Volkswagen:Vom Frevler zum Vorbild

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VW steuert um und setzt nun voll auf Elektroautos. Beispielhaft.

Von Max Hägler

Jetzt soll auch noch eine ganze Autobahn gesperrt werden, weil die Luft so miserabel ist. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Gelsenkirchen zur A 40 ist heftig - und sie zeigt, dass sich die Art des Fortbewegens in Deutschland schnell ändern muss. Zu viele Autos mit zu vielen dreckigen Motoren stoßen zu viele Abgase aus, die Menschen vor Ort belasten. Und die dazu beitragen, dass die Erde sich immer mehr aufheizt.

Ausgerechnet der Autokonzern mit dem dreckigsten Image - Volkswagen - schickt sich jetzt am deutlichsten an, die Mobilität zu verändern. Sie zumindest sauberer zu machen, auch wenn das den Stau nicht auflöst. In wenigen Jahren bereits wird der größte Autobauer der Welt in deutschen Werken eine Million Elektroautos pro Jahr fertigen. Das Geld ist bewilligt, 30 Milliarden Euro bis 2023, die Maschinen werden bestellt. In Zwickau ist der Umbau schon weit gediehen, in gut einem Jahr rollen von dort die neuartigen Wagen aus, in Emden und Hannover wird bald damit begonnen. So viel Volkswagen falsch gemacht hat beim Diesel, so viel scheint der Konzern nun richtig zu machen bei der Elektromobilität. Und ist damit plötzlich Vorbild für die Branche.

Das hat übrigens nichts mit einem unternehmenseigenen Willen zur Weltrettung zu tun. Solche Ziele mögen Manager höchstpersönlich haben, aber ein an der Börse notierter Konzern kann sie nicht verfolgen, auch wenn die Kommunikatoren das erklären. Vielmehr geht es der VW AG systembedingt ums Geld (wobei das fürs Klima egal ist). Wer als Hersteller weiter auf schmutzige Motoren setzt, den wird die Politik zunehmend abstrafen. Deswegen sagen sie bei VW jetzt: Wir wollen das Thema Elektromobilität aus der Nische bringen. Zudem wird der Konkurrent Tesla stärker: Vom kommenden Jahr an verkauft Tesla seine Elektroautos auch im Mittelklassesegment.

Lange sah es so aus, als ob Volkswagen sowohl Modetrends als auch strengere Regularien verschläft. Es war dann ausgerechnet der selbstverursachte Dieselskandal, der den Elektroskeptiker Martin Winterkorn wegfegte und Zukunftsgestaltung ermöglichte. Sein Nachfolger Matthias Müller steuerte den Konzern unter dem Eindruck des Abgasbetrugs mit Kraft und gegen die Widerstände älterer Herren im Aufsichtsrat auf den richtigen Weg um. Der aktuelle VW-Chef Herbert Diess geht diesen Weg weiter.

Die oft so lähmende Übergröße des Autokonzerns ist auf einmal hilfreich. Schnell, mit Nachdruck und doch mit Bedacht gestaltet er den Wandel, der ein, zwei Jahrzehnte dauern wird und auch Probleme birgt: Etwa 120 000 Menschen arbeiten für VW in Deutschland. In zehn Jahren werden es wohl 20 000 weniger sein, denn Elektroautos sind einfacher zu fertigen, zumal VW einen wiederverwendbaren Wagenbaukasten entwickelt hat. Volkswagen beginnt nun, über diesen Stellenabbau zu sprechen. Das ist richtig, wie auch der Plan, das wichtigste und wertvollste Teil von Elektromobilen, die Batterie, selbst zu produzieren.

Drei Jahre nach dem Dieselskandal wird Volkswagen so - man mag's kaum glauben - zum guten Pionier, dem die Konkurrenz folgen sollte. Sofern der Konzern darüber nicht die notwendigen Aufräumarbeiten vergisst: Zukunft ohne Blick in die Vergangenheit, auf die A 40, das wird nicht funktionieren.

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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