätigkeiten vor. Die Zwangspause soll nur verhängt werden, wenn durch die neue Beschäftigung "öffentliche Interessen beeinträchtigt werden" können. Nach der Anzeige eines geplanten Seitenwechsels soll deshalb zunächst ein Expertengremium, eine Art Ethik-Kommission, über den Fall beraten und der Bundesregierung eine Empfehlung präsentieren. Die eigentliche Entscheidung darüber, ob eine Karenzzeit notwendig ist, trifft dann aber die Regierung. Sie ist an die Empfehlung der Kommission nicht gebunden.

Die Empfehlung der Kommission muss aber zusammen mit der Entscheidung veröffentlicht werden.

Wer sitzt in der Ethik-Kommission?

Wer Mitglied der dreiköpfigen Kommission wird, ist noch unklar. In dem Gesetzentwurf heißt es, "die Mitglieder des beratenden Gremiums sollen Funktionen an der Spitze staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen wahrgenommen haben oder über Erfahrungen in einem wichtigen politischen Amt verfügen". Sie sollen auf Vorschlag der Bundesregierung jeweils zu Beginn einer Wahlperiode vom Bundespräsidenten berufen werden.

Wie lange dauert die Karenzzeit?

Sie soll in der Regel ein Jahr betragen. In Ausnahmefällen kann auch eine Zwangspause von 18 Monaten verhängt werden. In einer solchen Karenzzeit haben die Betroffenen Anspruch auf Übergangsgeld.

Ist die Regelung weitgehend genug?

Transparency Deutschland und Lobbycontrol begrüßen zwar, dass jetzt Karenzzeiten eingeführt werden. Sie halten das Gesetz aber für unzureichend. Die Organisationen verlangen eine Karenzzeit von drei Jahren. Nur durch eine derart lange "Abkühlphase" sei sichergestellt, dass die im Amt gewonnenen Erkenntnisse und das dabei aufgebaute Netzwerk für die Wirtschaft nicht mehr von Interesse sei. Außerdem bemängeln die Experten, dass das Gesetz keine Strafen für ein Fehlverhalten vorsieht - etwa, wenn ein Minister der Anzeigepflicht nicht nachkommt.

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