Verschwundene NPD-Plakate:Gegen den Wind

Richter: Auch mit NPD-Verbot wären Neonazi-Aufmärsche möglich

Damit niemand ihre Plakate zerstören kann, hängt die NPD sie ganz weit oben auf. Zu hoch - wie ein findiger Bürgermeister findet.

(Foto: dpa)

Weil sie Wahlplakate der NPD volksverhetzend und diskriminierend finden, haben mehrere Städte sie einfach entfernen lassen. Doch vor Gericht bekam die Partei recht. Nur gegen die kreative Lösung des Bürgermeisters aus dem osthessischen Großenlüder kommt sie nicht an.

Von Antonie Rietzschel, Berlin

Die NPD hat es wirklich nicht leicht im Wahlkampf. Erst verdirbt die bayerische Stadt Neu-Ulm der Partei eine Kundgebung durch tonnenschweres Gerät. Ihre Kondomverteil-Aktion ging dank eines Grünen-Abgeordneten nach hinten los. Und jetzt das: In Hessen sind in mehreren Städten NPD-Plakate verschwunden - zumindest vorübergehend.

Nein, nicht während einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Sie wurden am helllichten Tag entfernt. Der Auftrag kam direkt aus dem Rathaus.

Zuletzt ließ in Gießen die SPD-Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz 15 Plakate abhängen, die den Slogan "Geld für Oma, statt Sinti und Roma" trugen. Die Begründung: Die Plakate seien volksverhetzend. "Sie bedrohen unsere gute Zusammenarbeit mit den Sinti und Roma in der Stadt", sagt die Pressesprecherin der Stadt zu SZ.de. Als die Plakate am Montag aufgetaucht waren, forderte die Stadt die Partei auf, sie wieder zu entfernen. Weil nichts geschah, wurden Mitarbeiter des Bauhofs losgeschickt.

Dasselbe war wenige Tage vorher in Bad Hersfeld passiert. Auch hier verschwanden auf Anordnung des Bürgermeisters Thomas Fehling (FDP) die Sinti-und-Roma-Plakate. Die NPD erstattete daraufhin Anzeige wegen Diebstahls und Sachbeschädigung.

Außerdem stellte die Partei einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Kassel, das der NPD recht gab. Es liege keine Volksverhetzung vor, heißt es in der Begründung. Bürgermeister Fehling ist deswegen zerknirscht. In einer Stellungnahme des FDP-Politikers heißt es: Auch wenn das Gericht das anders beurteile, seien die Plakate diskriminierend. Auch in Gießen musste die Stadt die Plakate wieder aufhängen, weil sich das Verwaltungsgericht dem Urteil in Kassel anschloss.

Plakate auf Augenhöhe

NPD-Pressesprecher Frank Franz triumphiert: "Mehrere Gerichte haben inzwischen unzweideutig festgestellt, dass die NPD-Plakate nicht volksverhetzend sind. Einzig das eigenmächtige Entfernen unserer Plakate ist rechtswidrig." Doch er verschweigt etwas. Denn ein Bürgermeister bereitet der Partei besonders Kopfzerbrechen.

In Großenlüder bei Fulda hat der parteilose Werner Dietrich die 15 Plakate nämlich nicht wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung abgenommen, sondern weil sie eine Gefahr für den Straßenverkehr seien.

Damit ihre Plakate nicht zerstört werden können, hängt die NPD sie immer so hoch wie möglich auf. Zu hoch, findet Dietrich. "Sie waren in vier bis fünf Metern Höhe an Laternen angebracht - genau da, wo sie den geringsten Durchmesser haben. Durch die Fläche der Plakate erhöht sich an dieser Stelle die Windlast", sagt er SZ.de. Schlecht für die Statik. "Eigentlich hätte die NPD Messungen durchführen lassen müssen, bevor sie die Plakate in so großer Höhe anbringt," fügt er hinzu.

Der Partei hat er mitgeteilt, dass sie ihre Plakate auf Augenhöhe anbringen solle. Doch das wird schwierig, denn da hängen schon die Plakate anderer Parteien. Die NPD droht Dietrich mit einem Strafverfahren.

Auch in Gießen hat die Stadt nach einer kreativen Lösung gesucht. Am Abend will sie direkt unter den Plakaten der NPD selbst Plakate aufhängen. Aufschrift: "Meine Oma mag auch Sinti und Roma."

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