Viktor Orbán:"Ich habe keine Zeit für so etwas"

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. (Foto: AP)

Ungarns Ministerpräsident weist Kritik am Notstandsgesetz zurück. CDU und CSU bringt das in eine schwierige Lage.

Von Matthias Kolb, Peter Münch und Robert Roßmann, Brüssel/Wien/Berlin

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zeigt sich unbeeindruckt von der internationalen Kritik an dem Notstandsgesetz, das seit Montag in seinem Land gilt. Es erlaubt ihm ohne zeitliche Befristung, per Dekret zu regieren. Am Freitag wies Orbán die Forderung von 13 Mitgliedsparteien der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) nach einem Ausschluss der Regierungspartei Fidesz klar zurück. "Bei allem Respekt, ich habe keine Zeit für so etwas", schrieb der Fidesz-Chef in einem Brief an die EVP-Zentrale in Brüssel. In Zeiten der Corona-Pandemie nutze er "all seine Zeit" dafür, das Leben der Ungarn zu schützen, so Orbán. Die Mitgliedschaft von Fidesz in der EVP ist seit März 2019 suspendiert.

Viele Kritiker in und außerhalb der EVP werfen Orbán vor, Corona als Vorwand zu nutzen, um die Opposition auszuschalten. Seit 2010 hat er den Rechtsstaat ausgehöhlt und die Medienfreiheit beschnitten. Im Radio warf Orbán dem ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros vor, die Pandemie nutzen zu wollen, um in Ungarn "die Macht zu ergreifen".

Auf die Bedenken der EU-Partner reagierte Ungarns Regierung mit einem dreist anmutenden Schritt: Das Justizministerium veröffentlichte auf seiner Webseite die Erklärung, in der sich 16 EU-Staaten, darunter auch Deutschland, "zutiefst besorgt" über die Gefahr zeigen, dass Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der Corona-Krise verletzt werden. In der Einleitung hieß es, dass Ungarn diese Sorge teile. Ausgenutzt wird damit die Zurückhaltung der Unterzeichner, die Ungarn nicht namentlich erwähnt hatten.

Die laufende Debatte bringt CDU und CSU in eine schwierige Position. Im Februar war in den EVP-Gremien eine Entscheidung über den Rauswurf von Fidesz verschoben worden, weil sich die Deutschen nicht klar positioniert hatten. Aus dem Umfeld von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hieß es am Freitag, die Verteidigungsministerin habe wegen der Covid-19-Krise derzeit Wichtigeres zu tun. Die CDU-Position sei aber klar: Einerseits verurteile man völlig eindeutig nicht hinnehmbare Verhaltensweisen Orbáns, andererseits wolle man eine Spaltung der EVP vermeiden. Es sei daher gut, dass man Fidesz durch die geltende Suspendierung derzeit "auf Halbdistanz" halte.

In der CDU wird oft auf die Tories verwiesen. Mit dem Austritt der britischen Konservativen aus der EVP habe 2009 deren Abwendung von der EU begonnen, die am Ende zum Brexit geführt habe. Auch in der CSU-Führung wird darauf verwiesen, dass man die Aufmerksamkeit jetzt auf die Bewältigung der Corona-Krise richten sollte. Als sicher gilt, dass sich Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder absprechen werden, bevor sie reagieren.

Sowohl Orbán als auch Donald Tusk, der Ungarns Vorgehen "politisch gefährlich und moralisch unakzeptabel" nennt und als Chef der EVP den Prozess steuert, wissen um die Schlüsselrolle der CDU. Orbán bat Kramp-Karrenbauer Ende März in einem Brief, auf Tusk einzuwirken, der angeblich die Parteienfamilie spalte, was die Gesundheit der EU-Bürger bedrohe. Eine Antwort aus der CDU-Zentrale steht noch aus.

© SZ vom 04.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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