Verteidigung:Schnelle Eingreiftruppe für Europa

EU-Kommissar Breton fordert nach dem Debakel in Afghanistan eine stärkere gemeinsame Verteidigungspolitik. Außenminister Maas will einheitliche Linie im Umgang mit den Taliban.

Von Daniel Brössler und Björn Finke, Brüssel, Doha

Nach dem überstürzten Truppenabzug der USA und der Verbündeten aus Afghanistan fordert der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton radikale Schritte bei der Verteidigungspolitik der Europäischen Union: Geht es nach ihm, sollen die Mitgliedstaaten eine schnelle Eingreiftruppe der Union gründen, samt militärischer Kommandozentrale, und sich auf eine Sicherheitsdoktrin einigen, also Prinzipien, bei welchen Bedrohungen EU-Truppen wie eingreifen sollen. Die ehrgeizige Vision skizzierte Breton in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. An diesem Donnerstag will er darüber beim Treffen der EU-Verteidigungsminister in Slowenien diskutieren.

Anlass seines Vorstoßes sind die Erfahrungen in Afghanistan: Europäische Regierungen waren komplett von den US-Streitkräften abhängig, sie konnten den Einsatz ohne die Amerikaner nicht verlängern und nicht einmal den Flughafen in Kabul alleine schützen. Breton verlangt, dass dies ein "Weckruf" und ein "Wendepunkt" sein müsse: "Wir müssen den Weckruf hören und eine europäische Antwort darauf vorschlagen", sagt er.

Wohin die Debatte mit den EU-Regierungen schließlich führe, wisse er nicht, aber "es ist an der Zeit, diese Fragen zu stellen". Europäische Verteidigungspolitik werde nur glaubhaft sein, wenn "wir auch in der Lage sind, außerhalb unserer Grenzen komplizierte militärische Operationen zu starten", sagte er.

Wie umgehen mit den Taliban?

Währenddessen rückt der künftige Umgang mit den Taliban immer stärker in den Blickpunkt. "Es führt überhaupt kein Weg vorbei an Gesprächen mit den Taliban", sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) in Doha zum Abschluss seiner viertägigen Reise durch fünf Staaten. In der Hauptstadt Katars bündeln sich derzeit die diplomatischen Kontakte zu den Taliban. Aus Kabul haben alle westlichen Staaten ihre Diplomaten abgezogen. Zwischen ihnen laufen derzeit Gespräche über ein gemeinsames Vorgehen. Am Mittwoch beriet sich Maas in Doha mit der niederländischen Außenministerin Sigrid Kaag.

Die Kontakte zu den Taliban seien zum einen wegen praktischer Fragen wie der des zivilen Weiterbetriebs des Flughafens in Kabul nötig, sagte Maas am Vorabend nach einem Gespräch mit dem Außenminister Katars, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani. Zum anderen gelte das aber auch, "weil wir uns Instabilität in Afghanistan schlichtweg überhaupt nicht leisten können, denn sie würde den Terrorismus begünstigen und sich auch massiv auf die Nachbarstaaten Afghanistans auswirken".

Bisher hält der deutsche Diplomat Markus Potzel von Doha aus Kontakt zu den Taliban. Die verwaiste deutsche Botschaft in Kabul will Maas baldmöglichst wieder besetzen. "Wenn es politisch möglich wäre und wenn die Sicherheitslage es erlaubt, dann sollte auch Deutschland in Kabul wieder eine eigene Botschaft haben", sagte er. Es gebe ein "großes Bedürfnis nach diplomatischer Präsenz, weil wir eben auch viele Themen in Afghanistan haben". Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag gesagt, dass es Gespräche mit Ländern wie Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Italien über eine diplomatische Präsenz in Kabul gebe, um "kontinuierliche Gesprächskontakte mit den Taliban aufbauen zu können".

Deutlich wurde dabei aber der derzeitige Spagat zwischen dem Bedürfnis nach Kontakt zu den Taliban und der Sorge, sie übereilt zu legitimieren. Maas betonte, dass es derzeit nicht um die Frage der völkerrechtlichen Anerkennung der Taliban-Herrschaft gehe. "Es geht um die Lösung ganz praktischer Probleme."

Den Taliban müsse deutlich gemacht werden, "was wir von ihnen erwarten, wo die Grenzen liegen, dass sie nicht an ihren Worten, sondern dass sie an ihren Taten gemessen werden", forderte Maas. So erwarte man etwa die Einhaltung von Frauenrechten und die Bildung einer "inklusiven" Regierung.

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