Volksabstimmung in der Schweiz:Schweizer Regierung hadert mit dem Votum der Bürger

Swiss approve referendum to curb immigration

Zeigen sich pragmatisch: Justizministerin Simonetta Sommaruga und Bundespräsident Didier Burkhalter nach der Abstimmung

(Foto: dpa)

Der Schweizer Bundesrat will die geforderte Zuwanderungsbegrenzung schnell umsetzen. Doch wie das konkret aussehen soll, ist völlig unklar - und auch, was das für das Verhältnis zur EU bedeutet. Von der SVP, dem Initiator der Abstimmung, fordert die Regierung jedenfalls "praktikable Vorschläge".

Die Schweizer haben entschieden, wenn auch knapp: Sie wollen die Zuwanderung in ihrem Land begrenzen. Doch nun geht die eigentliche Arbeit erst los. Denn wie das konkret aussehen soll, ist unklar. Wie hoch sollen die Kontingente sein? Wie werden sie auf Regionen und Branchen verteilt? Wie werden Asylsuchende und Grenzgänger berücksichtigt? Wer legt die jährlichen Höchstzahlen fest? Und wie kann unter diesen Umständen das Verhältnis zur EU aussehen?

Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) hatte die Initiative eingebracht, dabei jedoch diese Fragen unbeantwortet gelassen. Nach der Volksabstimmung delegiert sie die Verantwortung für die Ausgestaltung nun flugs weiter. Mit einem Ja sei nichts gelöst, sagt SVP-Nationalrat Albert Rösti. Der Bundesrat, also die Regierung der Schweiz, müsse nun die Personenfreizügigkeit mit der EU neu verhandeln, ohne die übrigen Abkommen des ersten bilateralen Vertragspakets zu gefährden, forderte er. Nach der Abstimmung hat der Bundesrat für die Aushandlung neuer völkerrechtlicher Verträge drei Jahre Zeit.

Regierungsvertreter zeigen sich pragmatisch. "Die Weichen sind gestellt", sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) schweizerischen Medien zufolge nach der Abstimmung.

Die Schweiz werde ihre Zuwanderung künftig mit Kontingenten und Höchstzahlen regeln. Das sei ein Systemwechsel mit weitreichenden Folgen, so Sommaruga. Doch der Bundesrat respektiere das Verdikt und werde die Initiative schnell und konsequent umsetzen. Sie verwies darauf, dass es einen innenpolitischen und einen außenpolitischen Handlungsstrang gebe. Innenpolitisch gelte es, ein Gesetz auszuarbeiten, welches die neue Verfassungsbestimmung konkretisiere. Sommaruga zufolge will der Bundesrat noch dieses Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen.

Schwierig dürften aber auch die Verhandlungen mit der EU werden. Erste Reaktionen zeigen, dass die Europäer keinesfalls gewillt sind, aus dem Vertragspaket mit der Schweiz (Bilaterale I) nur das Prinzip der Personenfreizügigkeit herauszunehmen und die anderen Bestandteile unvermindert weitergelten zu lassen. Zumal die Verträge durch eine sogenannte "Guillotine-Klausel" miteinander verknüpft sind - wird ein Teil aufgekündigt, können auch die anderen Teile des Abkommens gelöst werden.

"Wir müssen nun schnell mit Brüssel verhandeln", sagte der Schweizer Bundespräsident und Außenminister Didier Burkhalter (FDP) laut Neuer Zürcher Zeitung. Zunächst müsse in Gesprächen der Handlungsspielraum ausgelotet werden. Das gilt zum einen für bestehende Verträge, aber mit dem Zuwanderungsvotum ist auch die Zukunft einer Reihe geplanter neuer Verträge ungewiss. So wollten die Schweiz und die EU in Kürze mit Verhandlungen über ein Rahmenabkommen für die bisherigen bilateralen Verträge (Bilaterale I und II) beginnen. Es müsse geklärt werden, ob die EU dazu parallel zu Gesprächen über die Personenfreizügigkeit bereit sei, sagte Burkhalter.

Die Schweizer Regierung steht also vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Ob die mit ihrer Initiative erfolgreiche SVP sich aus diesen konkreten Fragen nun einfach heraushalten kann, wird man sehen. Von Regierungsseite wird dies jedenfalls nicht so gesehen. Er erwarte von der SVP im Rahmen der parlamentarischen Beratungen "praktikable Vorschläge", sagte FDP-Parteipräsident Philipp Müller laut Tages-Anzeiger. "Die SVP steht in der Pflicht."

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