Süddeutsche Zeitung

Viktor Bout vor Gericht:Der Richter und sein Händler

Viktor Bout, der bekannteste Waffenschieber der Welt, muss sich von diesem Freitag an vor einem Gericht in New York verantworten. Einigen wäre es aber sehr recht, wenn er die Namen seiner Geschäftspartner für sich behielte.

Lilith Volkert

Ob Sierra Leone, Jugoslawien oder Afghanistan, es gibt wohl kaum einen Krieg in den vergangenen 20 Jahren, an dem Viktor Bout kein Geld verdient hat. Man geht davon aus, dass der als "Händler des Todes" bekannte Russe mit seinen illegalen Geschäften diverse UN-Waffenembargos gegen afrikanische Staaten umgangen hat. Er soll Waffen an die Taliban und an die Farc-Guerilla in Kolumbien geliefert haben.

Von diesem Freitag an muss sich Viktor Bout in New York vor Gericht verantworten. In einer Anhörung soll festgestellt werden, ob ein ordentlicher Prozess gegen ihn eröffnet werden kann. Die USA werfen dem 44-jährigen Russen unter anderem Verschwörung zum Mord an US-Bürgern und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe.

Bis zu seiner Verhaftung vor knapp drei Jahren galt Bout als bedeutendster illegaler Waffenverkäufer und -transporteur der Welt. Mit einer Flotte von Frachtflugzeugen soll er Waffen in Krisengebiete in Afrika, Südamerika, den Nahen Osten und nach Asien geliefert und damit blutige Konflikte angeheizt haben. Bout sagt, er sei legal im Flugfrachtgeschäft gewesen und plädiert auf "nicht schuldig". Wahrscheinlicher ist, dass er der Waffenhändler mit den besten Verbindungen in internationale Regierungskreise ist.

Viktor Bout (Wiktor Anatoljewitsch But) wurde 1967 in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe als Kind russischer Eltern geboren, er besuchte das sowjetische Militärinstitut für Fremdsprachen in Moskau und spricht sechs Sprachen. Ins Waffengeschäft eingestiegen ist der frühere Offizier und Dolmetscher in den neunziger Jahren nach dem Zerfall der UdSSR. Er verschob alte Waffen sowohl aus den Arsenalen der ehemaligen sowjetischen Unionsrepubliken als auch aus anderen Ostblockstaaten - vor allem nach Afrika, wo mit Ende des Kalten Krieges ein Machtvakuum entstanden war.

Nicht selten rüstete Bout auch miteinander verfeindete Konfliktparteien aus; gerade in Afrika belieferte er jeden, der zahlen konnte. Nebenher flog der geschäftstüchtige Russe Güter für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen um die Welt, auch die USA haben eine Zeitlang mit Bout Geschäfte gemacht und ihm unter anderem Lieferungen für den Irak anvertraut.

Trotz eines Haftbefehls von Interpol war Bout jahrelang nicht zu fassen - obwohl er vor aller Augen in Moskau lebte. Erst 2008 konnte er festgenommen werden. Er war auf Agenten der amerikanischen Drogenpolizei hereingefallen, die - als Mitglieder einer kolumbianischen Rebellengruppe getarnt - in Thailand ein Geschäft mit ihm abschließen wollten. Nach langem Zögern hat die Regierung in Bangkok Bout im November 2010 an die USA ausgeliefert - trotz heftiger Kritik aus dem russischen Außenministerium. Möglicherweise gibt es auch in Moskau einige Personen, denen es unangenehm wäre, wenn Viktor Bouts Geschäftsverbindungen allzu detailliert an die Öffentlichkeit gelangen würden.

Bisher sieht es allerdings nicht so aus, als würde Bout vor Gericht auspacken. Erst kürzlich hat er das Angebot der US-Justiz ausgeschlagen, im Tausch gegen Informationen zu seinen Kontakten ein milderes Urteil zu bekommen. "Ich habe geantwortet, dass ich ihnen nichts zu den Dingen sagen kann, die sie interessieren", sagte er Anfang Januar in einem von der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti veröffentlichten Interview. Es ist gut möglich, dass er weiter schweigen wird und auf einen Austausch zwischen Moskau und Washington hofft.

In dem von Viktor Bouts Leben inspirierten Hollywood-Thriller Lord of War wird der Waffenhändler übrigens in den USA verhaftet, dann aber überraschend freigelassen. Der Befehl kommt von ganz oben: Im Film gibt es auch hier Leute, die lieber nicht vor Gericht hören wollen, was der Waffenhändler alles zu erzählen hat.

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