Folgen der Zölle„Ein Schock“  für Vietnams Wirtschaft

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Vietnam ist ein wichtiger Knotenpunkt in den globalen Lieferketten: Textilarbeiter in Ho-Chi-Minh-Stadt.
Vietnam ist ein wichtiger Knotenpunkt in den globalen Lieferketten: Textilarbeiter in Ho-Chi-Minh-Stadt. (Foto: HUU KHOA/AFP)

Das südostasiatische Land ist unter denen, die am härtesten von den neuen US-Strafzöllen betroffen sind. 50 Jahre hatte es gedauert, bis die Erzfeinde durch Handel zueinander fanden. Wie geht es nun weiter?

Von David Pfeifer, Bangkok

Die Frage ist, wen Trump im Endeffekt bestrafen wird mit den Zöllen, die er am Mittwoch verhängt hat. Im Fall von Vietnam sind es enorme 46 Prozent, einer der höchsten Werte, die die neue US-Regierung gegen Länder mit einem besonders hohen Handelsdefizit anwendet. Treffen wird es neben den Arbeiterinnen und Arbeitern in Vietnam aber vor allem US-Konzerne wie Nike, Intel, Mattel und – viel amerikanischer geht es nicht – American Eagle Outfitters. Doch was ist derzeit noch amerikanisch?

Ironischerweise hatten zum Ende von Trumps erster Amtszeit viele US-Firmen ihre Produktion aus China in andere asiatische Niedriglohnländer verlagert, wegen des Handelskriegs zwischen den USA und China und weil Peking mit seiner „Zero-Covid“-Politik die Empfindlichkeit der globalen Lieferketten aufgezeigt hatte. Nutznießer war neben Mexiko vor allem Vietnam; die Exporte in die USA stiegen bis im vergangenen Jahr auf 136,6 Milliarden US-Dollar, was einem Zuwachs von etwa 19 Prozent gegenüber 2023 entsprach. Die US-Strafzölle könnten das vietnamesische Bruttoinlandsprodukt, das in diesem Jahr um acht Prozent steigen sollte, nun erheblich dämpfen.

Kommunismus und Turbokapitalismus, das mögen Investoren

Der massive Zustrom von Investitionen amerikanischer Konzerne machte Vietnam zu einem wichtigen Knotenpunkt in den globalen Lieferketten, für Turnschuh-, Computerchip-, Spielzeug- und Möbelhersteller. Vietnam ist in mancher Hinsicht ein attraktiver Investitionsstandort, etwa so wie China vor 15 Jahren. Das Regime versucht, Kommunismus und Turbokapitalismus zu vereinen, das mögen internationale Investoren gerne, wenn alles nach Plan läuft, ohne störende Gewerkschaften oder Einsprüche von Menschenrechtsorganisationen. Es gehört heute zum Standardprogramm von US-Touristen in Ho-Chi-Minh-Stadt, günstige Sportswear zu kaufen, die einen Bruchteil dessen kostet, was man zu Hause inklusive Steuern zahlen muss.

Vor dem Shopping steht meistens der Besuch des Kriegsmuseums auf dem Plan, in dem man erbeutete Panzer und Huey-Hubschrauber aus dem Vietnamkrieg bestaunen kann. Am 30. April, also nur drei Wochen, nachdem die neuen Zölle in Kraft treten sollen, wird in Ho-Chi-Minh-Stadt mit einer großen Militärparade der 50. Jahrestag des Sieges über die USA gefeiert. Die USA fingen diesen Krieg in den 1960er-Jahren an, um die Kommunisten zurückzudrängen. Erfolglos, wie man heute weiß. Dafür wurde das Land später von McDonald’s und KFC erobert, sogar „Rambo II“, der Teil, in dem Sylvester Stallone sich quasi im Alleingang durch Vietnam ballert, war dort ein großer Erfolg. Soft Power nennt man das. Von der verabschieden sich die USA gerade weltweit.

Die Strafzölle sollte man also gerade zwischen diesen beiden Ländern nicht als Handelskrieg bezeichnen, sie stellen ganz undiplomatisch Hard Power dar. Auch die Investoren in den USA werden diese Härte schnell spüren. Nike stellt etwa die Hälfte seiner Schuhe in China und Vietnam her, die Aktien des Unternehmens fielen am Mittwoch um mehr als sechs Prozent. Die Aktien der VF Corporation, zu der Marken wie The North Face, Timberland, Vans und Jansport gehören, fielen um acht Prozent. Nach Angaben des Branchenverbands „Footwear Distributors and Retailers of America“ stammte insgesamt fast ein Drittel aller Schuhimporte in den USA im Jahr 2023 aus Vietnam.

Neue US-Zölle
:Handelskrieg als Spektakel

Seit Tagen schwärmte Donald Trump von dem „Tag der Befreiung“, an dem er neue Zölle einführen will. Was er genau vorhatte, blieb bis zuletzt offen. Nun ist klar: Die Pläne übertreffen alle Erwartungen.

SZ PlusVon Ann-Kathrin Nezik

Vietnam ist der sechstgrößte Exporteur in die USA

Auch Apple, das größte Technologieunternehmen der Welt, hat einen Teil seiner Produktion in der ersten Trump-Zeit von China nach Vietnam verlagert, eigentlich „um US-Zölle zu vermeiden“, wie Vietnam News schreibt. In Hanoi berief der vietnamesische Premierminister am Donnerstagmorgen eine dringende Kabinettssitzung ein. Auch der Handelsminister, der Zentralbankgouverneur und der Finanzminister waren unter den Teilnehmern. „Das ist ein Schock für die Weltwirtschaft und für die vietnamesische Wirtschaft“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Vo Tri Thanh, ehemaliger Vizedirektor des „Vietnam Institute for Economic Management“ gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Ausfuhren in die USA beliefen sich im vergangenen Jahr auf 142 Milliarden US-Dollar und machten nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds fast 30 Prozent des vietnamesischen Bruttoinlandsprodukts aus. Vietnam war damit der sechstgrößte Exporteur in die Vereinigten Staaten, nach Mexiko, China, Kanada, Deutschland und Japan. Der Handelsüberschuss allerdings belief sich auf über 123 Milliarden Dollar, das ist der viertgrößte Wert weltweit.

Und genau an diesen Überschüssen orientiert sich die US-Regierung mit ihren Strafzöllen. Es bleibt Vietnam also nur, den Überschuss auszugleichen, in dem es Waren im Gegenwert aus den USA kauft. Die US-Firmen wiederum müssten ihre Fertigung in die Heimat verlegen, um den Strafzöllen zu entgehen. Für die Verbraucher werden die Mattel-Puppen, die Nike-Schuhe, die iPads und Sofas ohnehin empfindlich teurer, entweder durch die Zölle, oder weil anständiger bezahlte Arbeiterinnen und Arbeiter in den USA sie fertigen. Sie wären dann allerdings auch amerikanisch, im Sinne von Donald Trump.

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