Europäische Union:Wie von der Leyen um die Gunst des EU-Parlaments wirbt

Ursula Von Der Leyen Seeks Commission's Approval For EU Leadership

Ursula von der Leyen in Brüssel.

(Foto: Thierry Monasse/Getty Images)
  • Im Europaparlament ist der Unmut darüber groß, weil keiner der im Wahlkampf angetretenen Spitzenkandidaten für den wichtigsten EU-Job nominiert wurde.
  • Von der Leyen ist auf das Wohlwollen des Parlaments angewiesen.
  • Sie könnte die Zustimmung der Parlamentarier dadurch gewinnen, dass sie ihnen mehr Rechte verspricht.

Von Stefan Kornelius, Alexander Mühlauer, Brüssel, und Mike Szymanski, Berlin

Ursula von der Leyen hat jetzt nicht nur einen neuen Twitter-Account, sondern auch ein eigenes Büro in Brüssel. Auf ihrem Schreibtisch steht nicht viel: ein Computer, ein Laptop und eine Lampe, dahinter sieht man die EU-Flagge. Die Verteidigungsministerin verbreitete am Freitag per Tweet ein Foto ihres neuen Arbeitsplatzes und teilte mit: "Das Telefon funktioniert auf jeden Fall."

Damit am 16. Juli auch die Wahl zur neuen Präsidentin der EU-Kommission klappt, wird von der Leyen in den nächsten Tagen viel reden - und auch ein Friedensangebote an das Europäische Parlament vorlegen müssen. Denn dort ist der Unmut groß, weil keiner der Spitzenkandidaten für den wichtigsten EU-Job nominiert wurde sondern eben diese Politikerin, die auf keinem Wahlzettel stand.

Noch hält sich von der Leyen bedeckt, welche Morgengabe sie dem Parlament zur Versöhnung reichen könnte. Ihre Äußerungen in Straßburg deuten darauf hin, dass sie ein Angebot zum Spitzenkandidaten-Verfahren unterbreiten dürfte. Sie könnte dem Parlament vorschlagen, dass die Kommission mit den Abgeordneten eine Initiative startet, um den Wahlprozess zu reformieren. Mögliche Elemente werden bereits diskutiert: Es könnte zu transnationalen Listen kommen, die Abgeordneten wären dann in allen EU-Ländern gleichermaßen zu wählen, inklusive eines Spitzenkandidaten.

Denkbar wäre auch eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten durch alle EU-Bürger. Dann würden eher hochkarätige Politiker kandidieren, etwa amtierende Regierungschefs, denn sie wären nicht mehr auf die Zustimmung ihrer Kollegen im Rat angewiesen. Dritte Variante: Man ändert das Nominierungsverfahren und gibt dem Parlament das Vorschlagsrecht - der Rat mit den Staats- und Regierungschefs müsste anschließend den Daumen heben oder senken. Momentan gibt der EU-Vertrag dem Rat das Vorschlagsrecht.

In Brüssel ist klar, was nun passiert: Das Schaulaufen der Kandidatin, aber auch die Nominierung ihrer Kommissare, gerät zum Basar. "Da werden Wünsche geäußert", sagt einer, der das Verfahren schon ein paarmal erlebt hat. "Manche würden auch von Erpressung reden."

Selten war eine Kandidatin so auf das Wohlwollen des Parlaments angewiesen.

Von der Leyen muss deswegen genau dosieren, welches Programm sie aufstellt und wann sie es mit dem Parlament diskutiert. Europäische Volkspartei (EVP), Sozialisten, Grüne, Liberale - alle wollen ihren Anteil am Kuchen und bereits jetzt Vorabsprachen über Gesetze treffen, die im Laufe der Legislaturperiode aufs Gleis gesetzt werden. Gleichzeitig geht es darum, den Machtkampf zwischen Rat und Parlament zugunsten der Abgeordneten zu verschieben. Die Situation ist günstig, selten war eine Kandidatin so auf das Wohlwollen des Parlaments angewiesen.

Von der Leyen muss jetzt die Feinheiten des Brüsseler Geschäfts im Schnellgang aufsaugen. Unfassbar wenig Zeit stehe dafür zur Verfügung, heißt es in ihrem Umfeld. Fünf Mitarbeiter und drei Assistenten werden von der Leyen unterstützen in ihrem Kampf um das höchste EU-Amt. Zwei ihrer engsten Mitarbeiter aus dem Verteidigungsministerium bringt sie mit. Ihr langjähriger Sprecher und der Leiter des Leitungsstabs wurden für die Zeit der Kandidatur beurlaubt. Bis zur Wahl ruhen alle Termine in Berlin.

Hilfe bekommt von der Leyen auch aus dem Apparat. Der Generalsekretär der Kommission, Martin Selmayr, steht ganz oben in der Beraterreihe; die Organisation des Übergangs steht in seinem Pflichtenheft. Der Deutsche gilt als mächtigster Beamter in Brüssel - ob er das neben einer deutschen Kommissionschefin bleiben wird, ist ungewiss. Es gibt eine Vielzahl von EU-Staaten, denen der deutsche Einfluss in Brüssel schon jetzt zu groß ist.

Fest steht auch: Die EVP-Regierungschefs, allen voran Kanzlerin Angela Merkel (CDU), wollen die Operation zu einem Erfolg führen, sonst droht der EU eine schwere Krise. Berlin wird die anderen Regierungen dazu drängen, von der Leyen mithilfe der Abgeordneten aus den jeweiligen Ländern durchzusetzen - und Hebel dafür gibt es. Von Geschlossenheit kann etwa unter den Sozialisten keine Rede sein. Während die deutsche SPD gerade tobt, dürften sich die spanischen Sozialisten der Logik ihres Regierungschefs fügen. Der war kein Fan der Spitzenkandidaten und hat dafür seinen Außenminister erfolgreich nach Brüssel bugsiert. Auch die italienischen Sozialisten sind einigermaßen befriedet - einer der ihren ist nun Parlamentspräsident. Widerstand kommt hingegen aus Frankreich und Österreich.

Ob von der Leyen die Zweifler in der SPD überzeugen kann, ist offen. Die kommissarische Parteivorsitzende Malu Dreyer jedenfalls machte klar, dass es ihrer Partei nicht um die Person von der Leyen gehe, sondern um das Prinzip des Spitzenkandidaten. Von der Leyen wird die Signale verstanden haben.

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