Völkermord in Darfur:Vor den Augen der Welt

Seit fünf Jahren tobt ein mörderischer Krieg im Sudan. Die UN und andere Helfer sind ohnmächtig - und eine Besserung ist nicht in Sicht.

Pia Röder

Der Sudan ist ein unwirtliches Land. Den Menschen fehlt es am Nötigsten - Wasser und Nahrungsmittel sind knapp. Die Provinz Darfur im Westen leidet besonders, denn zu den harten klimatischen Bedingungen kommt eine menschgemachte Katastrophe: Ein jahrelanger Konflikt, der solch verheerende und grausame Ausmaße angenommen hat, dass der amerikanische Präsident George W. Bush vom "ersten Genozid des 21. Jahrhunderts" sprach.

Völkermord in Darfur: Demonstranten unterstützen die Anklage gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir bei einer Kundgebung vor dem UN-Hauptquartier in New York im Juli 2008.

Demonstranten unterstützen die Anklage gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir bei einer Kundgebung vor dem UN-Hauptquartier in New York im Juli 2008.

(Foto: Foto: afp)

Seit 2003 führt Sudans Staatschef Omar al-Bashir mit Hilfe von verbündeten Milizen in Darfur einen Vertreibungskrieg. Die Gegner sind nichtarabische Ethnien, Angehörige schwarzafrikanischer Stämme.

Der Bürgerkrieg im Nordosten Afrikas sorgt für Zahlen einer traurigen Superlative: Nach Angaben der Vereinten Nationen sind bei den immer wieder aufflammenden Kämpfen in Darfur bisher etwa 300.000 Menschen umgekommen; 2,5 Millionen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Vier Millionen Menschen sind derzeit insgesamt von der Krise betroffen.

Die UN haben längst eine eigene Truppe gebildet, die Unamid - die United Nations - African Union Mission in Darfur. Deren Mandat wurde am 31. Juli um ein weiteres Jahr verlängert - und die Anzahl der Blauhelme kräftig nach oben geschraubt. Statt der bisherigen 9000 Mann sollen künftig 26.000 UN-Soldaten in der verheerten Provinz Dienst tun - ein Schritt der überfällig war. Auf die Hilfe der Unamid konnten die Flüchtlinge bislang nicht bauen.

Denn was einst als größte militärische Aktion der Weltgemeinschaft angekündigt wurde, war längst zur peinlichen Farce geworden. Seit Jahren betteln die UN um 18 dringend benötigte Hubschrauber. Es fehlten Flugzeuge und Ausrüstung am Boden, bestätigte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in einem Gespräch mit dem deutschen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU).

"Unamid kann nichts tun, außer beobachten"

Besonders drastisch schilderten britische Zeitungen den Zustand der bislang unterversorgten Friedensstifter. Viele hätten noch nicht einmal blaue Helme, sondern müssten sich blaue Plastiktüten über die Kopfbedeckung ziehen, um ihre Zugehörigkeit zur Friedenstruppe zu demonstrieren.

Der Frust in der Friedenstruppe sitzt tief: "Wir haben nicht genügend Personal, um all die Camps in Darfur zu bewachen", sagt Oberstleutnant Ahmed al-Masri dem Independent. "Unamid kann nichts tun, außer beobachten", stellte der Militär nüchtern fest.

Die Entwicklung der letzten Wochen macht Hoffnung, dass die Weltgemeinschaft nach Jahren des bloßen Zuschauens das mörderische Treiben in Darfur stoppt: auch, indem sie den politisch Verantwortlich ins Visier nimmt.

So beantragte unlängst der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), Luís Moreno-Ocampo, einen Haftbefehl gegen Präsident al-Baschir. Sudans mächtigem Mann wird unverblümt Völkermord vorgeworfen. In seinem jüngsten Bericht an den UN-Sicherheitsrat hatte Moreno-Ocampo die sudanesische Region Darfur als "einen einzigen Ort des Verbrechens" bezeichnet.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, mit welcher Begründung Mitarbeitern der Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Einreise in den Sudan verweigert wird.

Vor den Augen der Welt

Eine Untersuchungskommission, die durch UN-Generalsekretär Ban eingesetzt wurde, berichtet von Massakern, Massenvergewaltigungen, Vertreibungen sowie Verhinderung der Rückkehr der Flüchtlinge durch Abbrennen und Zerstörung der Dörfer. Die sudanesische Regierung behinderte zudem über viele Monate hinweg humanitäre Hilfslieferungen nach Darfur massiv oder machte diese ganz unmöglich.

Völkermord in Darfur: Flüchtlinge aus Darfur, die Schutz in Camps im Osten des Tschad suchen, müssen mühsam das Wasser zu den Hütten transportieren.

Flüchtlinge aus Darfur, die Schutz in Camps im Osten des Tschad suchen, müssen mühsam das Wasser zu den Hütten transportieren.

(Foto: Foto: Reuters)

Dementsprechend sind die Zustände vor Ort. Die Welthungerhilfe schätzt die Lage in Darfur als sehr kritisch ein. Derzeit versuchen etwa 100 Mitarbeiter, die Bevölkerung im Krisengebiet mit Nahrungsmitteln zu versorgen. "Wir sind sehr frustriert", sagt Johan van der Kamp im Gespräch mit sueddeutsche.de. Der Welthungerhilfe-Mitarbeiter koordiniert die Arbeit der Hilfsorganisation in Sudans Hauptstadt Khartum. "Wir sitzen auf genügend Nahrungsmitteln, können aber nicht anliefern."

Für die Anlieferungen müssen in dem gefährlichen Gebiet Eskorten gewährleistet sein, die den Konvoi bewachen. Aber es gäbe schlicht zu wenig Personal. Nur rund die Hälfte der Nahrungsmittel sei im Juli verteilt worden. Im August werden es nur 67 Prozent sein. "Das Verhältnis zu der lokalen Behörde ist angespannt", so van der Kamp. Jeder Schritt müsse abgestimmt und jedes einzelne Fahrzeug genehmigt werden.

Amnesty International wird Einreise verweigert

Andere Organisationen haben es noch schwerer als die Welthungerhilfe - sie kommen nicht einmal ins Land. Mitarbeitern von Amnesty International etwa wird seit Jahren die Einreise in das Land verweigert. Die Regierung im Sudan halte die Organisation für unglaubwürdig und stelle deshalb kein offizielles Visum aus, sagt Amnesty-Mitarbeiter Alfred Buss zu sueddeutsche.de.

Der Grund liegt auf der Hand: Die Menschenrechtsorganisation fordert das "Ende der Straflosigkeit", wie Buss es nennt. Mit anderen Worten: Sudanesische Politiker wie der Minister für humanitäre Angelegenheiten, Ali Kushayb, und der Rebellenführer Ahmad Harun, sollen zur Rechenschaft gezogen werden. Bereits vor über einem Jahr seien die mutmaßlichen Verbrecher vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt worden. Passiert ist bislang noch nichts.

Auch wenn die Aufstockung der Blauhelm-Truppe weitergeht, ist eine signifikante Verbesserung eher unwahrscheinlich.

Denn Staatschef al-Bashir übt, trotz der Anklage gegen ihn, weiter die Kontrolle über das Land aus - und verfährt so wie bisher. "Der Plan der Regierung war es, so viele Menschen wie möglich aus dem Gebiet Darfur herauszuscheuchen. Die, die diese Situation wollten, haben gesiegt", resümiert Johan van der Kamp von der Welthungerhilfe. "2,5 Millionen Menschen sitzen in Camps und haben keine Zukunft."

Die Welt wird dabei zusehen wie bisher.

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