Wenn Vietnam den 50. Jahrestag der Einnahme von Saigon feiert, wird der ehemalige Kriegsgegner nicht dabei sein. Die US-Administration hat ihre Diplomaten angewiesen, den Festlichkeiten fernzubleiben, da der Fall der heutigen Ho-Chi-Minh-Stadt am 30. April gleichzeitig die Niederlage Amerikas in diesem Krieg markiert. Laut New York Times wollte US-Botschafter Marc Knapper teilnehmen, darf aber nicht. Es ist der neue Stil der Regierung in Washington nach Jahren der Annäherung an das kommunistische Regime in Hanoi.
Erst 2023 hatten die Staaten eine umfassende strategische Partnerschaft verabredet und damit die Beziehungen Vietnams zu den USA auf eine diplomatische Ebene mit Russland und China gestellt – den beiden Ländern, die den kommunistischen Norden im Vietnamkrieg unterstützt hatten. Nach dem Wiedereinzug von Donald Trump im Weißen Haus sieht sich Vietnam nun von US-Zöllen in Höhe von 46 Prozent bedroht. Etwa 30 Prozent des vietnamesischen Bruttosozialprodukts hängen an den US-Exporten. Noch hofft das Land auf einen Deal zwischen beiden Regierungen, der zur Senkung oder Vermeidung der Zölle führen könnte, die Trump kurz nach der Ankündigung erst mal wieder ausgesetzt hat. Der vietnamesische Handelsminister Nguyen Hong Dien hat vergangene Woche mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer telefoniert.
Hanoi würde es gerne den USA und China recht machen
Vor zwei Wochen wurde Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping beim Staatsbesuch in Vietnam mit Kanonensalven empfangen. Er war gekommen, um unter anderem klarzumachen, dass die Regierung in Peking solche Deals ausdrücklich nicht wünscht. Während man in Washington versucht, China zu isolieren, will Peking die asiatischen Nachbarn an sich binden. Der Ausgang des Duells ist offen. Und das Politbüro in Hanoi steckt in der Zwickmühle. Denn China ist Vietnams größte Importquelle und gleichzeitig zweitgrößtes Exportziel. Xi forderte Vietnam laut der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua dazu auf, sich gegen „einseitige Schikanen“ zu wehren, und erklärte, dass „Chinas Megamarkt Vietnam immer offensteht“. Von Donald Trump wurde Xis Besuch so kommentiert: „Das ist ein schönes Treffen. Ein Treffen, bei dem es darum geht, herauszufinden, ‚Wie können wir die Vereinigten Staaten von Amerika aufs Kreuz legen?‘.“

Dass US-Firmen in Vietnam produzieren lassen, hat zu einem Handelsüberschuss von 123,5 Milliarden Dollar gegenüber den USA geführt. Es ist der viertgrößte weltweit, und daran orientiert sich die Höhe der sogenannten reziproken Zölle der USA. Doch Vietnam wird nicht in der Lage sein, den Überschuss durch Käufe in den USA auszugleichen, es gibt wenig Waren, die Vietnam nicht in China oder anderen Nachbarländern deutlich günstiger bekommen würde als in den USA.
Vietnam will nun US-Flugzeuge kaufen
Während Trumps erster Amtszeit hatte Vietnam noch von einer Abwanderung von Fabriken aus China profitiert, da die Unternehmen versuchten, ihre Anfälligkeit in einem Handelskrieg zu verringern. Nun könnte es umgekehrt laufen. Hanoi hat fürs Erste angekündigt, mehr Boeing-Flugzeuge und Flüssigerdgas zu kaufen, und Gespräche über den Kauf von C-130-Frachtflugzeugen von Lockheed Martin aufgenommen. Außerdem wurde der Betrieb von Elon Musks Satellitenkommunikationsdienst Starlink zu günstigen Bedingungen genehmigt. Es sind Gesten des guten Willens.
Bislang lief der Deal so, dass US-Firmen in Vietnam Produkte günstig für Westverbraucher herstellen ließen. Die Vietnamesen wiederum kauften von ihrem Lohn die noch viel billigeren Produkte aus China. Einen Erfolg im Handelskrieg konnte Washington bereits erzielen. In der Hoffnung, Strafzölle zu vermeiden, ist das Politbüro in Hanoi bereit, gegen chinesische Händler vorzugehen, die verdeckt über Vietnam in die USA liefern, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus einem vietnamesischen Regierungsdokument zitierte. Zuvor hatten hochrangige US-Beamte, darunter Peter Navarro, der einflussreiche Handelsberater des Weißen Hauses, den Verdacht geäußert, dass chinesische Waren mit dem Etikett „Made in Vietnam“ nach Amerika geliefert werden, um die exorbitanten Strafzölle für chinesische Exporte zu umgehen.
Sonst aber sieht es so, als würden die USA mit der Drohung von Strafzöllen vor allem die asiatischen Handelspartner enger zusammenbringen. Nach Xi Jinping war am Montag der japanische Premierminister Shigeru Ishiba in Hanoi zu Gast. Japanische Weltkonzerne wie Honda, Panasonic und Canon lassen in Vietnam fertigen. Nach Angaben des vietnamesischen Finanzministeriums haben japanische Unternehmen im Land insgesamt 78 Milliarden Dollar investiert, sie wären von den US-Zöllen ebenfalls betroffen. Man einigte sich darauf, den bilateralen Handel anzukurbeln und die globalen Regeln für den freien Warenverkehr einzuhalten. „Die Weltwirtschaft wird immer unsicherer, und die Auswirkungen auf die südostasiatische Region werden ebenfalls deutlich“, sagte Ishiba bei einer anschließenden Pressekonferenz, bei der Fragen von Journalisten nicht zugelassen waren. Der wirtschaftliche Boom Vietnams fußt auch auf der restriktiven Politik der autokratischen Regierung in Hanoi. Ein kritischer Post auf Facebook genügt, um Menschenrechtsaktivisten, Umweltschützer und unabhängige Journalisten einzusperren. Immerhin in dieser Hinsicht nähern sich Peking, Hanoi und Washington derzeit an.