Süddeutsche Zeitung

Volker Hauff im Gespräch:"Merkel blinkt links und biegt nach rechts ab"

Der SPD-Politiker Volker Hauff hat als einer von 17 Experten die Bundesregierung beim Atomausstieg beraten - und sieht nun die Arbeit der Ethikkommission verraten. Hauff sagt: "Die Bundesregierung hat kein Recht mehr, sich auf die Arbeit der Ethikkommission zu berufen."

Michael Bauchmüller

SZ: Herr Hauff, als Mitglied der Ethikkommission haben Sie für einen Atomausstieg binnen zehn Jahren plädiert, jetzt kommt er in elf. Einverstanden?

Volker Hauff: Nicht im Entferntesten! Das entspricht keineswegs dem, was wir vorgeschlagen haben. Man muss nur das Kleingedruckte lesen.

SZ: Und was steht da?

Hauff: Zum Beispiel haben wir einen schrittweisen Ausstieg vorgeschlagen, und zwar bis spätestens 2021. Die Betonung liegt auf spätestens. Jetzt sehen wir, dass die Kernkraftwerke wahrscheinlich alle erst zwischen 2021 und 2022 abgeschaltet werden, weil die Betreiber die Laufzeit mit Strommengen von anderen AKW verlängern können.

SZ: Die Kanzlerin spricht aber auch vom schnellstmöglichen Ausstieg.

Hauff: Nein, das ist nicht der schnellstmögliche, das ist der gemütlichste Ausstieg. So legen wir acht Reaktoren sofort still und die anderen neun erst in zehn bis elf Jahren. Das ist sachlich fragwürdig, politisch nicht konsensfähig und ökonomisch ein Geschenk an die Betreiber. Die Kanzlerin blinkt links und biegt nach rechts ab. Das hatten wir uns anders vorgestellt. Übrigens auch viel transparenter.

SZ: Transparenter?

Hauff: Ja, wir hatten vorgeschlagen, das ganze Verfahren in die Hände eines Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende zu legen. So wäre immer nachvollziehbar gewesen, wann welche Atomkraftwerke verzichtbar sind. Darüber hätte man öffentlich diskutieren können. All das ist jetzt nicht mehr vorgesehen.

SZ: Waren dann die ganzen Mühen der Ethikkommission vergebens?

Hauff: Das kann man so nicht sagen. Das waren sehr fruchtbare, intensive Debatten. Auf das Ergebnis der Kommission bin ich nach wie vor stolz. Aber die Bundesregierung hat kein Recht mehr, sich auf die Arbeit der Ethikkommission zu berufen. Was wir vorgeschlagen haben, war in der Sache und im Verfahren etwas anderes.

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