Völkermord:Der absurde Herr Steinmeier

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Der deutsche Außenminister hätte es gerne verhindert, dass man den Völkermord an den Armeniern "Völkermord" nennt. Schlimm genug. Doch seine "Holocaust"-Äußerung ist geradezu dreist.

Kommentar von Robert Roßmann

Frank-Walter Steinmeier ist schon von Haus aus kein Mann der klaren Sätze. Der Sozialdemokrat mäandert gern. Seine Worte fließen, aber man weiß oft nicht, wohin. Besonders schlimm wird es, wenn Steinmeier als Außenminister spricht. Diplomaten müssen geschmeidig sein, Ausgleich gehört zu ihrer Berufsbeschreibung. Aber bei Steinmeier wird daraus schon mal Konturlosigkeit. Das zeigt sich zurzeit auf erschreckende Weise in der Armenien-Debatte.

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Vor 100 Jahren wurden im Osmanischen Reich mehr als eine Million Armenier vertrieben und getötet. Das Europa-Parlament, der Papst und viele andere haben die schrecklichen Taten trotz aller Drohungen der Türkei als Völkermord verurteilt. In der vergangenen Woche haben das endlich auch der Bundespräsident, der Bundestagspräsident und alle Fraktionen getan. Das war überfällig - auch wegen der deutschen Mitschuld an den Gräueltaten.

Der Minister tritt nach

Es ist schlimm genug, dass Steinmeier die Einlassungen des Bundestags verhindern wollte. Nach Ansicht des Außenministers gefährdet es die Aussöhnung zwischen Armenien und der Türkei, wenn man den Völkermord auch "Völkermord" nennt. Er habe im Gegensatz zu anderen darauf zu achten, dass die Aufarbeitung zwischen Eriwan und Ankara "nicht verunmöglicht wird", sagt Steinmeier typisch verquast - und seine eigene Rolle überschätzend. Mit dieser Position hat sich der Außenminister zum Glück nicht durchsetzen können.

Doch statt seine Niederlage anzuerkennen, tritt er jetzt nach. Steinmeier sagt auf die Frage, warum er sich gegen den Begriff "Völkermord" gewehrt habe, einen Satz, der so ungehörig ist, dass man ihn in ganzer Länge zitieren muss: "Wir müssen in Deutschland aufpassen, dass wir am Ende nicht denen recht geben, die ihre eigene politische Agenda verfolgen und sagen: Der Holocaust hat eigentlich vor 1933 begonnen." Übersetzt heißt das nicht weniger, als dass der Papst, Joachim Gauck und Norbert Lammert den Verharmlosern des Holocaust in die Hände spielen.

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Dieser Vorwurf ist für sich genommen schon dreist. Er ignoriert aber auch, was Gauck und der Bundestag ausdrücklich erklärt haben. Der Präsident und das Parlament haben ja nicht nur den Völkermord an den Armeniern beklagt, sondern im selben Atemzug auf "die Einzigartigkeit des Holocaust" hingewiesen.

Auch ein Blick in die Geschichte zeigt, wie absurd Steinmeiers Einlassung ist. Als Adolf Hitler 1939 wenige Tage vor dem Überfall auf Polen erklärte, er habe den Totenkopf-Verbänden den Befehl erteilt, unbarmherzig gegen "Mann, Weib und Kind" vorzugehen, berief er sich auch auf das Schicksal der Armenier. "Wer redet denn heute noch von der Vernichtung der Armenier?", fragte Hitler triumphierend - auch um seinen Generälen die Sorge vor Konsequenzen eigener Untaten zu nehmen.

Wer an den Holocaust denkt, muss deshalb auch über den "Völkermord" an den Armeniern reden. Es wäre schön, wenn das irgendwann auch Steinmeier einsieht.

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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