Verteidigungsexperte zur Kundus-Affäre:"Minister Guttenberg eiert"

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Handelte Generalinspekteur Schneiderhan nun vorsätzlich oder nicht? SPD-Politiker Bartels zur Überreaktion von Minister Guttenberg - und seinem anschließenden Schlingerkurs.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Bartels, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat jetzt in einem Interview dargelegt, er habe seinem ehemaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan nie Vorsatz oder gar bösen Willen unterstellt, weil dieser ihm Dokumente zum Tanklasterbombardement nahe Kundus nicht vorgelegt hat. Trügt die Erinnerung oder hat Guttenberg recht?

Hans-Peter Bartels: Der Minister nimmt mal wieder eine Korrektur seiner eigenen Äußerungen vor. In Talkshows hatte er tatsächlich den Eindruck erweckt, dass hier vorsätzlich gehandelt worden sei: Ihm seien Dokumente vorenthalten worden. Er hat ja Schneiderhan und auch Staatssekretär Peter Wichert genau mit dieser Begründung entlassen, dass die Unterlagen hätten vorgelegt werden müssen. Wenn er jetzt keinen Vorsatz mehr unterstellt, dann fragt man sich, was er ihnen überhaupt noch vorzuwerfen hat.

sueddeutsche.de: Schneiderhan hat sich massiv gegen den Vorsatz-Vorwurf gewehrt und den Minister der Lüge bezichtigt. Ist er jetzt rehabilitiert?

Bartels: Darum geht es Guttenberg nicht. Was er macht, ist vorauseilende Schadensbegrenzung. In der kommenden Woche werden im Kundus-Untersuchungssauschuss die Zeugen Schneiderhan und Wichert vernommen. Mitte April erwarten wir Guttenberg vor dem Ausschuss. Da werden dann die Aussagen gegeneinander stehen. Guttenberg will diese Front offenbar etwas aufweichen, die er selbst aufgebaut hat. Denn je härter die Front ist, desto leichter kann sie brechen.

sueddeutsche.de: Guttenberg hat sich ja früh festgelegt: Der Luftangriff auf die Tanklastwagen, bei dem mehr als 170 Menschen getötet wurden, sei angemessen gewesen. Später zog er die Bewertung zurück mit dem Hinweis, ihm sei von Schneiderhan und Wichert der Feldjägerbericht nicht vorgelegt worden. Ist das glaubwürdig?

Bartels: Der Feldjägerbericht enthielt gegenüber den Berichten, die Guttenberg etwa von Seiten der Nato vorlagen, keine neuen Informationen.

sueddeutsche.de: Dann suchte er nur nach einem Bauernopfer um seinen plötzlichen Meinungswandel von angemessen zu nicht angemessen zu rechtfertigen?

Bartels: Guttenberg hat ganz offensichtlich überreagiert und versuchte damals wie auch jetzt wieder seine Aussagen zu relativieren. Mit der Entlassung von Schneiderhan und Wichert versuchte er offenbar Schuldige dafür zu liefern, warum er wenige Wochen zuvor die Öffentlichkeit über den Inhalt des Nato-Berichtes falsch informiert hat.

sueddeutsche.de: Ein Minister, der sich von der eigenen Begründung für die Entlassung von zwei Spitzenbeamten distanziert, müsste der sich nicht jetzt selbst entlassen?

Bartels: Der Minister eiert. Da ist er nicht der Einzige in dieser Bundesregierung. Vermutlich deshalb kann Angela Merkel noch mit ihm leben.

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