Volker Kauder:Ein Tanzbodenkönig wider Willen

Arbeitswütig, effizient, konservativ und um Wahrhaftigkeit bemüht: Bislang wirkte Kauder meist im Stillen, nun wird er CDU-Generalsekretär. Ein Porträt von Susanne Höll

Wenn man Volker Kauder in diesen Tagen fragt, wie es ihm so geht, mischt sich in die Antwort auffällig oft ein Bibelwort. "Alles hat seine Zeit", sagt er dann, ganz ohne Pathos. Und manchmal faltet er dabei die Hände, senkt den kahlen Kopf und blickt auf seine Fingerspitzen. Nicht, weil er besonders fromm wäre.

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Volker Kauder: Arbeitswütig, aber sonst eher ein stiller Typ.

(Foto: Foto: AP)

Sondern weil er durch Händefalten seinen Hang zum Fuchteln zähmt. "Alles hat seine bestimmte Stunde", heißt es in Prediger 3,1 im Alten Testament, ein Wort, das man oft auf Traueranzeigen zitiert findet. Von Krieg und Frieden ist später in dem Bibeltext die Rede, auch vom Sammeln und Verlieren.

Das passt. Schließlich muss Volker Kauder Abschied nehmen. Für ihn endet eine Zeit, die er als "die schönste in meinem politischen Leben" betrachtet: die als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Kauder soll aufsteigen zum Generalsekretär der CDU.

Knochenjob Parlamentarischer Geschäftsführer

Unter einem CDU-Generalsekretär kann sich der Normalmensch etwas vorstellen. Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler waren CDU-Generalsekretäre, auch Laurenz Meyer natürlich, der Frohgeist mit den Nebeneinnahmen. Aber was ist ein Erster Parlamentarischer Geschäftsführer?

Er macht einen Knochenjob, zumeist fern der Kameras. Er (oder sie) ist im Idealfall eine Mischung aus Super-Nanny, Teppichhändler und Dompteur. Der PGF, wie er im Parlamentsslang genannt wird, muss dafür sorgen, dass in der Fraktion alles läuft wie am Schnürchen, muss im Vermittlungsausschuss mal feilschen und mal drohen, die politische Konkurrenz beißen, dann wieder umgarnen, muss strafen und streicheln, wie ein Kindermädchen darauf achten, dass alle Abgeordneten zur rechten Zeit am rechten Ort sind, muss jede Akte kennen, das Vertrauen des Chefs oder der Chefin genießen und mit den selbstbewussten Ministerpräsidenten zurechtkommen.

Die Arbeit ist undankbar: Wenn alles funktioniert, glänzen der Chef oder die Abgeordneten. Andernfalls ist der PGF schuld.

Nichts Schlechtes zu sagen...

Man muss schon ein besonderer Mensch sein, um diesen Job zu mögen. Und eben das ist Kauder, wenn auch ein für seine Umwelt durchaus anstrengender Mensch, jedenfalls im Politikbetrieb der Hauptstadt. Weil er das Rampenlicht eigentlich scheut. Weil er für einen Politiker auffallend wahrhaftig ist. Und weil niemand in Berlin etwas Schlechtes zu sagen hat über den Mann, der seit zwei Jahren einer der wenigen engen Vertrauten Angela Merkels ist.

Die SPD hat nichts an ihm auszusetzen und die eigenen Leute auch nicht. Letzteres ist erstaunlich, fast schon sonderbar. Bekanntlich reden viele Christdemokraten und -soziale gern und schlecht übereinander.

Das Schlechteste, was man über Kauder hören kann, ist Kritik an seiner Arbeitswut. "Der schafft alles allein weg", sagt jemand, der den Juristen mit dem weichen badischen Zungenschlag seit Jahren kennt. Kauder ist ein Arbeitstier. Effizient, organisiert, konservativ, wenn auch nicht erzkonservativ, hart gegen sich selbst und andere, wenn auch keiner, der mutwillig verletzt.

Ferien im Wahlkreis

Ferien macht er eigentlich nie. Sein Traumurlaub ist eine Reise durch seinen Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen. "Er geht vollkommen in seinem Beruf auf. Bei ihm im Leben kommt die Politik an erster Stelle, dann kommt lange gar nichts, dann Politik und wieder Politik. Und dann, als Nische sozusagen, die Kunst."

Siegfried musste mit dem Filzstift Plakate malen und wurde in den Einsatz geschickt, wenn eine scharfe Zunge gefragt war. Volker organisierte. Kein Mann der langen, blumigen Rede. Lieber kurz und knapp, zackzack, bloß kein Gedöns.

Brüderlich verbunden

Folgender Dialog entspann sich zwischen den Brüdern, als sie sich nach dem Getöse um den Meyer-Abgang und um Kauders Berufung vor Weihnachten zufällig am Berliner Flughafen Tegel trafen. Volker: "Wo sitschst?" Siegfried: "4C". Volker: "2A. Du sitschst nach vorn zu mir." Siegfried: "Und was isch jetzt besser, PGF oder Generalsekretär?" Volker: "So kann man die Frage nicht stellen. Wenn man von der Partei gefragt wird, macht man das auch." Mehr nicht.

Siegfried Kauder sagt, das sei schon immer so gewesen. Als Volker nach dem Abitur in Singen 1969 zur Bundeswehr ging, in Zeiten, als man noch nicht so oft telefonierte, bekam der Jüngere alle zwei Tage Post vom Bruder, Anweisungen, wer wo jetzt was zu erklären habe.

So sind sie, die beiden Söhne bürgerlicher Eltern, die nach dem Krieg als vertriebene Jugoslawien-Deutsche über Bayern nach Baden kamen und in Singen landeten, wo der Vater Lehrer, später Rektor war. Beide zog es schon in Jugendzeiten in die Politik, erst in die Junge Union, dann in die CDU, der auch der Vater angehörte.

Beide bewegte die Deutschland-Politik, sie gründeten ein Jugendkuratorium Unteilbares Deutschland. Beide absolvierten ihr Jura-Studium in Rekordzeit, dann trennten sich die Lebenswege für einige Zeit.

Siegfried wurde Anwalt und Strafverteidiger, Volker erst Beamter in der Innenverwaltung, dann stellvertretender Landrat in Tuttlingen, 1990 Bundestagsabgeordneter, 1991 Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg. Und nun, an diesem Montag, wird er Generalsekretär der Bundes-CDU.

So beschreibt Siegfried Kauder, gleichfalls CDU-Bundestagsabgeordneter, seinen um ein Jahr älteren Bruder Volker, dem er zum Verwechseln ähnlich sähe, wäre er nicht größer und schlanker. Siegfried Kauder weiß, wovon er spricht. Schließlich sind die beiden seit Jugendtagen ein Polit-Team, eingespielt.

"Keine Tanzbodenkönige"

Vor Weihnachten hatte es Tage gegeben, an denen Kauder gehofft hatte, die Partei, in Person Merkels, würde ihn nicht fragen. Er wollte nicht ins grelle Licht der Scheinwerfer. "Wir sind keine Tanzbodenkönige", sagte Siegfried einmal.

Dass Laurenz Meyer nicht schon am Montag vor Heiligabend zurücktrat, sondern erst zwei Tage später, lag auch an Volker Kauder. Der wollte in der Fraktion bleiben, auf dem Posten, in dem er sich nach ein paar Anfangsschwierigkeiten so gut gemacht hatte, dass er inzwischen als nahezu perfekter Manager der Macht gilt.

Manager der Macht

In seinem politischen Lebenstraum kam das Konrad-Adenauer-Haus nicht vor. Der sah anders aus: Noch zwei Jahre PGF, dann die Wahl 2006 gewinnen und Kanzleramtsminister unter Regierungschefin Merkel werden, Manager der Macht, PGF auf oberstem Niveau.

Doch Merkel wollte ihn als General, auch mangels Alternativen. Beide verbindet eine eher ungewöhnliche Beziehung. Auch das dürfte an einer Besonderheit Kauders liegen: Er mag nicht lügen, ist, soweit er kann und darf, wahrhaftig. Statt zu flunkern, filibustert er lieber, weicht eher aus, als die Unwahrheit zu sagen.

Man kann das beobachten, im Kreis der Journalisten, denen er in Parlamentswochen jeden Dienstag die schwarze Sicht der Dinge nahe bringt. Wenn unangenehme Fragen kommen, wenn man etwas wissen will über Zank, Hader oder Pannen in der Union, rutscht Kauder im orangefarbenen Sessel von einer Pobacke auf die andere. Und seine Füße wippen unter dem Tisch noch schneller hin und her als sonst, sodass man die kleinen Beulen nicht mehr sieht, die seine dauerbewegten Zehen in das Schuhleder gedrückt haben.

"Gradlinig und vertrauenswürdig"

Kauder wechselt das Thema, schimpft über den Kanzler und Rot-Grün. "Er hat nie getrickst, weder im Bundestag noch im Vermittlungsausschuss", sagt Kauders Gegenspieler aus der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt. Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz schätzt ihn als "gradlinig und vertrauenswürdig".

Und so hat ihn auch Merkel kennen gelernt, in schweren Zeiten. 2001, als unter den Unionsgranden die Überzeugung wuchs, dass nicht die Ostdeutsche, sondern der Bayer Edmund Stoiber der bessere Kanzlerkandidat wäre, gehörte Kauder zu den Wenigen und Ersten, die der CDU-Chefin diese Wahrheit ins Gesicht sagten.

Davon jedenfalls zeugt die Geschichte, die man sich noch heute in der CDU erzählt. Als CDU-Ministerpräsidenten im Herbst 2001 beratschlagten, wie man Merkel die Sache mit Stoiber beibringen könnte, wollte es alleine keiner tun. Man kam auf die Idee, eine Art Gruppenreise zu veranstalten, und fragte auch Kauder, ob er mitkomme. Seine Antwort: "Ich war schon da."

Erst die Partei, dann die Person

Im Jahr darauf machte Merkel ihn zum PGF, ein Risiko, wie manche meinten. Aber die Rechnung ging auf. Kauders gilt als strukturloyal. Seine Treue gehört erst der Partei, dann der Person. Mit Merkel kommt er gut zurecht. Er kennt sich aus mit selbstbewussten Frauen, schließlich ist er mit einer verheiratet.

Mit der Ärztin Elisabeth Kauder, die ein ähnliches Arbeitsethos hat wie ihr Mann. Die Herzspezialistin verbringt ihren Jahresurlaub oft im karitativen Arbeitseinsatz, in Indien oder anderswo.

Für Merkel soll Kauder den Wahlsieg organisieren, so wie er für seinen Freund Erwin Teufel in Baden-Württemberg die Siege organisiert hat.

Ihm reicht weniger Geld

Wird er ein guter General? Nun ja, zumindest ein anderer, als es Meyer war, diskreter sicher, kein Mann für die Klatschspalten, kein "Tanzbodenkönig" eben. Aber es gibt auch Zweifel in den C-Parteien. Nicht, weil man fürchtet, er könnte über Nebeneinkünfte oder dubiose Parteispenden stürzen.

Kauder hat versichert, dass bei ihm alles in Ordnung sei, auch mit seinem Engagement für den in seinem Wahlkreis ansässigen Rüstungsproduzenten Heckler & Koch. Und er beteuert auch öffentlich, dass an der umstrittenen Mitgliederwerbung des parteinahen Stuttgarter SDV-Verlages für die Südwest-CDU nichts skandalträchtig sei.

Aus seinen Einkünften als Generalsekretär will Kauder kein Geheimnis machen. Zumal er die stattlichen 13.000 Euro, die Meyer bezogen haben soll, nicht voll in Anspruch nehmen will. Etwas weniger, so sagte er, reiche auch.

Nur bis 2006

Die da zweifeln, zweifeln aus anderen Gründen. Fragen sich, ob Kauder bei der Programmarbeit genauso gut sei wie im Organisieren, ob er politische Visionen entwickeln könne.

Und Liebhaber kräftiger Worte empfinden den aufgeklärten Wertkonservativen als zu sachlich, zu wenig grobschlächtig für die oft nicht sehr anspruchsvolle öffentliche Auseinandersetzung, der sich ein Partei-General zu stellen hat. Er will es nicht länger machen als nötig, also nur bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2006.

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