Süddeutsche Zeitung

Volksabstimmung in der Schweiz:Europas Rechte jubilieren

"Das können wir auch" - Geert Wilders oder Marine Le Pen freuen sich über das Ergebnis des Votums in der Schweiz. Denn was sie fordern, wird jetzt dort umgesetzt.

Von Christian Zaschke, London, Javier Cáceres, Brüssel und Christian Wernicke, Paris

In Großbritannien gratulierten die Euro-Skeptiker aus vollem Herzen, kaum dass das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung bekannt geworden war. "Das sind wunderbare Neuigkeiten für die nationale Souveränität und für die Liebhaber der Freiheit in ganz Europa", jubilierte der Chef der UK Independence Party (Ukip), Nigel Farage, und fügte an: "Die weise und starke Schweiz hat sich der Bevormundung und den Drohungen seitens der nicht gewählten Bürokraten aus Brüssel entgegengestemmt."

Die Ukip ist nicht nur für eine Begrenzung des Zuzugs nach Großbritannien, sie setzt sich auch für einen Austritt des Landes aus der EU ein. Zwar stellt die Partei im Parlament von Westminster nicht einen einzigen Abgeordneten, doch hat sie zuletzt bei Regionalwahlen deutlich hinzugewonnen und wird Umfragen zufolge bei den Europawahlen im Mai in Großbritannien stärkste oder zweitstärkste Kraft.

Das wiederum setzt den konservativen Premierminister David Cameron unter Druck, der fürchten muss, am rechten Rand die entscheidenden Stimmen zu verlieren. Seit Monaten ist zu beobachten, dass durch den Erfolg der Ukip die Konservativen eine zunehmend härtere Haltung in Immigrationsfragen einnehmen.

Cameron könnte durch die Schweizer Entscheidung zudem in seiner eigenen Partei noch mehr Schwierigkeiten bekommen, als er ohnehin schon hat. Bei den Konservativen setzen sich einflussreiche Gruppierungen ebenfalls für eine strenge Quotierung der Einwanderung aus der EU ein. Die Aufhebung von Einreisebeschränkungen für Rumänen und Bulgaren Anfang dieses Jahres hatte zu einer scharf geführten Diskussion bei den Tories geführt.

Cameron ist einer Quotierung keinesfalls abgeneigt, er will jedoch zunächst das Terrain in Brüssel sondieren. Über einen Sprecher ließ er Verständnis für die Schweizer Entscheidung ausrichten. Diese zeige eine "wachsende Sorge" in Europa.

Der Premier will die Bedingungen der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens neu verhandeln, bevor er 2017 das Volk darüber entscheiden lassen will, ob das Land weiterhin Teil der Union sein soll. Die britische Politik blickt daher nun gespannt darauf, wie die EU mit der Schweizer Abstimmung umgeht, weil es gut möglich ist, dass man in absehbarer Zeit die Freizügigkeit ebenfalls einschränken will. "Die EU und die Schweiz werden offensichtlich in eine Phase der Diskussion eintreten müssen", sagte Camerons Sprecher.

Ähnlich wie Ukip-Chef Nigel Farage kokettiert auch der niederländische Rechtspopulist Geert de Wilders mit einem Austritt aus der EU. Er nimmt dabei schon länger ausdrücklich Bezug auf die Schweiz. Erst vor wenigen Tagen hatte er eine Studie vorgestellt, die den Niederländern erklären sollte, wie sehr sie von einem Austritt profitieren würden, allein schon durch die Einstellung von Milliardenzahlungen an finanzschwache südeuropäische Länder oder das Ende der Sozialleistungen für EU-Bürger.

Für die Niederlande schwebt ihm - nach einem EU-Austritt - ein ähnliches Geflecht aus bilateralen Abkommen vor, wie es die Schweiz pflegt. Ganz in diesem Sinne fiel daher auch Wilders' Reaktion auf die Nachrichten aus der Schweiz aus. "Was die Schweizer können, das können wir auch", schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter: "Immigration stoppen und raus aus der EU! Quoten für die Migranten. Phantastisch!"

Eine Mauer um Frankreich?

Die Französin Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National, lobte die Eidgenossen ebenfalls als Vorbild - obwohl Tausende ihrer Landsleute in der Schweiz ihr Geld verdienen. "Ich wünschte, wir würden den Schweizern folgen", sagte Le Pen im Interview mit dem Radiosender Europe 1. Sie gab sich sicher, die Franzosen würden noch deutlicher als das kleine Nachbarland "für einen Stopp der Massenimmigration votieren". Tatsächlich ergeben Umfragen, dass vier Fünftel der Bevölkerung in der kriselnden Nation mittlerweile "eine gelenkte Einwanderung" befürworten, also ein irgendwie geartetes Quotensystem, wie es die Schweizer jetzt verlangen.

Dass die EU-Europäer, inklusive der eigenen Regierung in Paris, die Schweiz vor dem Bruch bestehender Verträge warnen, findet die rechte Nationalistin lächerlich. "Ja, die Europäische Union droht", spottete die 45-jährige Politikerin, "will sie jetzt etwa Panzer schicken, um die Schweizer Grenzen zu öffnen?" Lieber solle Frankreich sich darauf konzentrieren, "seine eigene Wirtschaft zu verteidigen, unser Sozialsystem, unsere Identität".

Die Nachfrage des Moderators, ob sie eine Mauer um Frankreich bauen wolle, parierte Le Pen mit einem oft von ihr zitierten Sprachbild: "Es geht nicht darum, eine Mauer zu errichten - es geht um eine Tür", sagte sie, "und die öffnet oder schließt man, je nach seinen Interessen." So funktioniert zwar das gemeinsame Europa längst nicht mehr. Aber das ist Le Pen egal, sie sagte: "Das nennt man Souveränität!"

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SZ vom 11.02.2014/anri
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