Süddeutsche Zeitung

Von der Leyen im Irak:Manöver fern der Heimat

Es hätte um Außen-, ja um Weltpolitik gehen sollen. Stattdessen dreht sich auf der Reise von Ursula von der Leyen in den kurdischen Nordirak viel um fehlende Ersatzteile.

Von Christoph Hickmann, Erbil

Die Frage ist nicht ganz unheikel, die Verteidigungsministerin hat das offensichtlich gemerkt. Es ist Donnerstag, früher Nachmittag, Ursula von der Leyen steht in Erbil, nördlicher Irak, neben dem Kurdenpräsidenten Massud Barsani.

Die beiden haben ein Gespräch geführt, nun stellen sie sich der Presse, und von der Leyen ist gerade gefragt worden, ob Deutschland die kurdische Regionalregierung auch dann weiter unterstützen werde, wenn die Terroristen vom "Islamischen Staat" geschlagen seien.

Warum das heikel werden könnte? Weil die Frage einen Aspekt berührt, über den in Deutschland heftig gestritten wurde: Was passiert eigentlich mit den deutschen Waffen, wenn es nicht mehr gegen die IS-Miliz geht? Könnten sie am Ende eingesetzt werden, um den Traum vom eigenen kurdischen Staat zu verwirklichen?

Zwar ging es in der Frage nicht um Waffen, sondern ganz allgemein um Unterstützung - doch angesichts der Debatte in Deutschland könnte man jetzt schnell einen Fehler machen. Also antwortet die Ministerin so allgemein, wie die Frage gestellt war: Ja, sie sei überzeugt, dass man auch auf mittlere und lange Sicht zusammenarbeiten werde - schließlich habe man bereits vorher gute Beziehungen zur Regionalregierung gehabt. Klippe umschifft.

Es sind keine ganz einfachen Tage für die Christdemokratin von der Leyen. Eine Meldung nach der anderen hat es in dieser Woche über das marode Material der Bundeswehr gegeben. Die Verteidigungsministerin hat sich da öffentlich weitgehend herausgehalten, und tatsächlich kann man ihr ja nicht vorwerfen, wie alt und damit anfällig viele Flugzeuge, Hubschrauber und andere Gerätschaften mittlerweile sind. Auch die Tatsache, dass die Beschaffung von Ersatzteilen zuerst ausgesetzt und dann deutlich reduziert weitergeführt wurde, ist ihr nicht anzulasten.

Lieber mal über Ebola reden

Anders sieht es schon bei der Frage aus, warum der Verteidigungsausschuss erst äußerst spät über den Ausfall beinahe sämtlicher Marinehubschrauber in Kenntnis gesetzt wurde, und dies offenbar auch erst auf Drängen des Wehrbeauftragten - schließlich hatte von der Leyen nach ihrem Amtsantritt mehr Transparenz versprochen.

In jedem Fall wird dieser Tage noch einmal sichtbar, was sich von der Leyen vorgenommen hat, als sie ankündigte, den Rüstungssektor zu reformieren: Eine Aufgabe, an der man durchaus auch scheitern kann. Wahrscheinlich wirkt sie deshalb froh, wenn sie während der Reise immer mal wieder über die Ebola-Hilfe reden kann. Ihrem Aufruf, sich freiwillig zu melden, sind ja unerwartet viele gefolgt.

Und eigentlich hätte auch die Reise selbst eine Gelegenheit sein können, mal wieder über andere Themen zu reden - auch wenn es keine im eigentlichen Sinn angenehmen Themen sind, schließlich geht es darum, den IS-Terror zu beenden und dafür Waffen zu liefern.

Aber immerhin, es hatte hier um Außen-, ja um Weltpolitik gehen sollen statt um fehlende Ersatzteile. Aber es geht doch zu einem guten Teil um Ersatzteile, was daran liegt, dass diese Reise von einer ganzen Serie an Unannehmlichkeiten überschattet wird. Man könnte auch sagen: Pannen.

Da waren zunächst die sieben Soldaten, die eigentlich die kurdischen Kämpfer im Nordirak an den deutschen Waffen einweisen sollten. Seit dem Wochenende saßen sie in Bulgarien fest, weil die Transall C-160, mit der sie fliegen sollten, defekt war. Dann hatten sie das Flugzeug gewechselt, doch für die neue Maschine gab es nicht die sogenannte diplomatische Clearance, um im Irak zu landen. Also: warten.

Waffenlieferung mit Verspätung

Am Mittwoch sollte es endlich weitergehen, doch als die Soldaten starten sollten, entdeckte man, dass Kerosin austrat. Für Donnerstagabend wurden sie dann in Erbil erwartet. Das marode Material holt die Ministerin also selbst auf ihrer Irak-Reise ein - und zwar massiv: Jene Peschmerga-Kämpfer, die eigentlich seit Tagen in Hammelburg ausgebildet werden sollten, konnten bis Donnerstag ebenfalls nicht losfliegen, weil sie auf die Maschine warteten, mit der die sieben deutschen Soldaten nach Erbil kommen sollten.

Eigentlich hatte von der Leyen auf dem Rückweg in Hammelburg halten und sich die Ausbildung der Peschmerga-Kämpfer ansehen wollen. Ihre Leute kippten den Programmpunkt.

Und die Waffenlieferung, über die man in Deutschland so lange debattiert hatte? Deren erster Teil, bestehend aus Sturmgewehren, Panzerfäusten und Maschinengewehren, jeweils mit Munition, kam auch nicht wie geplant am Mittwoch auf den Weg - sondern erst in der Nacht zum Donnerstag um kurz vor zwei. Woran es hakte? An Ersatzteilen.

Allerdings handelte es sich diesmal nicht um eine Maschine der Bundeswehr, sondern um ein niederländisches Flugzeug - was nicht daran lag, dass die Bundeswehr überhaupt keine Flieger mehr hätte, sondern daran, dass Deutschland seine Transportflugzeuge mit mehreren Partnernationen einem gemeinsamen Lufttransportkommando in Eindhoven unterstellt hat.

Von Leipzig aus wurden die Waffen nachts nach Zypern geflogen, wo die Fracht auf britische Maschinen umgeladen werden sollte. Die erste davon wurde ebenfalls für Donnerstagabend im Nordirak erwartet. Von der Leyen aber sollte am Donnerstagabend schon wieder weg sein.

Sie selbst ist übrigens von Berlin aus erst nach Jordanien und von da mit einer Bundeswehr-Transall nach Erbil geflogen. Ohne Pannen.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2014/gal
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