VerteidigungsausgabenWas Wadephuls Fünf-Prozent-Plan bedeutet

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Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) bei seiner Ankunft zum Nato-Außenministertreffen in Belek nahe Antalya.
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) bei seiner Ankunft zum Nato-Außenministertreffen in Belek nahe Antalya. (Foto: Khalil Hamra/dpa)

Der deutsche Außenminister stellt mehr als 200 Milliarden Euro jährlich an Verteidigungsausgaben in Aussicht – es ist ein Signal an Trump. Aber mehr Geld hilft wenig, wenn ein anderes Problem ungelöst bleibt. Und auch die SPD tritt auf die Bremse.

Von Daniel Brössler und Georg Ismar, Berlin

Erst hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angekündigt, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee in Europa machen zu wollen, nun unterstützt sein Außenminister Johann Wadephul (auch CDU) eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Damit stellt er sich hinter eine Forderung von US-Präsident Donald Trump.

Man folge Trumps Einschätzung, dass dies notwendig sei, sagte er nach einem Gespräch mit US-Außenminister Marco Rubio bei einem Nato-Außenministertreffen in der Türkei. Das gilt auch als Signal an Trump, um die USA in der Nato zu halten. Trump hat immer wieder zu geringe Verteidigungsausgaben der europäischen Nato-Partner bemängelt. Am 24. und 25. Juni kommt es in Den Haag zu einem der vielleicht wichtigsten Gipfel in der Nato-Geschichte, bei dem es wegen der Bedrohung durch Russland auch um eine deutliche Aufstockung der Kampfbrigaden gehen soll.

Wadephul machte in Antalya deutlich, dass man die fünf Prozent über einen Mix erreichen könnte: Die Verteidigungsausgaben könnten auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) steigen – und weitere 1,5 Prozent könnten für militärisch nutzbare Infrastruktur ausgegeben werden. Ein solches Vorgehen hatte zuletzt Nato-Generalsekretär Mark Rutte vorgeschlagen. Das würde bedeuten, dass zum Beispiel auch die Ausgaben für die Renovierung von Brücken, Schienen und Straßen, über die Panzer rollen können, mit angerechnet werden. Trump will, dass das Fünf-Prozent-Ziel beim Nato-Gipfel in Den Haag beschlossen wird. Der US-Präsident soll gedroht haben, andernfalls womöglich gar nicht anzureisen.

SPD-Chef Klingbeil bremst – Entscheidung nach Nato-Gipfel

SPD-Chef, Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil reagierte reserviert auf den Vorstoß. Im Koalitionsvertrag sei verabredet, dass man sich an die Nato-Fähigkeitsziele halten werde, betonte er in Berlin. Dass also die gemeinsamen Festlegungen der Nato abzuwarten seien. Die Entscheidung darüber werde auf dem Nato-Gipfel getroffen. „Und dann wird sich Deutschland an diese Verabredung halten“, sagte Klingbeil. Er rate jedem, sich am Koalitionsvertrag zu orientieren. „Wir werden unsere internationalen Verpflichtungen umfänglich erfüllen“, heißt es dort. Zahlen werden aber nicht genannt.

Derzeit geben die USA rund 3,5 Prozent gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt für die Verteidigung aus, Deutschland kam 2024 dank des Bundeswehr-Sondervermögens mit Ausgaben von rund 90 Milliarden Euro auf etwas über zwei Prozent. Gemessen am heutigen BIP würden fünf Prozent etwa 215 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben pro Jahr für Deutschland bedeuten. Durch einen Beschluss des noch alten Bundestags sind alle Verteidigungsausgaben von mehr als einem Prozent des BIP – derzeit etwa 43 Milliarden Euro – von der Schuldenbremse ausgenommen. Aber neue Schulden wären die Ausgaben trotzdem.

Im Verteidigungsministerium von Minister Boris Pistorius (SPD) wird ein so drastischer Aufwuchs kurzfristig als kaum machbar angesehen, auch weil die Industrie dazu zunächst einmal massiv ihre Kapazitäten ausbauen müsste. Mit seiner Aussage bewegte Wadephul sofort auch den Finanzmarkt, die Aktie des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall stieg nach der Ankündigung zeitweise um rund sechs Prozent auf knapp 1700 Euro an.

Nach dem Nato-Gipfel müssen Union und SPD dann einen gemeinsamen Weg in dieser Frage finden, dann muss das auch in die Haushaltspläne eingearbeitet werden. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums betonte zu Wadephuls Aussagen auf SZ-Anfrage, mit der Ausnahme von den Schuldenregeln sei die Voraussetzung für höhere Ausgaben geschaffen worden. „Für die Verteidigungsfähigkeit ist entscheidend, uns daran zu orientieren, was die Bundeswehr für die volle Einsatzbereitschaft wirklich braucht und was die Nato-Absprachen im Sommer ergeben.“ Die konkrete Frage, ob man auch ein Fünf-Prozent-Ziel unterstützen werde, blieb jedoch unbeantwortet.

Söder unterstützt drastische Steigerung um 150 Milliarden

Bisher ist für das laufende Jahr nach SZ-Informationen „nur“ eine Steigerung des regulären Verteidigungsetats von knapp 52 auf etwas mehr als 60 Milliarden Euro geplant, hinzu kommen die Mittel aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen.

CSU-Chef Markus Söder unterstützte den Vorstoß Wadephuls - und nannte eine solche Marke bis 2030 als Ziel. 3,5 Prozent müssten mindestens das sein, „was wir investieren müssen, möglicherweise sogar mit Ergänzung auf bis zu fünf Prozent des BIP“, sagte der bayerische Ministerpräsident nach einem Treffen mit der Verteidigungsindustrie in München. „Das heißt, umgerechnet mindestens 150 Milliarden pro Jahr an zusätzlichen Entwicklungen.“

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Der Militärexperte Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München sagte der Süddeutschen Zeitung, die Aussage von Wadephul sei ein Versuch, „um die Amerikaner als europäische Macht zu halten“ – also einen Abzug in großem Umfang zu verhindern, was die Sicherheitslage in Europa deutlich verschlechtern würde. Vor allem auch auf den atomaren Schutz der USA sind Staaten wie Deutschland angewiesen. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben wie von Merz und Wadephul angekündigt wäre „eine riesige Steigerung“, betonte Masala. Daher sei das vor allem als Signal an Washington zu verstehen. Das sehe man auch an den Bemühungen der Europäer um einen Waffenstillstand in der Ukraine.

Merz hatte am Mittwoch in seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag betont: „Die Bundesregierung wird zukünftig alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden.“ Es gebe eine wichtige Lehre aus der Geschichte: „Stärke schreckt Aggressoren ab. Schwäche hingegen lädt Aggressoren ein.“

Man müsse die personelle Einsatzbereitschaft und den personellen Aufwuchs dringend verbessern. „Wir werden deshalb zunächst einen neuen attraktiven freiwilligen Wehrdienst schaffen“ – das „zunächst“ bedeutet letztlich, dass auch eine Rückkehr zu einer Wehrpflicht denkbar ist. Generalinspekteur Carsten Breuer sieht mittelfristig einen Bedarf an 460 000 Soldaten und Reservisten. Aktuell gibt es 181 000 Soldaten und 34 000 aktive Reservisten.

Masala bezweifelt, dass Merz sein Ziel erreichen kann. „Letzten Endes bemisst sich die stärkste konventionelle Armee Europas auch an ihrer Personalstärke.“ Mit rund 180 000 Soldatinnen und Soldaten werde man ganz sicher nicht die stärkste konventionelle Armee in Europa. „Wir drehen bisher nur an der Stellschraube Material.“

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