Vizekanzler im Bundestag:Gabriel spielt das Merkel-Echo

Bundestag

"Sie kriegen immer den Gabriel, der vor Ihnen steht": Vizekanzler Sigmar Gabriel bei seiner Rede im Bundestag

(Foto: dpa)

Spricht da der heimliche Kanzler? SPD-Chef Sigmar Gabriel wirbt im Bundestag für seine Energiewende. Die Grünen umschmeichelt er, ebenso CSU-Verkehrsminister Dobrindt. Aus seiner Partei muss er sich jedoch anhören, er betreibe Planwirtschaft.

Von Kathrin Haimerl

Wer ist Sigmar Gabriel und wenn ja, wie viele? Das fragt sich der Linken-Abgeordnete Jan van Aken. Der Oppositionspolitiker greift den Vizekanzler und Wirtschafts- und Energieminister im Bundestag beim Thema Rüstungsexporte an: Ihm sei bei einer Anfrage genau die Transparenz verweigert worden, die Gabriel in einem Interview angekündigt habe. Van Aken: "Wer ist denn jetzt der echte Herr Gabriel? Der, der mehr Transparenz einfordert, oder der, der mir diese verweigert?"

Der Linken-Politiker ist nicht allein mit seiner Frage. "Regiert uns in Wahrheit dieser Mann?", überschrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung jüngst ein Porträt des SPD-Chefs. Der antwortet an diesem Donnerstag im Bundestag so: "Sie kriegen immer den Gabriel, der vor Ihnen steht."

Zudem hält er eine Rede, die ihn vom Verdacht freispricht, der heimliche Bundeskanzler zu sein. Sie steht im Einklang mit dem, was Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Vortag gesagt hat. Genau wie die Kanzlerin spricht Gabriel von "großen Herausforderungen", genau wie die Kanzlerin preist er die soziale Marktwirtschaft - und zwar als "Erfolgsmodell für unser Land und unser Europa", genau wie bei der Kanzlerin plätschert das Gesagte so dahin.

Der Schwerpunkt seiner Rede liegt - wenig überraschend - auf der Energiewende, das Vorhaben, das der Economist kürzlich als "die ambitionierteste und riskanteste innenpolitische Reform" bezeichnet hat. Auch Gabriel stellt diese Bedeutung heraus:

"Es ist eine Belastung, die kein anderes Land in Europa zu tragen bereit wäre. (...) Wir müssen zeigen, dass eine erfolgreiche Industriegesellschaft mit der Energiewende vereinbar ist. Sonst wird niemand beim Klimaschutz mitmachen!"

In seiner Rede wirbt Gabriel für eine Kostenbremse im Energiesektor. Die Kostendynamik beim Strom müsse "drastisch durchbrochen" werden. Als "zentrale Aufgabe" nennt er die "Sicherung der Versorgung". Nach wie vor habe die Energiewende das Potenzial zu einem großen wirtschaftlichen Erfolg, sagt Gabriel. Die erneuerbaren Energien seien ein Jobmotor: In dem Sektor seien zehn Mal so viele Arbeitsplätze entstanden wie in der Kernenergie.

Als sich in den Reihen der Grünen Unruhe breitmacht, geht Gabriel auf Kuschelkurs: "Machen Sie's mir nicht zu schwer, ich wollte doch was Freundliches über die Grünen sagen", sagt er. Und tut es dann auch: Die Grünen hätten sich bei der Energiewende große Verdienste erworben.

"Ich danke ausdrücklich den Grünen aus Bund und Ländern für ihre Kritik und ihre Anregungen, manches geht ihnen zu weit, manches nicht weit genug, aber ich empfinde die Kritik als konstruktiv."

Bei vielen Dingen sei man auf einer Linie, sagt Gabriel. Zum Beispiel in der Förderung von Offshore-Wind sei er in seinem Eckpunkte-Papier von der Position der Grünen nicht so weit entfernt. Das Lob dürfte auch ein taktisches sein: Gabriel ist auf die Unterstützung der Grünen im Bundesrat angewiesen. Mit einem Einspruch könnten die Länder die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) monatelang im Vermittlungsausschuss schmoren lassen.

Der Minister steht unter Zeitdruck: Noch vor der Sommerpause will er das neue EEG in Kraft haben, "sonst wird es schwierig". Kritik an den Plänen deutet Gabriel in Bestätigung um: "Ein Erfolg der Energiewende lässt sich auch daran messen, dass in allen Teilen der Gesellschaft Leute aufstehen und sagen: Daran dürft ihr nichts ändern."

In seinem Eckpunktepapier plant der Wirtschaftsminister eine radikale Kürzung der Förderung erneuerbarer Energien. Unter anderem soll die Förderung automatisch zurückgeschraubt werden, sobald die Windkraftanlagen eine Gesamtleistung von 2500 Megawatt überschreiten. Dagegen gibt es Widerstand - auch aus SPD-regierten Ländern. "Am Ende des Tages", sagt Gabriel, dürfe "nicht die Summe der Einzelinteressen stehen".

Das dürfte noch spannend werden, wenn sich Gabriel an diesem Nachmittag zu Gesprächen mit den Umweltministern der Länder trifft. Der SPD-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Thorsten Albig, kündigt schon mal Stress an, es fällt das Wort "Sozialismus": Im Deutschlandfunk erteilt er den Plänen zur Ausbaubegrenzung für Windstrom eine klare Absage. Dass derartige staatliche Vorgaben nicht funktionieren, "haben wir schon im Sozialismus erlebt".

Auch die Kritik der Grünen an Gabriel fällt weiter harsch aus: Von einem Konsens sei man weit entfernt, sagt der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Oliver Krischer bei der Debatte im Bundestag. "Dazu wird sich an Ihren Vorschlägen einiges ändern müssen", ruft er - und wirft Gabriel vor: "Sie machen aus der Energiewende eine Braunkohlewende."

Worüber Gabriel nicht spricht

Lob für die Grünen einerseits - andererseits betont Gabriel in seiner Rede auch Geschlossenheit mit CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt: "Die digitale Agenda ist eine hohe Priorität der Bundesregierung. Ich bin froh, dass der Kollege Dobrindt die digitale Infrastruktur voranbringen wird. Wir sollten ihn dabei unterstützen."

Im Plenum setzt ein Raunen ein, Dobrindt schaut regelrecht verdutzt drein. Gabriel fragt unschuldig: "Ich weiß gar nicht, warum das so bemerkenswert ist, können Sie das nicht verstehen?" Dobrindt hatte im Wahlkampf einige recht unschöne und beleidigende Aussagen über Gabriel getätigt. Jetzt lacht er.

Bemerkenswert ist auch, worüber der Wirtschaftsminister nicht spricht: Kaum ein Wort zur Situation der Arbeitnehmer, die ja einen nicht unerheblichen Anteil an der Wirtschaftsleistung haben. Der frühere Linken-Vorsitzende Klaus Ernst holt das nach und prangert das Auseinanderdriften der Entwicklung der Reallöhne und der Wirtschaftsleistung an: "Tatsächlich ist es so, dass das Bruttoinlandsprodukt [zwischen] 2000 und 2013 um knapp 15 Prozent gewachsen ist, die Löhne aber nur um ein Prozent." Ernst redet sich in Rage: "Was ist mit einer Erhöhung der Vermögensteuer, mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes?" Etikettenschwindel sei das, was Gabriel betreibe.

Gabriel selbst sieht das anders, in der Debatte wehrt er sich gegen Kritik. Das geht so weit, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert einschreitet: "Also Herr Minister, ich muss Sie nun darauf aufmerksam machen, Zwischenrufe sind vonseiten der Regierungsbank nicht erlaubt."

Mit Material von dpa

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