Vietnam:Dreiste Show

Die Regierung in Hanoi hat sich durch die mutmaßliche Entführung eines Vietnamesen aus Deutschland in ein verwerfliches Abenteuer gestürzt. Sie will die Korruption bekämpfen, doch sie tut das mit falschen Mitteln. Außenpolitisch zahlt das Land dafür einen hohen Preis.

Von Arne Perras

Vieles bleibt rätselhaft in dieser Affäre: Wer hat die tolldreiste Entführung des Vietnamesen Trinh Xuan Thanh aus Berlin im Sommer 2017 angeordnet? Waren übereifrige Agenten schneller, als es ihr Staat erlaubte? Oder kam der Befehl von ganz oben in Hanoi? Sicher ist: Die Verschleppung des Asylbewerbers durch ein mutmaßliches Kommando des Staates Vietnam ist weit mehr als eine missliche Episode in den Beziehungen. Berlin tut gut daran, den Vorfall als schweren Rechtsbruch anzuprangern und auf Distanz zu gehen. Kleinreden wäre schädlich, es könnte Nachahmer locken. Auf dem Boden der Bundesrepublik darf es keine Jagden ausländischer Geheimdienste auf missliebige Bürger geben.

Wo Souveränität und Rechtsstaat verletzt werden, müssen wirtschaftliche Erwägungen erst einmal zurücktreten. Jeder weiß, dass in asiatischen Staaten dynamische Märkte locken. Aber das ist bei der Schwere der Affäre nun zweitrangig. Dass der Vietnamese später in seiner Heimat erklärte, er sei freiwillig zurückgekehrt, ist schon deshalb unglaubhaft, weil ihm nun der Prozess wegen Untreue und Missmanagement gemacht wird und dafür die Todesstrafe droht.

Selbst wenn an den Vorwürfen gegen TXT, wie der Ex-Funktionär genannt wird, etwas daran sein sollte, ändert das nichts an der Verwerflichkeit des Menschenraubs. Gewiss: Korruption ist zu einem schweren Problem geworden. Das gilt aber nicht nur für Vietnam. Und der ausufernde Sumpf lässt sich auch nicht allein mit den Schwächen einer aus der Zeit gefallenen Einparteienherrschaft erklären. Erstens wandelt sich Vietnam durchaus. Zweitens zersetzt die Korruption auch Staaten, die politischen Pluralismus zulassen. Indonesien, Brasilien, Südafrika - es lassen sich viele Beispiele finden.

Hanoi will die Korruption bekämpfen - und setzt sich dabei selbst ins Unrecht

Korruption wuchert, wo es keine Kontrollsysteme gibt oder wo diese nicht greifen. Auch in Vietnam ist das so. Intransparenz und eine gelenkte Justiz schaffen ein Klima, in dem Korruption gedeiht. Je mehr Geld in das System fließt, etwa im Zuge marktwirtschaftlicher Reformen, umso größer sind die Verlockungen für jene, die an der Macht sind, etwas abzuzweigen. In Vietnam gibt es Institutionen, die das verhindern sollen. Doch häufig sind die Kontrolleure nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Die kommunistische Führung mit Generalsekretär Nguyen Phu Trong an der Spitze dürfte spüren, dass sich an der Basis Unmut aufstaut. Messbar ist die Unzufriedenheit kaum, weil in dem Land keine Freiheit der Rede herrscht. Aber hin und wieder lässt sich erkennen: Es gärt im Volk. Der Staat reagiert oft mit Härte, lässt Blogger verfolgen. Durch Massenprozesse gegen hochrangige Korruptionssünder hofft die Führung, verlorene Sympathien zurückgewinnen. Sie gibt den Saubermann, will zeigen: Seht her, Diebe kommen nicht davon.

Um einen dauerhaften Erfolg zu erzielen, wären rechtsstaatliche Reformen jedoch nützlicher als Schauprozesse. Zudem sieht es nicht so aus, als würde den Angeklagten ein fairer Prozess gemacht. Im Falle des Entführten Trinh kommt noch hinzu, dass er rechtswidrig verschleppt wurde. Vietnam hätte auf ein Auslieferungsverfahren setzen sollen. Stattdessen hat sich das Land in ein verwerfliches Abenteuer gestürzt, für das es nun einen hohen Preis bezahlt. Die Zeiten, in denen Hanoi den Europäern als willkommener Partner galt, sind erst mal vorbei.

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