Verurteilung von Bo Xilai in China:Sprengstoff für die Zukunft

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Chinas Ex-Spitzenpolitiker Bo Xilai muss lebenslänglich ins Gefängnis. Die Parteiführung in dem Land versucht, mit dem Verfahren gegen Bo zu punkten - und könnte kurzfristig damit Erfolg haben. Doch etwas sollte sie beunruhigen.

Ein Kommentar von Kai Strittmatter

Es ist das Ende eines Schauprozesses. Bo Xilai geht ins Gefängnis, Parteichef Xi Jinping ist einen seiner ärgsten Rivalen los. Dass man Bo Xilai während des Prozesses überraschend viel Spielraum ließ zur Verteidigung, dass dem Mann noch die Inszenierung eines würdevollen Abgangs gestattet wurde - all das war seiner Herkunft aus der Parteiaristokratie geschuldet. Und der Tatsache, dass Bo bis heute viele Anhänger in Partei und Armee hat.

Eine Chance hatte Bo nie. Das Verfahren war nicht fair, nicht Bo Xilai gegenüber und nicht Bos vielen Opfern gegenüber: Sie tauchten in der Anklage nicht einmal auf. Bo Xilai hatte in Chongqing Leute einkerkern und foltern lassen, schlicht, weil sie ihm im Weg standen. Eine Anatomie von Bos Machtmissbrauch hätte Fragen nach der Natur des Systems aufgeworfen. Vor allem die: Geht es nicht an anderen Orten in China genauso zu?

Etappensieg für Jinping

Für Parteichef Xi Jinping ist das Urteil ein Etappensieg. Er treibt die Konsolidierung seiner Macht schneller voran als erwartet. Mit der ihr eigenen Chuzpe versucht die Parteiführung nun gar, mit dem Verfahren zu punkten: Zum einen als Warnung für allzu eigensinnige Funktionäre draussen in der Provinz. Das könnte kurzfristig funktionieren. Zum anderen als Schauspiel fürs Volk, dessen Moral so lautet: Wir meinen es ernst mit dem Kampf gegen die Korruption - selbst hohe Tiere müssen sich verantworten. Den Spin aber nimmt der Partei kaum einer ab. Zu verbreitet ist die Korruption, zu sehr steht die gesamte Elite unter dem Verdacht von Bereicherung und Luxusleben.

Vor dem Volksgericht in Jinan: Der gestürzte chinesische Spitzenpolitiker Bo Xilai (Foto: dpa)

Und so sollte den Parteiführern vor allem dies zu denken geben: dass ausgerechnet einer wie Bo Xilai ein Echo fand mit seiner jahrelang geschickt inszenierten Anklage der mittlerweile schreienden Ungleichheit in der angeblich kommunistischen Volksrepublik. Und dass es neben seinen alten Freunden bis heute sozial Benachteiligte sind, die zu Bo halten. Hier liegt der Sprengstoff für die Zukunft.

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