Botschaft zum 9/11-Jahrestag:Taliban drohen USA mit "langem Krieg"

Kurz vor dem zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September kündigen die Taliban an, dass sie ihren Kampf gegen die US-Streitkräfte in Afghanistan fortsetzen wollen - bis die Truppen komplett das Land verlassen. US-Präsident Obama zeigt sich zufrieden mit dem Kampf gegen den Terror: Die USA seien stärker als zuvor. Er warnt aber davor, einen Fehler zu machen.

Die Taliban haben den USA in einer Botschaft zum zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 mit einem langen Krieg in Afghanistan gedroht. Die amerikanischen "Kriegstreiber" müssten aufhören, für ihre kolonialen Ziele das Blut der Afghanen zu vergießen, hieß es in einer im Internet veröffentlichten Mitteilung der Aufständischen. "Andernfalls haben die Afghanen eine endlose Ausdauer für einen langen Krieg."

Mit einem landesweiten Aufstand würden die Afghanen "die Amerikaner in den Mülleimer der Geschichte schicken, wie sie andere Imperien in der Vergangenheit dorthin geschickt haben", hieß es weiter. Die Taliban spielten damit auf die Briten und die Sowjetunion an, denen es nicht gelungen war, das Land dauerhaft zu besetzen.

Zu den Anschlägen vom 11. September 2001 hieß es, die Afghanen hätten dabei keine Rolle gespielt. Die Amerikaner hätten die Anschläge als Vorwand missbraucht, "das Blut von Zehntausenden unglücklicher und unschuldiger Afghanen zu vergießen, und die Gräueltat dauert an". Das Islamische Emirat der Taliban habe eine unabhängige Untersuchung der Anschläge gefordert. Stattdessen hätten die Amerikaner und ihre Alliierten Marschflugkörper geschickt.

Das Taliban-Regime hatte den Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001, Osama bin Laden, in Afghanistan beherbergt. Als die Taliban sich weigerten, den Al-Qaida-Chef auszuliefern, hatte eine US-geführte Koalition am 7. Oktober 2001 das Land angegriffen. Bald darauf war das Taliban-Regime gestürzt.

Obama: USA sind stärker als zuvor

US-Präsident Barack Obama kündigte unterdessen an, den Kampf gegen den Terror entschlossen fortzusetzen. "Wir werden das Land, das wir lieben, schützen und es sicherer, stärker und wohlhabender an die nächste Generation übergeben," sagte er in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache. "Vor zehn Jahren zeigten gewöhnliche Amerikaner, was wahrer Mut ist, als sie die Treppen hochrannten, in die Flammen, ins Cockpit", so Obama "Heute ist Amerika stark, al-Qaida aber ist auf dem Weg zur Niederlage".

Bin Laden und weitere Al-Qaida-Führer seien getötet, die US-Spezialkräfte gestärkt und die Sicherheit in den USA verbessert worden, sagte er zur Begründung. Auch die Zusammenarbeit mit den Alliierten und Partnern im Kampf gegen den Terrorismus sei enger. "Sie wollten uns terrorisieren, aber als Amerikaner weigern wir uns, in Angst zu leben", sagte Obama.

Zugleich warnte er aber vor der Annahme, die Gefahr des Terrorismus sei bereits gebannt. "Machen wir keinen Fehler: Sie werden versuchen, uns erneut zu schlagen." Daher sei Amerika nach wie vor wachsam, sagte Obama mit Blick auf die jüngsten Terrordrohungen.

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in New York

US-Außenministerin Hillary Clinton sowie das US-Heimatschutzministeriums warnten vor weiteren Anschlägen zum 9/11-Jahrestag. Ein denkbares Szenario seien Explosionen von Autobomben in einer US-Großstadt wie New York oder Washington. Nach Informationen der New York Times soll ein Informant von insgesamt drei Verdächtigen berichtet haben, die Afghanistan verlassen hätten - einer von ihnen soll demnach nach Europa gereist sein. Der Fernsehsender ABC berichtete, Al-Qaida-Chef Aiman Al-Sawahiri habe die Attacken angeordnet, um den Tod seines Vorgängers Osama bin Laden im Mai zu rächen.

A flower wreath leans against the memorial wall at New York City Firehouse #10, which is directly across from Ground Zero and the new World Trade Center building, in New York

Ein Blumenkranz am Ground Zero in New York, wenige Tage vor den geplanten Gedenkfeiern.

(Foto: REUTERS)

Obama wies die Sicherheitsbehörden nach Angaben seines Sprechers Jay Carney an, ihre Bemühungen zum Schutz der Bürger zu verdoppeln. Die US-Behörden hoben die Terror-Warnstufe aber zunächst nicht an.

Die New Yorker nehmen Sicherheitsmaßnahmen gelassen

Die Metropole New York schien vor dem Jahrestag ein einziger Grenzübergang zu sein. Nach den Terrorwarnungen werden an allen neuralgischen Punkten Autos kontrolliert, in Bussen und Bahnen müssen Reisende größere Taschen vorzeigen.

Tausende Autos wurden kontrolliert. Insbesondere Lastwagen wurden unter die Lupe genommen, bevor sie auf eine der Brücken über oder in die Tunnel unter Hudson und East River fahren durften. Es sah an der Grenze der Stadt fast so aus wie an der Grenze zu Mexiko, nur dass statt der Reisepässe die Frachtpapiere kontrolliert wurden, dass hinter der Ladung nicht nach Immigranten, sondern nach Terroristen gefahndet wurde und dass die Beamten nicht nach Rauschgift, sondern nach Sprengstoff suchten.

Falsch parkende Autos wurden gleich abgeschleppt und nicht nur mit einem Strafzettel versehen. In den Bahnhöfen und auch an größeren U-Bahn-Stationen standen Polizisten mit Sturmgewehr, Helm und Splitterschutzweste; immer wieder wurden größere Gepäckstücke durchsucht. Die New Yorker nahmen es gelassen: Solche Aktivitäten sind nicht normal, kommen vor wichtigen Veranstaltungen oder nach Terrorwarnungen aber immer wieder vor.

Gedenkveranstaltungen sollen wie geplant laufen

Trotz der neuen Terrorwarnungen liefen die Gedenkfeiern zum 11. September wie geplant weiter. Dem Weißen Haus zufolge hält Obama an seinen für Sonntag geplanten Besuchen der Gedenkveranstaltungen am Ground Zero in New York, am Pentagon in Washington sowie an der Absturzstelle in Shanksville fest.

Dort sollte bereits am Samstag im Beisein von Vizepräsident Joe Biden und Obamas Vorgänger George W. Bush ein Mahnmal eingeweiht werden. Bush wollte darüberhinaus am Samstag bei einer privaten Zeremonie im Pentagon einen Kranz niederlegen.

Im Zentrum des Gedenkens steht wie in den Jahren zuvor das Erinnerungsritual am Ground Zero in New York, wo beim Einsturz des World Trade Centers ein Großteil der Anschlagsopfer getötet wurde. An der Gedenkveranstaltung nehmen neben Obama und Bush New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg und dessen Vorgänger Rudolph Giuliani teil.

Der britische Premierminister David Cameron übte in seinem Rückblick auf die damaligen Terroranschläge auch Kritik an seinem eigenen Land und den USA. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus hätten die beiden Länder Fehler gemacht und deshalb einen Teil ihrer "moralischen Macht" eingebüßt, sagte Cameron am Freitagabend in einem Interview mit dem arabischen Sender El Dschasira. Diese Autorität sei aber nötig, wenn man sich in der Welt durchsetzen wolle, ergänzte er. Als einen Fehler nannte er im Rückblick die Einrichtung des US-Gefangenenlagers Guantanamo.

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