Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer:"Sie können sich auf mich verlassen"

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Der Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn (links), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Angela Merkel bei der Feierstunde im Bendlerblock.

(Foto: AFP)
  • Mit einer Feierstunde begehen Kramp-Karrenbauer und Merkel mit 400 Rekruten den Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler durch die Widerstandsgruppe um Stauffenberg.
  • Für die neue Verteidigungsministerin erweist sich der Tag als erster Härtetest - allerdings ganz anders als erwartet.
  • Kramp-Karrenbauer spricht dann noch ein Wort aus, das zwischen der Truppe und ihrer Vorgängerin für Reibereien sorgte.

Von Nico Fried, Berlin

Es ist ein besonderer Tag. Zum Beispiel für den Soldaten, der die Besucher des feierlichen Gelöbnisses über dessen Ablauf informieren darf. Als er sich beim Namen Annegret Kramp-Karrenbauer verhaspelt, regt sich Heiterkeit unter den Ehrengästen und den Angehörigen der Rekruten. "Auch für uns ist das neu", entschuldigt sich der Sprecher ins Mikrofon, "wir gewöhnen uns aber gerne dran". Da klatscht das Publikum: Der junge Mann bedankt sich und beweist noch einmal seine Schlagfertigkeit: Es sei ungewohnt für Soldaten, nach Fehlern auch noch Applaus zu bekommen.

Es ist ein besonderer Tag. Zum Beispiel für Annegret Kramp-Karrenbauer. Die neue Verteidigungsministerin absolviert den ersten öffentlichen Auftritt seit der Amtsübergabe durch ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen - noch dazu aus einem Anlass von hoher Bedeutung. Mit dem Gelöbnis auf dem Paradeplatz und einer Feierstunde im Ehrenhof des Bendlerblocks begehen Bundesregierung und Bundeswehr den 75. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 durch Claus Schenk von Stauffenberg. Kramp-Karrenbauer dürfte wissen, dass ein falsches Wort oder ein Schritt in die falsche Richtung willkommene Munition für manche Kritiker ihrer Berufung sein könnten. Auch Politiker bekommen für Fehler selten Applaus.

Tatsächlich erweisen sich die nächsten zweieinhalb Stunden für die neue Ministerin durchaus als ein erster Härtetest - allerdings ganz anders als erwartet.

Die Rekruten haben sich aufgestellt, die Ehrenformation ist mitsamt der Truppenfahne einmarschiert. Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Generalinspekteur Eberhard Zorn hat Kramp-Karrenbauer die Reihen der Soldaten abgeschritten. Merkel ist nicht zur Unterstützung Kramp-Karrenbauers mitgekommen, sie hatte als Ehrengast schon lange vor dem Wechsel im Ministerium festgestanden. "Gelöbnisaufstellung, rührt Euch!", ruft um 10:37 Uhr Oberstleutnant Kai Beinke. Die Ministerin geht jetzt allein zum Rednerpult, unter anderem beobachtet von Gesundheitsminister Jens Spahn. Er hatte, wie er später erzählt, auch schon als ein weiterer Vertreter der Regierung zugesagt, lange bevor überhaupt die Möglichkeit bestand, dass er von der Leyens Nachfolger werden könnte.

"Sie können sich auf mich verlassen!"

"Heute ist ein besonderer Tag für Sie", beginnt Kramp-Karrenbauer ihre Rede an die Soldaten. Es sei ein großer Schritt und eine mutige Entscheidung, zu geloben, Deutschland im Ernstfall womöglich mit dem eigenen Leben zu verteidigen. Der soldatische Dienst erfordere Gehorsam, "aber keinen blinden und schon gar nicht Kadavergehorsam", sagt die Ministerin. Das "staatsbürgerliche Gewissen" wählt sie als verbindendes Element zu den Attentätern vom 20. Juli. Die Gruppe um Stauffenberg habe gegen Hass, Tyrannei, Mord und Verbrechen aufbegehrt und ihre soldatische Pflicht darin gesehen, "der Würde und der Freiheit des Einzelnen wieder Geltung zu verschaffen".

Die Soldaten stärkten die Wehrhaftigkeit der Demokratie. Dafür gebühre ihnen Dank, so Kramp-Karrenbauer. "Aber Dank allein reicht nicht". Der Dienst bei der Bundeswehr verlange Respekt, Wertschätzung und Unterstützung - "und zwar von mir zuallererst", so die neue Ministerin. Sie wisse, Deutschland könne sich auf die Soldaten verlassen. "Und ich sage Ihnen: Sie können sich auf mich verlassen!"

Kramp-Karrenbauer spricht dann noch ein Wort aus, das zwischen der Truppe und ihrer Vorgängerin für Reibereien sorgte. Jeder einzelne Soldat werde die Bundeswehr der Zukunft prägen, sagt die neue Ministerin, mit Charakter, "mit ihrer Haltung" und dem Respekt gegenüber anderen. Von der Leyen hatte 2017 nach der Entdeckung mutmaßlich rechtsextremistischer Terrorpläne eines Soldaten der Bundeswehr ein "Haltungsproblem" attestiert und war für diese Verallgemeinerung massiv in die Kritik geraten. Kramp-Karenbauer gibt in ihrer Rede die Verantwortung an jeden einzelnen Soldaten zurück: Sie sollten ihre Aufgabe pflichtbewusst und verantwortungsvoll wahrnehmen, "mit Verstand mit Herz und mit Mut".

Auch die Kanzlerin würdigt zunächst den Widerstand vor 75 Jahren. "Es gibt Momente, in denen Ungehorsam eine Pflicht sein kann", sagt sie. Die Wehrmacht sei kein Vorbild für die Bundeswehr, Wehrmachtsangehörige, die Widerstand geleistet haben, aber schon, so Merkel. Heute leiste die Bundeswehr "Friedensarbeit, niemals allein, sondern mit unseren Verbündeten". Nur sehr indirekt geht Merkel auf die Debatten, nicht zuletzt mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump, um die finanziellen Aufwendungen für die Bundeswehr und in der Nato ein. "Wir müssen stets unter Beweis stellen, dass wir bereit und fähig sind, unsere Streitkräfte einzusetzen und uns zu verteidigen", sagt Merkel. Die Bundeswehr müsse die notwendige Ausrüstung und Ausbildung erhalten. "Das schulden wir unseren Soldatinnen und Soldaten und auch unseren Partnern."

Merkel gedenkt aller Widerstandsgruppen, die alle eines geeint habe: ihr Gewissen

Es sind gewiss nicht allein die Reden der beiden Politikerinnen, sondern vor allem die Hitze, die sich im Laufe des Vormittags über den Paradeplatz gelegt hat, die bei fast allen Waffengattungen außer der Marine schon vor dem eigentlichen Gelöbnis zu Ausfällen führen. Sanitäter hinter Tarnnetzen kümmern sich an mehreren Ecken des Paradeplatzes um blasse Soldaten mit kollabierten Kreisläufen. Derweil sprechen die anderen knapp 400 Rekruten die Eidesformel. Sechs von ihnen dürfen anschließend noch zum Handschlag und Smalltalk mit Kanzlerin und Ministerin vortreten - das Geschlechterverhältnis von vier Frauen und zwei Männern entspricht dabei nicht ganz der Gesamtverteilung in den angetretenen Abordnungen.

Während die Soldaten mit ihren Angehörigen feiern, ziehen Merkel, Kramp-Karrenbauer und viele Gäste um in den Ehrenhof, wo in der Nacht zum 21. Juli 1944 Stauffenberg und drei andere Offiziere erschossen wurden. An der Todeswand hängt inzwischen eine Gedenktafel. Rund 700 Nachkommen aus vier Generationen haben sich hier versammelt, die Sitzordnung weisen Schilder auf den Stühlen aus, auf denen zum Beispiel steht: "Widerstand 1. Generation." Hier trifft die neue Ministerin Verena von Hammerstein, 97-jährige Witwe von Franz von Hammerstein. Dessen Bruder Ludwig war an der Planung des Attentats beteiligt, konnte aber entkommen. Statt seiner verhafteten die Nazis Franz von Hammerstein, steckten ihn erst in Einzelhaft und später ins Konzentrationslager Buchenwald. Annegret Kramp-Karrenbauer führt gleich ein angeregtes Gespräch mit der alten Dame, die gegen die Sonne einen schwarzen Hut und einen rosa Schirm mitgebracht hat.

Während Merkel und andere Ehrengäste in der Schattenseite des Hofes sitzen, muss Kramp-Karrenbauer mit Alt-Bundespräsident Joachim Gauck und dem früheren Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi in der prallen Sonne sitzen, eine Stunde lang. Merkel würdigt in einer zweiten Rede den Widerstand um Stauffenberg. Die Attentäter hätten "gehandelt, als andere schwiegen, sie übernahmen Verantwortung, als andere wegsahen". Die Kanzlerin gedenkt aller Widerstandsgruppen, die alle eines geeint habe: ihr Gewissen. "Sie konnten Nichthandeln nicht rechtfertigen vor sich und vor anderen." Weil sie ihr Leben riskierten, seien sie "im Wortsinne todesmutige Männer und Frauen gewesen".

Nach der Kranzniederlegung, Totengedenken und Nationalhymne geht ein langer Vormittag zu Ende. Die neue Ministerin ist im Schweiße ihres Angesichts im Amt angekommen. Am Mittwoch wird sie in einer Sondersitzung des Bundestages vereidigt, danach dürfte sie erste Truppenbesuche unternehmen. Bei den Soldaten in der Wüste Malis wird sie dann erleben, dass es im Einsatz noch bedeutend heißer werden kann als im Bendlerblock.

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