Süddeutsche Zeitung

Von der Leyens Pläne gegen Altersarmut:DGB erteilt Zuschussrente Absage

DGB-Vorstand Annelie Buntenbach hält nichts vom Vorschlag der Arbeitsministerin, Geringverdiener mit einer Zusatzrente vor der Altersarmut zu bewahren - denn die bedrohe längst die breite Mittelschicht. Auch in der Koalition und Opposition reißt die Kritik an von der Leyens Projekt nicht ab.

Nach der Veröffentlichung alarmierender Zahlen zum Armutsrisiko im Alter herrscht weiter Streit über den richtigen Weg zu einer ausreichenden Rente für Millionen von Arbeitnehmern.

DGB-Vorstand Annelie Buntenbach hat der von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angestrebten Zuschussrente für Geringverdiener eine Absage erteilt. "Wenn die Bundesregierung den Sturzflug des Rentenniveaus nicht aufhält, droht Altersarmut längst nicht nur Geringverdienern, sondern der breiten Mittelschicht", sagte die Gewerkschafterin der Passauer Neuen Presse. "Da hilft auch keine Zuschussrente."

Nach den Plänen von der Leyens sollen geringe Altersbezüge von Neurentnern auf maximal 850 Euro aufgestockt werden, wenn der Rentner mindestens 40 Versicherungsjahre vorweisen kann. Grund für das steigende Armutsrisiko ist die beschlossene Absenkung des Rentenniveaus bis 2030.

Bei der Zuschussrente seien die Hürden so hoch, dass sie kaum jemand in Anspruch nehmen könne, kritisiert Buntenbach. Nach den Plänen der Ministerin wäre von 2018 an unter anderem der Nachweis einer langjährigen privaten Altersvorsorge zusätzlich nötig.

Die beschlossene Senkung des Rentenbeitrags nannte Buntenbach "absolut unvernünftig". Es sei klar: "Wer heute die Beiträge senkt, kürzt die Rente von morgen". Buntenbach forderte stattdessen eine "solidarische Demografie-Reserve".

Nach Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums droht allen Arbeitnehmern mit weniger als 2500 Euro brutto im Monat ab 2030 eine Rente unter dem Grundsicherungsbedarf von 688 Euro. Diese Menschen, die 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt und keine weitere private Vorsorge betrieben hätten, müssten "mit dem Tag des Renteneintritts den Gang zum Sozialamt antreten", schrieb von der Leyen in einem Brief an ihre Kritiker in der Union.

In der Koalition stoßen von der Leyens Pläne auf Vorbehalte. Die FDP-Spitze bekräftigte am Wochenende ihre Ablehnung einer Zuschussrente. Von der Leyens Konzept würde Milliarden kosten, sagte Parteichef Philipp Rösler.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, mit der Zuschussrente für Geringverdiener befinde sich von der Leyen auf dem Holzweg. "Die Idee bedeutet, dass innerhalb des Rentensystems Umverteilung beginnen soll, also gut verdienende Beitragszahlerinnen und Beitragszahler bekommen nicht mehr die gleichen Rentenversprechen für ihre Einzahlungen, um am Ende Rentenanwartschaften für Geringverdiener mit gebrochenen Erwerbsbiografien zu finanzieren. Das kann es nicht sein."

Der CDU-Sozialpolitiker Jens Spahn sagte, für junge Leute sei selbst mit Zuschusszahlungen nicht mehr viel von der Rente zu erwarten. "Wir sollten so ehrlich sein und über den Systemwechsel zu einer steuerfinanzierten Grundrente für alle diskutieren", sagte Spahn der Berliner Zeitung.

Junge-Unions-Chef Philipp Mißfelder äußerte sich erneut ablehnend zu den Plänen. Er sei nicht dafür, der Rentenversicherung eine weitere Sozialleistung aufzubürden um den Preis, dass die jungen Beitragszahler mehr belastet würden.

Von der Leyen hatte in einem am Wochenende bekannt gewordenen Schreiben an die Junge Gruppe der Unionsfraktion vor der Gefahr von Altersarmut auch für Durchschnittsverdiener gewarnt. Mißfelder kritisierte im ZDF, die Junge Union habe seit Jahren darauf hingewiesen, dass wegen des demographischen Wandels der Rentenversicherung "ein massives Problem" drohe. "Nun soll die junge Generation die Zeche dafür zahlen."

Zur Lösung des Problems schlug der CDU-Politiker vor, auch diejenigen finanziell heranzuziehen, die keine Beiträge in die Rentenversicherung einbezahlen. "Das wäre dann die steuerfinanzierte Grundrente." Die sogenannte Junge Gruppe der Unionsabgeordneten im Bundestag will am Mittwoch bei einem Treffen mit von der Leyen über Wege zur Umgestaltung des Rentensystems beraten.

"Neue Ungerechtigkeiten"

Nach Einschätzung von SPD und Grünen unterstreichen die veröffentlichten Zahlen die Untauglichkeit des von der Arbeitsministerin vorgelegten Konzepts: "Wegen der hohen Zugangshürden wird kaum jemand die Zuschussrente bekommen. Außerdem schafft sie neue Ungerechtigkeiten, weil viele Leute, die lange Vollzeit gearbeitet haben, am Ende auch nicht mehr Rente bekommen", sagte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner der Saarbrücker Zeitung.

Eine in der SPD diskutierte Alternative sei die Beibehaltung des jetzigen Rentenniveaus, was aber auch eine schnellere Anhebung der Rentenbeiträge als ursprünglich geplant zur Folge hätte, räumte Ferner ein.

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