Veto im UN-Sicherheitsrat:Russland und China lassen Syrien-Resolution platzen

Der Showdown um die jüngste Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrats ist entschieden: Russland blockiert gemeinsam mit China einen Beschluss zur Krise. US-Außenministerin Clinton kritisierte auf der Münchner Sicherheitskonferenz das Veto scharf und prophezeite eine weitere Eskalation der Gewalt. Am Nachmittag hatte der russische Außenminister Lawrow noch versucht zu erreichen, dass die Abstimmung verschoben wird - mit einer Volte.

Paul-Anton Krüger

Moskaus UN-Botschafter Witali Tschurkin stimmte am Samstag auf einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates zusammen mit China in New York gegen einen von Arabern und Europäern unterstützten Entwurf. Er war von Marokko eingebracht worden.

Veto im UN-Sicherheitsrat: Dagegen: Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin stimmt im UN-Sicherheitsrat in New York erneut gegen eine Resolution zur Krise in Syrien.

Dagegen: Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin stimmt im UN-Sicherheitsrat in New York erneut gegen eine Resolution zur Krise in Syrien.

(Foto: AFP)

Zuvor waren bereits reiheinweise Formulierungen gestrichen worden, um Russland entgegenzukommen. So verlangte der Entwurf nicht mehr ausdrücklich Assads Rücktritt und sah auch keine Sanktionen vor. Zudem schloss er eine Militärintervention aus. Russland hat bisher jede Resolution des Sicherheitsrats gegen seinen Verbündeten und Waffenkunden Syrien verhindert. Die Sondersitzung hatte mit gut eineinhalb Stunden Verspätung begonnen. Bis zuletzt hatten die Diplomaten um Formulierungen gefeilscht - ohne Erfolg.

US-Außenministerin Hillary Clinton kritisierte das Veto scharf. "Es ist schwer vorstellbar, dass es nach dem bisher blutigsten Tag in Syrien immer noch jene gibt, die die internationale Gemeinschaft daran hindern wollen, diese Gewalt zu verurteilen", sagte sie mit Blick auf das Massaker in Homs in der Nacht zuvor. "Ich möchte sie fragen: Was müssen wir denn noch wissen, um im UN-Sicherheitsrat entschlossen zu handeln?" Sie habe in München am Rande der Sicherheitskonferenz ihren russischen Amtskollegen Sergej Lawrow vom Veto gegen die Syrien-Resolution abzubringen versucht: "Das war nicht möglich."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, das Veto lasse die Menschen in Syrien im Stich. Er machte deutlich, dass die westlichen Staaten zusammen mit der Arabischen Liga ihre Arbeit für eine Resolution des Sicherheitsrates trotz der Niederlage fortführen wollen. "Wir schließen einen neuen Anlauf nicht aus", sagte er kurz nach der Abstimmung in New York am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Auch die Sanktionspolitik außerhalb der UN werde fortgesetzt.

Lawrow hatte zuvor in München noch die Bedingungen dargelegt, unter denen Moskau einer Resolution zustimmen könnte. Der bereits modifizierte Entwurf der Arabischen Liga stelle eine Reihe von Forderungen an die Regierung Assads, während er von den im Land agierenden bewaffneten Gruppen nur verlange, die Gewalt einzustellen. Darin sehe Russland eine Parteinahme des Sicherheitsrates in einem Bürgerkrieg - was mit der UN-Charta nicht vereinbar sei.

Manöver ins Abseits

Am Nachmitttag berichteten russische Nachrichtenagenturen dann plötzlich, Lawrow werde am Dienstag kommender Woche nach Damaskus reisen, um mit Staatschef Baschar al-Assad zu sprechen - im Auftrag von Staatschef Dmitrij Medwedjew. Begleitet werde er vom Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes, Michail Fradkow.

Westliche Diplomaten sahen darin vor allem ein Manöver, um eine Abstimmung am Abend in New York doch noch zu verhindern. Westerwelle und Clinton berieten sich nach Lawrows Abreise erneut - und kamen zu dem Schluss, die Resolution trotz des angedrohten Vetos zur Abstimmung zu stellen. Man werde dann sehen, wer auf wessen Seite stehe, sagte Clinton.

Amerikanische und europäische Diplomaten in München sagten unisono, Russland manövriere sich mit einem Veto im Nahen Osten und auch in Syrien weiter ins Abseits. Sie gehen davon aus, dass sich Assad nicht an der Macht wird halten können, auch wenn sie keine Prognosen abgaben, wie lange es bis zu seinem Sturz noch dauern könnte. In einem Syrien ohne Assad aber, so die Logik, werde Russland nicht mehr viele Freunde haben.

Clinton sagte, sie fürchte eine weitere Eskalation der Gewalt, wenn Assad nicht zurücktrete: "Ich weiß, was passieren wird: mehr Blutvergießen, zunehmender Widerstand jener, deren Familien getötet werden und eine größere Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs", sagte sie.

Clinton und Westerwelle war es in bilateralen Gesprächen mit Lawrow nicht gelungen, Russlands Widerstand gegen eine Resolution zu brechen. Für den Westen war es vor allem nicht akzeptabel, dass Russland verlangte, die massive Brutalität der Sicherheitskräfte des Regimes auf eine Stufe zu stellen mit den überwiegend friedlichen Protesten, aber auch dem gewaltsamen Vorgehen einiger Teile der Opposition und sie gleichermaßen zu verurteilen. Das sei eine völlige Verdrehung der Lage in Syrien, hieß es in München. Es hätte zudem bedeutet, die Behauptung des Regimes, die Gewalt gehe von "Terroristen" und bewaffneten Gruppen aus, de facto zur offiziellen Position des Sicherheitsrates zu erheben.

Die syrische Opposition bezeichnete die Entscheidung als enttäuschend. "Dieses Veto geht auf Kosten des syrischen Volkes und seines Blutes", sagte Nadschi Taijara vom Syrischen Nationalrat. Er gehe davon aus, dass die Regierung von Präsident Assad sich des Vetos habe sicher sein können. "Deshalb hat das Regime das Massaker in Homs verübt."

Bei neuen Protesten gegen die syrische Führung wurden nach Angaben der Opposition in der Protesthochburg Homs mehr als 250 Zivilisten getötet. In der Stadt habe es in der Nacht zum Samstag "eines der schlimmsten Massaker seit dem Beginn des Aufstands in Syrien" gegeben, teilte der Syrische Nationalrat in Beirut mit. Das hat die Entschlossenheit im Westen verstärkt, im Sicherheitsrat notfalls nun die Stunde der Wahrheit zu suchen.

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