Volksaufstand am 17. Juni 1953:Als in der DDR der Zorn der Bürger brannte

Hunger und hohe Arbeitsbelastung treiben in der DDR die Bürger im Sommer 1953 auf die Straße. Am 17. Juni demonstrieren in der ganzen DDR mehr als eine Million Menschen - doch der Aufstand währt nicht lange. Über ein demokratisches Lauffeuer, dass von sowjetischen Panzern ausgelöscht wurde.

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Volksaufstand 17. Juni 1953 DDR

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Hunger und hohe Arbeitsbelastung treiben im Sommer 1953 die DDR-Bürger auf die Straße. Am 17. Juni 1953 demonstrierten in der gesamten DDR mehr als eine Million Menschen - doch der Aufstand währt nicht lange. Über ein demokratisches Lauffeuer, dass von sowjetischen Panzern ausgelöscht wurde.

Der von SED-Generalsekretär Walter Ulbricht forcierte Aufbau des Sozialismus in der DDR macht das Leben ihrer Bürger 1953 immer unerträglicher: Die Preise für Waren des alltäglichen Bedarf treiben in die Höhe, ausbleibende und mangelhafte Ernten sorgen für Hunger und Lebensmittelrationierungen. Doch der Führung in der jungen ostdeutschen Republik ist anderes wichtiger: Trotz der angespannten ökonomischen Lage will das SED-Zentralkommittee zu Ehren von Ulbrichts 60. Geburtstag am 30. Juni mit der Erhöhung der Arbeitsnormen zehn 10 Prozent verordnen - das hieße für die Menschen mehr Arbeit, für gleichen oder weniger Lohn.

Die angespannte Situation entlädt sich schließlich am 16. Juni in der Stalinstraße in Ostberlin, als Bauarbeiter ihre Arbeit niederlegen und einen Protestmarsch starten. Einen Tag später durchschreiten Demonstranten für Freiheit und Demokratie nicht nur das Brandenburger Tor, sondern wagen überall in der DDR den Aufstand.

Volksaufstand in der DDR, 1953

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Der Aufstand breitet sich im gesamten Arbeiter- und Bauernstaat aus. In mehr als 500 Orten kommt es zu Streiks, Kundgebungen und Gewaltausbrüchen. In Berlin wird im Zuge des Aufbegehrens das staatliche HO-Kaufhaus erst geplündert und schließlich in Brand gesetzt. Insgesamt beteiligen sich wohl eine Million Menschen an dem Aufstand, bei einer Bevölkerung von etwa 18 Millionen.

Volksaufstand in der DDR, 1953

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Volkspolizisten werfen ihre Uniformen aus den Fenstern des HO-Hochhauses, viele von ihnen laufen zu den Demonstranten über.

Deren Wut richtet sich vor allem gegen die Vertreter des Überwachungsstaates. Vielerorts werden Haftanstalten gestürmt und Gefangene befreit. In der Stadt Rathenow wird der Stasi-Spitzel Wilhelm Hagedorn von einer aufgebrachten Menge gelyncht.

Aufstand in Leipzig am 17. Juni 1953

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Auf dem alten Markt in Leipzig steht der Verkaufsstand des SED-Parteiorgans Neues Deutschland in Flammen (im Bild). In Berlin verbrennen die Protestler Sektorenschilder auf dem Potsdamer Platz.

In vielen Landkreisen und Städten stürmen Demonstranten Rathäuser und Regierungseinrichtungen, in den Kreisen Görlitz und Niesky wird sogar für wenige Stunden das SED-Regime abgeschafft.

Volksaufstand am 17. Juni 1953, Niederschlagung des Aufstands durch russische Truppen  | Uprising of 1953 in East Germany: russian troops suppresses the insurrection

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So überfordert oder unwillig sich die Volkspolizei dabei zeigt, gegen die aufgebrachten Bürger vorzugehen, desto entschlossener handelt die sowjetische Besatzungsmacht: In den aufrührerischen Städten und Kreisen wird der Ausnahmezustand erklärt. Im Falle von Widerstand werde von der Waffe gebrauch gemacht, heißt es unmissverständlich.

Volksaufstand am 17. Juni 1953, Niederschlagung des Aufstands durch russische Truppen  | Uprising of 1953 in East Germany: russian troops suppresses the insurrection

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Die Rote Armee setzt bald darauf mit Unterstützung des DDR-Polizeipparates diese Drohung in die Tat um. Recherchen des Projekts "Die Toten des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953" belegen mindestens 55 Tote im Zusammenhang mit den Massenprotesten.

34 der Opfer sind demnach Demonstranten, Passanten oder Zuschauer, die von Polizisten oder sowjetischen Soldaten erschossen werden. Elf weitere Aufständige werden hingerichtet oder sterben in Haft.

Gedenktag 17. Juni

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Die mächtige Sowjetarmee schafft innerhalb kurzer Zeit, den Aufstand des 17. Juni niederzuschlagen. Stöcke und Steine sind kein Mittel gegen T-34-Panzer. Zwar kommt es auch am 18. Juni noch zu Protesten und selbst im Juli noch zu Streiks in vereinzelten Betrieben - doch eine Revolution in der DDR ist längst nicht mehr möglich.

60 Jahre Bundesrepublik - DDR Ulbricht

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Ullbricht und die SED sind die Sieger des 17. Juni 1953. Die Aufstände stellen sie als konterrevolutionäres Werk "faschistischer Imperialisten" dar, die Sowjetunion habe für Ordnung gesorgt. Der Sozialismus wird weiter durchgesetzt und Walter Ullbricht zementiert seine Führungsposition innerhalb der DDR.

Im Bild: Walter Ullbricht in der Mitte von KPdSU-Chef Nikita Chruschtschow (links) und DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl auf dem fünften SED-Parteitag 1958.

Trauerkundgebung vor dem Schöneberger Rathaus für die Opfer des 17. Juni 1953

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Westdeutschland reagiert demonstrantiv bestürzt auf die Niederschlagung der Protestbewegung: Vor dem schwarz behangenem Schöneberger Rathaus in Berlin findet am 23. Juni 1953 eine Trauerkundgebung für die Opfer des Aufstandes vor etwa 500.000 Menschen statt. Bundeskanzler Konrad Adenauer hält eine Trauerrede vor den Särgen getöteter Bürger.

Der 17. Juni bleibt bis 1990 Nationalfeiertag in der Bundesrepublik. Seitdem feiert Deutschland die Nation am 3. Oktober - dem Datum der Wiedervereinigung beider Teile des Landes.

© Süddeutsche.de/josh/odg
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