Zunächst hatte nur der Stern von einem Schreiben Schilys an den Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier berichtet. Jetzt meldet die Passauer Neue Presse, auch Außenminister Joschka Fischer (Grüne) habe das Bundeskanzleramt über den Visa- Streit mit Schily (SPD) informiert.

Das gehe aus einem Brief Fischers an Schily vom 13. März 2000 hervor, berichtet die Zeitung.
In dem Schreiben weist Fischer laut Passauer Neuen Presse die Kritik des Innenministers an der liberalen Visa-Vergabe scharf zurück. "Ich habe einen Durchdruck meines Schreibens Herrn Staatssekretär Steinmeier im Bundeskanzleramt zukommen lassen", heiße es außerdem.
Schily hatte laut Stern das Kanzleramt kurz zuvor über den Visa-Streit informiert. Nach ARD-Informationen wusste Steinmeier wenige Tage nach dem Volmer-Erlass ("Im Zweifel für die Reisefreiheit") vom 3. März 2002 von dem Streit zwischen Fischer und Schily.
Ohne Zorn und Zweifel
Ein Regierungssprecher wies allerdings am Dienstag die Darstellung des Sterns zurück, wonach Schröder vor der Kabinettssitzung am 15. März 2000 von dem Ressortzwist informiert worden sei.
In seinem Antwortschreiben auf den kritischen Brief Schilys forderte Fischer laut Passauer Neuen Presse das Innenministerium auf, die im Volmer-Erlass beschriebenen Verfahren zur Visumpraxis "sine ira et studio" (lat.: ohne Zorn und Eifer) zu bewerten.
"Dann wird sich auch zeigen, dass bestimmte Vorwürfe, wie Besuchervisa (würden) häufig missbraucht, ... um sich Zugang zum Asylverfahren zu verschaffen, auch durch Wiederholung nicht überzeugender oder empirisch belegbar werden", argumentierte Fischer.
Arbeitsgruppe Streitschlichtung
Nach Angaben des Regierungssprechers wurden Fischer und Schily vor der damaligen Kabinettssitzung aufgefordert, die bestehenden Differenzen untereinander zu klären. Beide Minister hätten daraufhin am 14. März vereinbart, eine Arbeitsgruppe auf Staatssekretär-Ebene einzurichten.
Unterdessen hat die Union Fischer vorgeworfen, durch seine umstrittene liberale Visa-Vergabe die gemeinsame Verbrechensbekämpfung der EU unterlaufen zu haben.
"Obwohl Außenminister Fischer im Oktober 1999 in Kenntnis über das gesamte gemeinsame Vorgehen der Gemeinschaft war, kam es zu seinem Erlass vom 3. März 2000", sagte der Unions-Obmann im Visa-Ausschuss, Eckart von Klaeden (CDU), der Berliner Zeitung.
Von Klaeden: Fischer schadet der EU-Politik
"Und das offensichtlich, ohne die Gemeinschaft zu kontaktieren, geschweige denn sie von seiner Eigenmächtigkeit in Kenntnis zu setzen."
Der Europäische Rat hatte im Oktober 1999 eine Verbesserung der Verbrechensbekämpfung auf europäischer Ebene vereinbart. 2002 wurden die EU-Staaten aufgefordert, entschiedener gegen Schleuser und deren Helfer vorzugehen.
Von Klaeden erklärte, sollte auf die Politik des Außenministers der Tatbestand der Beihilfe zutreffen, "verschärfen sich die Probleme Fischers deutlich". Das Auswärtige Amt wies die Darstellung der Union zurück. Der Zusammenhang von Ratsbeschluss und dem Erlass vom März 2000 sei konstruiert.