Süddeutsche Zeitung

Verteidigung:Baustelle Bundeswehr

Hubschrauber, Sturmgewehr, KSK und knappes Geld: Auch ohne CDU-Vorsitz ist Annegret Kramp-Karrenbauer schwer beschäftigt - mit den Problemen im Verteidigungsministerium.

Von Mike Szymanski, Berlin

Im sonst eng getakteten Leben von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer dürfte künftig mehr Luft sein, zum ersten Mal seit langer Zeit. Am Wochenende hat ihre Partei, die CDU, Armin Laschet zu ihrem Nachfolger an der Parteispitze gewählt, zunächst digital. Eine Briefwahl muss das Ergebnis noch bestätigen. Aber für Kramp-Karrenbauer endet damit eine Zeit der Doppelbelastung.

Seitdem sie Verteidigungsministerin ist, hatte die Truppe nie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Als sie im Sommer 2019 das Wehrressort von Parteikollegin Ursula von der Leyen übernahm, galt sie selbst noch als Kandidatin für die Kanzlerkandidatur. 2020, im Februar, kurz nachdem in Thüringen der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, dies ein politisches Beben auslöste und Kramp-Karrenbauer Führungsschwäche vorgehalten wurde, kündigte sie ihren Rückzug vom Parteivorsitz an. Fortan hatte sie den Übergang zu managen - wegen der Pandemie dauerte dieser bis jetzt an.

Nun aber hat sie Zeit für die Bundeswehr. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann freut sich darüber. Eine Volkspartei und zugleich das wegen seines Eigenlebens gefürchtete Wehrressort zu führen, das könne auf Dauer nicht gut gehen, glaubt sie. Tatsächlich war auch immer wieder aus dem Ministerium zu hören, es wäre besser, wenn die Ministerin nicht auch noch den Schreibtisch im einige Hundert Meter entfernten Konrad-Adenauer-Haus hätte. "Ich glaube, dass es eine Chefin braucht, die wirklich rund um die Uhr präsent ist, um ein solches Ministerium zu führen", sagte Strack-Zimmermann der Süddeutschen Zeitung.

Tatsächlich steckt auch Kramp-Karrenbauer nach gut anderthalb Jahren im Amt in jenem Problemsumpf fest, der schon ihren Vorgängerinnen und Vorgängern das Fortkommen erschwerte. Bei der materiellen Einsatzbereitschaft kommt die Bundeswehr kaum vom Fleck. Das Beschaffungswesen arbeitet so dysfunktional wie eh und je: Gleich zweimal im vergangenen halben Jahr blamierte sich das Ministerium bei zentralen Rüstungsvorhaben.

Will sie Verteidigungsministerin bleiben? Schwierige Frage

Die Ausschreibung für neue, schwere Transporthubschrauber scheiterte quasi auf den letzten Metern, weil die Angebote das Budget um das Doppelte überschritten. Noch immer ist nicht klar, wie die Ministerin nun zügig an neue Hubschrauber kommen will, von denen die Bundeswehr abhängig ist, wenn sie in Einsätze geht. Die Suche nach einem Nachfolgemodell für das G-36-Sturmgewehr endete ebenfalls in einem Fiasko. Die beiden Wettbewerber um die Herstellung liegen im Streit über mögliche Patentrechtsverletzungen.

Und Kramp-Karrenbauer nehmen noch andere Widrigkeiten in Anspruch. Überraschend hart ist die Ministerin gegen rechtsextremistische Umtriebe beim Spezialkräfteverband KSK vorgegangen. Sie ließ dort die zweite Kommando-Kompanie auflösen, in der die Probleme ihren Ausgang genommen hatten. Das war eine von 60 Maßnahmen zur Reform des Verbandes. Im Frühjahr steht ein weiterer Zwischenbericht an, im Sommer soll dann abschließend beurteilt werden, ob das KSK die eigene Krise bewältigt hat.

Ebenfalls in den nächsten Monaten will die Ministerin klären, welche Rüstungsprojekte angesichts der coronabedingt knapper werdenden finanziellen Spielräume unbedingt realisiert werden sollen. Zu tun hat sie bis zur Bundestagswahl im Herbst also noch genug.

Und danach? Neulich, im Verteidigungsausschuss, soll Kramp-Karrenbauer von Parlamentariern darauf angesprochen worden sein, ob sie Interesse habe, nach der Wahl im Wehrressort weiterzumachen. Sie soll ausgewichen sein. Erst, so erklärte sie Teilnehmern zufolge, hätten natürlich die Wähler am Wahltag zu entscheiden, wer regiert. An anderer Stelle sagte sie, sie überlege derzeit, ob sie bei der Bundestagswahl kandidieren will - oder nicht. Und, dass sie dies vor allem zusammen mit ihrem Mann bespricht. Auch dafür dürfte jetzt mehr Zeit sein.

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