Video über Leichenschändung in Syrien:Hässliche Botschaft der Rebellen

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Das Video dauert nur 27 Sekunden, aber seine politischen Konsequenzen dürften gravierend sein: Der syrische Rebellenkommandeur, der angeblich ein Organ eines getöteten Assad-Anhängers gegessen haben soll, führt dem Westen ein fundamentales Problem vor Augen.

Von Sonja Zekri, Kairo

Washington spricht von einer Einzeltat, der Militärrat der syrischen Rebellen verlangt die Festnahme des vermeintlichen Verbrechers in den eigenen Reihen. Andere Gegner von Präsident Baschar al-Assad fragen sich, warum gerade diese Tat international solche Resonanz findet - wo doch das Regime selbst so viel häufiger Schlimmeres begehe. Aber das Video ist in der Welt - mit allen politischen Konsequenzen.

Es dauert 27 Sekunden und zeigt den ehemaligen Straßenverkäufer und jetzigen Kommandeur der "Unabhängigen Omar al-Faruk-Brigade" Abu Sakkar, der im zivilen Leben Chalid al-Hamad hieß. Er schneidet einem toten Soldaten der Assad-Armee die Brust auf und führt ein Organ an den Mund, als wolle er es essen. "Herz und Leber" der Soldaten Baschars werde man verschlingen, droht er, und hetzt: "Erschlagt die Alawiten und esst ihre Herzen!" Alawiten sind die Mitglieder jener schiitischen Sekte, der der Assad-Clan und die Führung des Regimes angehören. Abu Sakkar ist, wie die meisten Rebellen, Sunnit.

Schon früher kursierten entsetzliche Videos, manchmal erwiesen sie sich als falsch. Das US-Magazin Time aber veröffentlicht nun ein Interview, das, so die Zeitschrift, mit Abu Sakkar via Skype geführt wurde. Darin erneuert er seine Hetze und behauptet, er habe ein Mitglied der "Schabiha", der alawitischen Miliz Assads, zersägt: "Die anderen filmen (ihre Gräueltaten) ebenfalls, aber nach dem, was ich getan habe, werden sie hoffentlich nie wieder einen Fuß in das Gebiet von Abu Sakkar setzen."

Zwar distanzierten sich die Freie Syrische Armee, der lose Dachverband der Rebelleneinheiten, und der oppositionelle Militärrat. Abu Sakkar müsse "tot oder lebendig" festgesetzt werden, verlangten sie auf Facebook. Gleichzeitig aber kursierten nach Angaben von Time im Internet Porträts Abu Sakkars mit einem Gewehr und der Unterschrift "Wir lieben Dich".

Wie unter diesen Umständen denkbare amerikanische Waffenlieferungen an die Rebellen von Menschen wie Abu Sakkar ferngehalten werden sollen, ist unklar. Ohnehin wirkt der Mann aus Homs wie der Albtraum aller Befürworter eines stärkeren westlichen Syrien-Engagements: Außer dem Sturz Assads dürfte er mit Washington kein gemeinsames Ziel haben. Ähnliches gilt für Paris und London, die das auslaufende Waffenembargo der EU für Syrien nicht verlängern wollen.

Strudel religiöser Gewalt bedroht die Region

Abu Sakkar alias Chalid al-Hamad kämpfte einst mit der Faruk-Brigade in Baba Amr, dem belagerten und inzwischen zerstörten Stadtteil von Homs. Ende vergangenen Jahres spaltete er sich mit einem Teil der Männer ab und nennt sich nun Kommandeur der "Unabhängigen Faruk- Brigaden", berichtet Peter Bouckaert, Notfalldirektor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Ob Abu Sakkars neue Brigade dem Militärrat untersteht, ist unklar. Seine Radikalisierung aber ist unübersehbar.

In den vergangenen Tagen kämpfte er in der strategisch wichtigen Stadt Al- Kuseir an der libanesischen Grenze. Über Al-Kuseir transportieren die Kämpfer Waffen in die Orte um Damaskus, es ist einer der wenigen verbliebenen Gebiete nahe der libanesischen Grenze in Rebellenhand. Nicht nur die Assad-Armee bedrängt Al-Kuseir. Auch die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah kämpft offen auf syrischem Territorium. Radikale sunnitische Prediger in Libanon hetzten ihre Männer zum Beistand für die "sunnitischen Brüder" in Al-Kuseir. Abu Sakkar, der Alawiten-Hasser, beschoss libanesische Orte von Al-Kuseir aus. Wenn nicht nur Syrien, sondern auch die Nachbarländer von einem Strudel religiöser Gewalt erfasst werden, ist dies auch sein Verdienst.

Und er ist nicht der einzige. Sunnitische Rebellen haben einen schiitischen Schrein bei Damaskus geschändet, während Nachrichten von einem Massaker an Sunniten in der Küstenregion an die Öffentlichkeit traten. 400 Menschen sollen getötet worden sein, darunter Kinder.

Die Sunniten flohen, und Beobachter diskutieren nun, ob dies der Beginn einer ethnischen Säuberung des alawitischen Kernlandes im Nordwesten Syriens zwischen der libanesische und der türkischen Grenze ist.

Nach einem Bombenanschlag im türkischen Reyhanli fliehen viele Syrer von dort aus wieder zurück in die umkämpfte Heimat, wo am Dienstag auch noch stundenlang das Internet zusammenbrach: Sie fühlen sich in der Türkei nicht mehr willkommen. Entsprechend groß ist der Erwartungsdruck auf den türkischen Premier Tayyip Erdogan, der am Donnerstag in Washington US-Präsident Barack Obama trifft.

In New York verurteilte die UN-Vollversammlung am Mittwoch mit großer Mehrheit zum dritten Mal die Gewalt in Syrien und forderte das Regime in Damaskus zum Wandel auf.

© SZ vom 16.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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