Von der Leyen gegen Schröder:Alphatier trifft Alphatierchen

Angeblich haben sich die Ministerinnen für Arbeit und für Familie wieder lieb. Doch ihr öffentlicher Streit um die Bildungs-Chipkarte zeigt, wie gespannt ihr Verhältnis ist. Ursula von der Leyen macht es ihrer Nachfolgerin Kristina Schröder nicht leicht.

Stefan Braun

Es ist alles wieder gut. Sagen jedenfalls die streitenden Damen, und sie sagen das, weil sie keinen Ärger mehr machen und erst recht keinen Ärger mehr haben möchten.

German Weekly Government Cabinet Meeting

Nach ihrer Auseinandersetzung am Sonntag demonstrieren Arbeitsministerin von der Leyen (links) und Familienministerin Schröder am Mittwoch wieder Harmonie.

(Foto: Getty Images)

Also haben sich Ursula von der Leyen und Kristina Schröder am Mittwochmorgen am Rande des Bundeskabinetts noch einmal getroffen. Sie haben Freundlichkeiten ausgetauscht und sich viel Zusammenarbeit versprochen. Und sie haben fest vereinbart, in Kürze nach gemeinsamen Projekten zu forschen, um sich und die Koalition und überhaupt alle künftig gemeinsam voranzubringen. Die Arbeits- und die Familienministerin, so heißt es von allen Seiten, wollen wieder und noch mehr an einem Strang ziehen.

Der Streit war mehr als ein kleiner Unfall

Richtig daran ist, dass beide Bundesministerinnen die strengen Hinweise, die sie von manchem am Montag in den CDU-Führungsgremien erhalten haben, ernst nehmen. Richtig ist zudem, dass beide genau wissen, wie sehr offener Streit der ohnehin gebeutelten CDU und daneben auch ihnen selbst schadet. Aber richtig ist schließlich auch, dass der Zusammenstoß vom vergangenen Wochenende, als sich die beiden auf offener Bühne über von der Leyens Chipkarten-Pläne stritten, mehr gewesen ist als ein kleiner Unfall.

An der Oberfläche ging es um die Frage, ob von der Leyens Idee, den Kindern von Hartz-IV-Familien künftig via Chipkarte Geld für Nachhilfeunterricht, Sport und das Schul-Mittagessen in die Hand zu geben, datenschutzrechtlich Probleme bereiten könnten. Diesen Hinweis immerhin hatte Schröder in einem großen Interview gegeben - was noch vor Drucklegung des Gesprächs bei von der Leyen heftigen Widerspruch auslöste. Das Alphatier von der Leyen wehrte sich gegen das Alphatierchen Schröder - und jeder in der Regierung wusste, dass Vorgängerin und Nachfolgerin ein wirklich einvernehmliches Miteinander bislang nicht gefunden haben.

Wenig Rücksicht auf die Kollegen

Von der Leyen ist schon als Familienministerin eine ebenso starke wie selbstbewusste Ministerin gewesen, die sehr entschlossen und publikumswirksam Themen besetzt hat - und dabei im Zweifel wenig Rücksicht nahm auf ihre Kollegen. "Genau das", so sagt es ein Regierungsmitglied, das im früheren wie im jetzigen Kabinett dabei ist, "hat sich seit von der Leyens Wechsel ins Arbeitsministerium nicht geändert. Im Gegenteil gibt ihr das neue Haus ein noch größeres Spielfeld." Deshalb könne es nicht überraschen, dass von der Leyens Nachfolgerin im Familienressort gerade jetzt aufgemuckt habe.

Ein heikler Moment für Kritik

Interessant daran ist durchaus, dass Schröder sich genau diesen Moment und dieses Thema ausgesucht hat. Nach ihrer sonntäglichen Kritik ist sie jetzt zwar leise und mag sich zu all dem auch nicht mehr äußern. Glaubt man jedoch Beobachtern aus der Fraktion, dann hat sie sich geschickt eine Stelle gesucht, bei der von der Leyen in der CDU wie in der Regierung und in der Unionsfraktion, gelinde gesagt, noch viel Überzeugungsarbeit leisten und viele Zweifel aus der Welt schaffen muss.

Bundesarbeitsministerin von der Leyen stellt Arbeitsmarktzahlen vor

Ursula von der Leyen (CDU) hat viele Experten mitgenommen, als sie vom Familien- ins Arbeitsministerium wechselte.

(Foto: ddp)

Medienrummel statt Lösungen

"Die Idee der Bildungs-Chipkarte klingt auf den ersten Blick wie eine Zauberkarte zur Lösung aller Probleme von benachteiligten Kindern", sagt ein Mitglied des Kabinetts, "in Wahrheit aber ist es ein öffentlichkeitswirksamer Platzhalter für ein noch nicht vorhandenes Gesamtkonzept." Wie schon öfter in der Vergangenheit habe von der Leyen geschickt einen nachrichtenarmen Moment gesucht, um mit einem großen Projekt an die Öffentlichkeit zu treten, das sich sogleich eng mit ihrem Namen verbindet. Dabei fehle es noch an Antworten auf viele Details. Das nähre den Verdacht, dass die Wirkung in den Medien wichtiger sein könnte als die Lösung der konkreten Probleme.

Darin liegt zwar eine Portion Unterstellung. Aber die Äußerung zeigt, dass Schröder nicht alleine ist mit ihrer Kritik. Außerdem ist die Bildungs-Chipkarte für Kinder aus Hartz-IV-Familien in den Augen der Öffentlichkeit nicht nur Thema der für Hartz IV zuständigen Sozialministerin, sondern auch eines für das Familienressort von Schröder. "Wenn von der Leyen Mannschaftsspielerinnen sein will, sollte sie andere mit in die Sonne nehmen und nicht immer nur alleine große Schatten werfen", sagt einer aus der Fraktionsführung.

Schröder hat wenig Geld und wenig Spielraum

Damit ist im Grunde angesprochen, was eigentlich von Beginn an das beiderseitige Verhältnis getrübt hat. Als die bald 52-jährige von der Leyen ins Arbeitsministerium wechselte, nahm sie so ziemlich alle Experten, die ihr lieb waren, mit ins neue Ressort. Entsprechend leer geräumt war das Ministerium, das ihre 33-jährige Nachfolgerin vorfand. Zudem hatte von der Leyen im alten Ressort gleich zweimal Glück. Hätte die große Koalition nicht einigermaßen hohe Steuereinnahmen erzielt, wären ihre beiden Prestigeprojekte - das Elterngeld und der Krippenausbau - kaum realisierbar gewesen. Schröder nun ist im Gegensatz dazu in jener Situation, in der Familienministerinnen ungern, aber oft sind: Sie hat nur wenige Gesetze zu machen, hat noch weniger Geld zur Verfügung und braucht trotzdem Projekte, mit denen sich ihr Name verbindet.

Dass von der Leyen das nicht weiß, ist ausgeschlossen. Sie hat im neuen Amt genügend Leute um sich, die sich an das Leid der alten Zeit gut erinnern. Umso interessanter wird es sein, ob die selbstbewusste Seiteneinsteigerin von der Leyen und die als JU-Gewächs groß gewordene Schröder noch zueinander finden.

Dass die Regierung dies bitter nötig hätte, ist beiden am Montag klar gesagt worden. Der scheidende hessische Ministerpräsident Roland Koch lobte im Vorstand eindrücklich den Umgang mit den großen Krisen - und kritisierte umso schärfer das ganz normale Regierungshandeln. Wie es heißt, hat sich an der Stelle kein Minister getraut, dagegenzuhalten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: