Süddeutsche Zeitung

Volkskongress in Peking:"Die Schmerzen werden noch heftiger"

  • Regierungschef Li Keqiang verkündet beim Volkskongress, dass Chinas Militärausgaben deutlich steigen sollen.
  • Mit geplanten jährlichen Militärausgaben von etwa 130 Milliarden Euro steht China weltweit auf Rang zwei - hinter den USA.

China unter "Abwärtsdruck"

Trotz großer Widerstände will China seine Reformen vorantreiben. Zum Abschluss der Tagung des Volkskongresses in Peking bereitete Regierungschef Li Keqiang das Milliardenvolk auf schmerzhafte Umstrukturierungen vor. Auch das geringere Wachstumsziel von "etwa sieben Prozent" in diesem Jahr sei "auf keinen Fall einfach zu erreichen". Der "Abwärtsdruck" sei stark. Sollte sich das Wachstum unerwartet stark verlangsamen, habe die Regierung "ziemlich viel Spielraum" für Konjunkturhilfen, versicherte der Premier.

Die knapp 3000 Delegierten des nicht freigewählten Volkskongresses billigten zum Ende ihrer elftägigen Sitzung in der Großen Halle des Volkes wie üblich mit großer Mehrheit die Wirtschaftspolitik des Ministerpräsidenten und den Haushalt. Trotz schwächerer Konjunktur sollen die Rüstungsausgaben kräftig um 10,1 Prozent auf 886 Milliarden Yuan (etwa 130 Milliarden Euro) zulegen. Damit steht China weltweit auf Platz zwei - hinter den USA und vor Russland. Der Militäretat wurde mit 2483 Stimmen angenommen. 304 Delegierte stimmten dagegen, während sich 87 enthielten. Im Vorjahr hatte es 293 Gegenstimmen und 102 Enthaltungen gegeben.

Wegen der Spannungen um Inseln im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer verfolgen Chinas Nachbarn die Aufrüstung mit Sorge. Der Zuwachs ist niedriger als im Vorjahr (12,2 Prozent), aber im fünften Jahr in Folge zweistellig und höher als das Wirtschaftswachstum. Das Friedensforschungsinstitut Sipri in Stockholm schätzt die tatsächlichen Ausgaben um gut die Hälfte höher ein, da viele Posten wie Forschung und Entwicklung woanders auftauchen. Zwischen 2004 und 2013 legten die Militärausgaben demnach um 170 Prozent zu.

Kein Statement zu Umweltdokumentation

Bei einer sorgfältig orchestrierten, zweistündigen Pressebegegnung nach der Abschlusssitzung versprach der Regierungschef weniger Staat und mehr Markt. Er räumte ein, dass die Umstrukturierungen für die Chinesen auch qualvoll seien. "Die Schmerzen sind weiter da und werden noch heftiger und an mehr Stellen spürbar." Er warnte vor Widerstand durch mächtige Interessengruppen, "die verärgert sind". Die Regierung werde die Reformen weiter durchsetzen, um nachhaltiges Wachstum zu erreichen und Marktkräften eine größere Rolle einzuräumen, sagte der Premier. Die Regierung müsse ein Gleichgewicht zwischen "Wachstum und strukturellen Anpassungen" finden. "Wir müssen beide Ziele erfüllen."

In der Kontroverse um die Umweltverschmutzung in China versprach Li Keqiang energische Maßnahmen und hohe Strafen für Umweltsünder. "Unsere Fortschritte sind weit davon entfernt, die Erwartungen des Volkes zu erfüllen." Auf eine Frage nach der Umweltdokumentation "Unter der Glocke" und dem Widerstand großer Ölunternehmen gegen Umweltschutz wich Li Keqiang aber aus. Der Film war 200 Millionen mal angeklickt worden, bevor ihn Videoportale blocken mussten.

Obwohl die Organisatoren der Pressekonferenz in diesem Jahr mehr Offenheit versprochen hatten, waren die Fragen im Vorfeld meist doch wieder abgesprochen. Ausländische Journalisten, die eine Frage stellen konnten, räumten ein, vorher ausgewählt worden zu sein. Dagegen kamen Journalisten, die etwa nach Menschenrechten fragen wollten, nicht dran. Im Auslandskorrespondentenclub (FCCC) war schon mehrfach die Forderung nach einem Boykott laut geworden.

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