Süddeutsche Zeitung

Volker Beck zum Abschied von CSU-Hardliner Norbert Geis:"Als Gegner wird er mir fehlen"

Er gehört zu den Ultras der Politik, am rechten Rand der CSU ist er zu Hause. Nach der Wahl 2013 scheidet Norbert Geis aus dem Bundestag aus. Mit einem seiner Lieblingsfeinde, dem grünen Fraktionsgeschäftsführer, tingelt Geis seit mehr als 20 Jahren durch die Talkshows. Der lässt ihn jetzt nicht so einfach davonkommen.

Volker Beck

Sie könnten ungleicher nicht sein, doch ausgewichen sind sie sich nie. Wo immer sie aufeinandertreffen, da knallt und raucht es auf den Podien und in den Fernsehstudios. Hier der grüne Volker Beck, bekennend schwul und Kämpfer für die Homo-Ehe. Dort Norbert Geis, der Ultrarechte der CSU, Verfechter der Ehe von Mann und Frau, dem Homosexualität mehr als suspekt ist. Geis, Jahrgang 1939, wollte noch einmal in den Bundestag. In seinem Wahlkreis aber unterlag er einer jungen Anwältin.

Sein Weggefährte Volker Beck zieht zum Abschied Bilanz.

Wir standen uns erstmals Anfang der 90er Jahre gegenüber. Damals gab es im Privatfernsehen noch Politiktalkshows und zumindest den Versuch, ein Fernsehprogramm mit Informationsgehalt zu liefern. Vor laufenden Kameras schwor mir damals Norbert Geis, es werde keine "Homoehe" geben, solange er lebe. Ich versprach ihm Gegenteiliges und konnte zumindest in den folgenden Jahrzehnten Etappenziele mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft erreichen. 2013 scheidet Norbert Geis aus dem Bundestag aus. Als Politiker lebte er konsequent am Zeitgeist vorbei oder ihm diametral entgegen. Für ihn war Homosexualität eine "Perversion" und Kondome in der AIDS-Prävention ein Irrweg.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die CSU-Basis ausgerechnet eine Scheidungsanwältin anstelle von Geis wählte, nachdem dieser den Bundespräsidenten öffentlich wegen dessen privaten Lebensverhältnissen kritisierte. Und wie es sich für einen unverbesserlichen Rechten gehört, kann der Islam für ihn in keinem Fall auf Augenhöhe mit Christentum und Judentum in unserem Land stehen.

Rechte Gesinnung christlich dekoriert

Norbert Geis hat einfach immer recht, weiß es immer besser, eifert und stößt viele Menschen vor den Kopf. Er genießt die öffentliche Empörung über seine Provokationen, um geschickt den Spieß umzudrehen, und sich anschließend als Opfer einer modernistischen Verschwörung oder obskurer Lobbys zu gerieren. Er verlor aber dabei mit seinen Ansichten kontinuierlich Terrain. Doch Norbert Geis war und ist kein Konservativer. Das wäre ein Missverständnis: Er wollte im zu Bewahrenden nie das Bewahrenswerte ausmachen und damit zur Diskussion stellen.

Er war nicht nur Katholik. Mit ihm tritt ein Ultramontanist ab: politische Forderungen aus Rom sind für ihn unbedingter Befehl. Vor Allianzen mit Akteuren vom rechten Rand schreckte er nicht zurück, wenngleich er seine rechte Gesinnung gerne christlich dekorierte. Er schrieb für die Junge Freiheit, die eine Brückenfunktion zwischen Rechtsextremisten und Konservativen einnimmt. Martin Hohmann verteidigte er trotz dessen antisemitischer Ausfälle.

Wir waren uns eigentlich in nichts einig

Trotzdem war er für mich politisch immer hilfreich. Fast 20 Jahre gingen wir als Gegner durch alle Talkshows dieser Republik zu Themen wie Innere Sicherheit, Integration, Religion, Geschichte, Homosexualität und Familienrecht. Seine schrulligen, schrillen und oft menschenverachtenden Thesen ließen seine Gegner dabei meist als Inkarnation des gesunden Menschenverstandes erscheinen.

Insofern verdanke ich ihm objektiv viel. Als Gegner wird er mir fehlen. Wir waren uns eigentlich in nichts einig, außer dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel ist - aber selbst da bin ich mir nicht ganz sicher. Ihm musste man das Vorurteil hinter seiner Meinung nicht umständlich entlocken: Er redete Klartext.

Da sind seine NachfolgerInnen im Geiste schon schwieriger. Es wäre schön, wenn sein Abgang ein Signal dafür wäre, dass seine Positionen in der Union nicht mehr vertreten werden. Dem ist aber leider nicht so. Ob Integration, Lebenspartnerschaft oder Freiheitsrechte. Beim Nachfolge-Casting für den Titel Geis 2.0 stehen leider schon einige am Start.

Ich bin mir auch sicher, dass er es nicht lassen können wird, sich weiter zu Wort zu melden. Aus rechten Postillen, fundamentalistisch katholischen Organisationen und ähnlichen Zirkeln wird der wütende ältere Herr aus Aschaffenburg uns weiter geißeln. Ich wünsche ihm dabei gute Gesundheit und etwas Altersmilde. Nicht zuletzt wünsche ich Norbert Geis aber auch, dass er - wenn auch spät - einsieht, was er mit dem, was er sagte und tat, zuweilen anrichten wollte oder auch wirklich angerichtet hat.

Wir haben Norbert Geis angeboten, seinerseits Volker Beck zu würdigen. Seine Antwort: "Die Entgleisungen des Herrn Beck sind Antwort genug."

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