Süddeutsche Zeitung

Von Bonn bis Berlin:Die Politikbegleiterinnen

Heike Specht porträtiert Deutschlands First Ladies, deren Alltag und komplexe Rollen.

Von Dorion Weickmann

Sie arbeiten unter den Argusaugen der Öffentlichkeit, Vollzeit, ohne Gehalt, ohne Sozialversicherung. Auch im Privaten sollen sie tunlichst ein paar Spielregeln einhalten. Dazu gehört: keine Ansprüche an den Partner stellen, pflegeleichtes Verhalten trainieren und Kinder im Alleingang erziehen. Dieses komplexe Berufsprofil heißt mal "Kanzlergattin", mal "Gefährtin des Bundespräsidenten". Rein rechtlich existiert es nicht. Was seiner Stabilität so wenig Abbruch tut wie den Ehebündnissen, die es stützt. Nur zwei von bislang sieben Tandems im Kanzleramt - die Ehepaare Brandt und Schröder - gingen nach dem Ende der Amtszeit getrennte Wege. Von den zwölf Bundespräsidenten landete mit Christian Wulff nur ein einziger vor dem Scheidungsrichter.

Die Arrangements an der Staatsspitze nimmt die Historikerin und Literaturwissenschaftlerin Heike Specht ins Visier. "Ihre Seite der Geschichte" heißt Spechts Buch, das "Deutschland und seine First Ladies seit 1949" porträtiert. Jene Damen also, die eher Staatsaffären als Herrenhemden wegbügeln und bisweilen tatsächlich die bessere Hälfte abgeben - dank Charme, Kompetenz und eiserner Disziplin. Deren Auswüchse Specht mitunter im Stil eines Promi-Magazins kolportiert.

Vielleicht fällt ihre Analyse deshalb streckenweise recht dürftig aus. Einerseits knüpft die Chronistin sehr geschickt den historischen Faden, andererseits lähmen Wiederholungsschleifen den Lesefluss. Das Talent der Ersten Damen, ihren Männern als Mitstreiterinnen, Ratgeberinnen, Verteidigerinnen, Anstifterinnen, Konfliktlotsinnen beizustehen, wird munter ausgewalzt, statt es ein- für allemal als Schlüsselqualifikation auszuweisen. Leicht betulich schreitet Heike Specht die Gattinnen-Galerie von Elly Heuss-Knapp über Loki Schmidt bis Elke Büdenbender ab. Schärferes Hinschauen und intensivere Ursachenforschung hätten hier nicht geschadet.

Was hat zum Beispiel eine Hannelore Kohl veranlasst, ihre schwere Erkrankung unter Verschluss zu halten? Der psychische Druck, den das Dasein im Schlepptau eines "Narzissten" (Specht über Helmut Kohl) mit sich bringt, bleibt seltsam nebulös. Ebenso wie die familiären Katastrophen und zweitehelichen Kollateralschäden, die sowohl Willy Brandt als auch Helmut Kohl ihren Söhnen zumuteten.

Joachim Sauer ist nicht nur der erste Mann, sondern auch ein Rundumverweigerer

Vorzüglich gelingt es Specht dagegen, den Gründungselan wie die Lebensleistungen ihrer Protagonistinnen und deren allmähliche Emanzipation nachzuzeichnen. Schon Elly Heuss-Knapp, die allererste Frau mit Präsidialgemahl, rief mit dem Müttergenesungswerk eine wegweisende Sozialeinrichtung ins Leben. Mildred Scheels "Krebshilfe" oder Hannelore Kohls Stiftung für Hirngeschädigte sind aus dem gemeinnützigen Spektrum nicht mehr wegzudenken. Jede First Lady hat eine selbstgewählte Mission verfolgt und dafür die Werbetrommel gerührt, Türen geöffnet, Geldströme zum Fließen gebracht. Die Resolutesten wussten auch ihr Privatrevier zu verteidigen. So gab die Ärztin und dreifache Mutter Mildred Scheel bei Amtsübernahme die Devise aus: "Mein Mann macht Bundespräsident von Montag bis Freitag und Samstag und Sonntag haben wir frei."

Interessanterweise war es die unspektakuläre Ägide von Karl Carstens, in die - nahezu vergessen - die womöglich revolutionärste Neuerung fiel: Veronica Carstens blieb nach dem Amtsantritt ihres Mannes berufstätig und praktizierte weiterhin als Internistin. Anders sah es Jahre später für Doris Schröder-Köpf und Daniela Schadt aus, die Lebensgefährtin von Joachim Gauck. Beide waren erfolgreiche Journalistinnen, beide fürchteten Interessenskollisionen und verzichteten auf ihre Posten. Ob das noch zeitgemäß ist?

Angela Merkels Gatte Joachim Sauer ist nicht nur der erste Mann in einem bis dato ausschließlich weiblich besetzten Feld, sondern auch der erste Rundumverweigerer, was karitatives Engagement und Damenprogramme betrifft. Sollte sein Vorbild Schule machen, ist das ranghöchste Ehrenamt der Republik dem Untergang geweiht. Bedauerlich oder nicht? Heike Specht lässt die Antwort offen.

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SZ vom 06.05.2019
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