Völkermord an Kurden:Zweite Anklage gegen Saddam

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Der irakische Ex-Diktator muss sich wegen einer Militärkampagne gegen Kurden im Nordirak verantworten, die bis zu 100.000 Opfer forderte. Zum Auftakt lieferte sich Saddam ein kleines Wortgefecht mit dem Richter.

Neben dem ehemaligen irakischen Machthaber sind auch sechs seiner Mitarbeiter wegen Völkermord und Kriegsverbrechen angeklagt. Die Staatsanwaltschaft will die Todesstrafe für beantragen.

Zum Auftakt des Prozesses in Bagdad bekräftigte Saddam Hussein seine Ablehnung des Gerichts. "Dies ist Besatzungsrecht", erklärte er. Den Richtern stellte er sich als "Präsident der Republik und Oberkommandierender der Streitkräfte" vor.

Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Abdullah al Amiri, ob er sich unschuldig oder schuldig bekenne, sagte Saddam Hussein: "Das würde Bände beanspruchen."

Die Staatsanwaltschaft warf dem Exmachthaber vor, den Befehl zur "Operation Anfal" gegeben zu haben. "Das Ziel war klar - die Menschen in Kurdistan durch Tötungen, erzwungene Migration, Verfolgung und Entzug der persönlichen Freiheiten ins Visier zu nehmen", erklärte der Staatsanwalt.

Verschleppte Männer, misshandelte Frauen

In Saddams Auftrag seien jüngeren kurdischen Männer aus den Dörfern im Nordosten des Landes verschleppt, erschossen und in Massengräbern verscharrt worden. Frauen, alte Männer und Kinder seien ohne Anklage ins Gefängnis gesteckt und misshandelt worden. Saddam erklärte dazu nur: "In der Zeit als ich Präsident war, ist bei Anfal keine irakische Frau vergewaltigt worden."

Kurdischen Überlebenden zufolge wurden bei der Militäraktion 1987 und 1988 viele Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, zahllose junge Männer verschwanden spurlos. Ziel der Aktion war, alle Kurden aus der nördlichen Region entlang der Grenze zum Iran zu vertreiben. Saddam Hussein warf den Kurden damals vor, den Iran im Kampf gegen den Irak zu unterstützen.

Die genaue Zahl der Opfer der "Operation Anfal" ist nach Angaben der irakischen Regierung und von Menschenrechtsorganisationen schwer zu bestimmen. Schätzungen reichen von 50.000 bis mehr als 100.000 Toten.

Saddam Hussein und sieben Mitangeklagte mussten sich bereits wegen eines Massakers in der Stadt Dudschail nördlich von Bagdad vor Gericht verantworteten, wo 1982 fast 150 Schiiten getötet wurden. In diesem Prozess wird für den 16. Oktober das Urteil erwartet.

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