Volksabstimmung zur Homo-Ehe:Wie das katholische Irland sich revolutioniert

Volksabstimmung zur Homo-Ehe: Ein Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe feiert das Referendumsergebnis in Dublin.

Ein Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe feiert das Referendumsergebnis in Dublin.

(Foto: AFP)
  • Irland ist das erste Land der Welt, das die Homo-Ehe per Volksabstimmung einführt: Am Freitag haben mehr als 62 Prozent der Wähler für die entsprechende Verfassungsänderung gestimmt.
  • Das Ergebnis in Irland zeigt: Das katholische Land hat sich rasant gewandelt.
  • Die Gründe sind vielfältig: junge Einwohner, Skandale der Kirche - und die schwere Finanzkrise.

Von Björn Finke, London

Es ist nicht nur eine Volksabstimmung, es ist eine soziale Revolution. Sagt der irische Gesundheitsminister Leo Varadkar. Und tatsächlich ist es revolutionär, was die 4,5 Millionen Iren nun vollbracht haben. Die Insel-Republik hat die Ehe zwischen Homosexuellen der Ehe zwischen Mann und Frau gleichgestellt - und das als weltweit erstes Land mit einem Referendum und nicht bloß per Parlamentsbeschluss. Die große Mehrheit der Bürger stimmte dafür, in die Verfassung hineinzuschreiben, dass eine Ehe "zwischen zwei Personen unabhängig von ihrem Geschlecht" geschlossen wird.

Dabei ist Irland traditionell ein sehr katholisches Land, in dem Homosexualität bis 1993 noch strafbar war. Und in dem erst 1995 eine Volksabstimmung die Ehescheidung ermöglichte - mit einer winzigen Mehrheit von 50,3 Prozent. Die Katholische Kirche sprach sich gegen die Gleichstellung der Homo-Ehe aus. Die deutliche Niederlage der Gegner im Referendum (hier der Originaltext als Pdf) beweist, dass der Klerus seine Macht über das Volk und die Politik verloren hat.

Warum sich Irland so gewandelt hat

Irland ist schon lange nicht mehr die abgeschiedene Insel am Rande Europas, wirtschaftlich rückständig und politisch rückwärtsgewandt: arm, aber unsexy, wenn auch hübsch grün. Kein anderer Staat in West-Europa hat sich in den vergangenen Jahrzehnten derart rasant gewandelt, keine andere Gesellschaft hat sich derart verändert. Wenig veranschaulicht das besser als die Tatsache, dass die einstige Hochburg konservativer Moralvorstellungen nun Vorreiter bei der Gleichstellung Homosexueller ist.

Der Wandel hat gleich mehrere Ursachen: Zum einen erlebten die Iren in den Neunzigerjahren und Anfang des neuen Jahrtausends erstmals Wohlstand und Wirtschaftswachstum auf breiter Front. Das waren die Jahre, in denen Irland ehrfurchtsvoll der Keltische Tiger genannt wurde. Reihenweise investierten ausländische Konzerne in Niederlassungen auf der einst beschaulichen Insel, angelockt von niedrigen Steuern und der jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung - ein großer Pool englischsprachiger Arbeitskräfte. Viele neue Jobs entstanden; Regionen, in denen die Menschen früher von der Landwirtschaft lebten oder der Armut durch Auswanderung entflohen, wandelten sich zu Pendlergürteln für die boomenden Städte.

Städte wie Dublin oder Cork - der Sitz von Apples Europa-Zentrale - wurden zugleich zum Magneten für qualifizierte Arbeitssuchende aus ganz Europa; in Dublins Bürovierteln ist in der Mittagspause auf den Straßen eine bunte Vielfalt an Sprachen zu hören, auch Deutsch. Die Insel der Auswanderer wurde so zum Einwanderungsland.

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