Verschwörungstheorien der Republikaner:"Kommunistische Umverteilung" durch die Vereinten Nationen

Die Führung der Republikanischen Partei warnt in einer Resolution vor "extremen Umweltschutzbemühungen" der Vereinten Nationen: Die UN wollen so angeblich die Kontrolle über die US-Bürger erlangen. Auch Wahlkämpfer Newt Gingrich buhlt mit solchen Behauptungen um die Anhänger der Tea Party.

Markus C. Schulte von Drach

Wissenschaftler und Umweltschützer, die in den USA vor dem Klimawandel und anderen bedrohlichen Entwicklungen warnen, hatten es schon unter Präsident George W. Bush schwer. Und auch die Regierung von Barack Obama hält sich in Sachen Klima- und Naturschutz zurück.

Angesichts der Haltung der Republikaner und vor allem der Anhänger der Tea-Party-Bewegung zu diesen Themen dürften Umweltverbände allerdings das Gruseln bekommen, wenn es zu einem Wechsel im Weißen Haus kommt.

Wie die New York Times berichtet, protestieren "Aktivisten mit Verbindungen zur Tea Party im ganzen Land". Anlass sind alle möglichen örtlichen oder staatlichen Bemühungen, die Ausdehnung der Städte zu kontrollieren oder Energie zu sparen.

In Maine zum Beispiel habe der von der Tea Party unterstützte republikanische Gouverneur bereits ein wichtiges Projekt gekippt, das die Verkehrsdichte auf der Route 1 verringern sollte. Gescheitert am Widerstand der Konservativen ist auch der Versuch, in Florida eine Strecke für Hochgeschwindigkeitszüge einzurichten. Und in einer Reihe von Städten und Gemeinden wurde die Finanzierung von Programmen gestrichen, die helfen sollen, den Kohlendioxidausstoß zu messen und einzuschränken.

Das allein dürfte Beobachter noch nicht schockieren. Schließlich könnte man auf der sachlichen Ebene im Einzelnen sicher diskutieren, ob diese oder jene Maßnahmen sinnvoll sind.

"Umfassender Plan für extremen Umweltschutz"

Die Republikaner und Tea-Party-Aktivisten aber kämpfen nicht einfach gegen die Ausweitung des öffentlichen Nahverkehrs oder die Einrichtung von Fahrradwegen. Sie kämpfen gegen eine Weltverschwörung: Das belegt eine der Resolutionen, die das Führungsgremium der Republikaner, das Republican National Committee (NRC), im Januar während des sogenannten Wintertreffens in New Orleans beschlossen hat.

Der Gegner, den sie dort beschreiben, will die Entscheidungsfreiheit und Eigentumsrechte der Menschen einschränken und die Bevölkerung in die Städte zu drängen. Es sind: die Vereinten Nationen mit ihrer Agenda 21. Dieses schon 1992 beschlossene Aktionsprogramm hat das Ziel, die Idee nachhaltiger Entwicklung in Wirtschaft, Umwelt und Entwicklungspolitik umzusetzen.

Und das halten die Republikaner für äußerst gefährlich. So beginnt die "Resolution Exposing United Nations Agenda 21" mit den Worten:

[] Da die Agenda 21 der Vereinten Nationen ein umfassender Plan für extremen Umweltschutz, die Veränderung sozialer Strukturen und der globalen politischen Kontrolle ist, [...] und,

[] da die Agenda 21 der Vereinten Nationen den Gemeinden überall in den USA mit Hilfe des International Council for Local Environmental Initiatives (ICLEI) über lokale "Nachhaltigkeitspolitik" [...] im Verborgenen aufgedrängt wurde, ...

Und so geht es verschwörerisch-orakelnd weiter in der Darstellung der Vereinten Nationen als Bedrohung des American Way of Life. Die UN stellen demnach mit ihrem "radikalen Plan sogenannter nachhaltiger Entwicklung" unter anderem das Recht auf Privateigentum in Frage, den Besitz von Einfamilienhäusern, von Autos und Farmen.

Und was die Vereinten Nationen als soziale Gerechtigkeit beschreiben, klingt für die Parteiführung der Republikaner nach einer "sozialistischen/kommunistischen Umverteilung von Wohlstand". Angesichts der "destruktiven und heimtückischen Natur der Agenda 21" und des gefährlichen Zieles fordert das RNC zum Widerstand der Parteimitglieder auf allen Ebenen auf.

"Die wollen uns kontrollieren"

Auch Newt Gingrich, einer der zwei aussichtsreichen Kandidaten der Republikaner für die US-Präsidentschaftswahl, hetzt seit Monaten gegen die Vereinten Nationen und ihre Agenda 21. So erklärte er bereits im Juli, sie werde dazu führen, dass Privateigentum in öffentlichen Besitz verwandelt werde. Die Agenda 21 sei "Teil eines allgemeinen Problems, dass die Vereinten Nationen und andere internationale Behörden darstellen, die bestrebt sind, uns jenseits der Verfassung zu kontrollieren".

Gingrich, der vor seiner Wahlkampagne eigenen Aussagen zufolge nichts von der Agenda 21 wusste, versucht offensichtlich, mit dem Thema bei den Tea-Party-Anhängern zu punkten und den Rückstand auf Mitt Romney zu verringern. Und die Agenda lässt sich auch als Argument gegen den eigentlichen Gegner, US-Präsident Barack Obama, anwenden. Der hatte im Juni den "White House Rural Council" ins Leben gerufen, ein Projekt, mit dem die Regierung die ländlichen Gemeinden stärker unterstützen will.

Im US-Sender Fox News erinnerte dieser Plan den Kommentator Eric Bolling an die Agenda 21 - und stellte für die Zuschauer klar, wofür die Vereinten Nationen seiner Meinung nach stehen: eine Macht, die versucht, die gesamte Welt zu beherrschen. ("A one world order.")

Im September kündigte Gingrich auf einer Veranstaltung der Tea Party dann an: Sollte er zum Präsidenten gewählt werden, wäre eine seiner ersten Anordnungen, sämtliche finanzielle Unterstützung der Regierung für Projekte zu streichen, die mit der Agenda 21 zu tun haben.

Bei vielen Tea-Party-Mitgliedern fällt die Verschwörungstheorie offenbar auf fruchtbaren Boden. So richten sich ihre Aktionen inzwischen gezielt gegen die Bemühungen des International Council for Local Environmental Initiatives (ICLEI), der in der Resolution des RNC explizit erwähnt wird. Dabei handelt es sich um einen Verband von Städten und Gemeinden, die sich Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung zum Ziel gemacht haben.

In den USA bietet die Organisation Beratungen zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen an. Der New York Times zufolge protestieren die Konservativen zum Beispiel gegen "Smart Meter" ("intelligente Stromzähler"), die den tatsächlichen Energieverbrauch in einem Haus messen. "Die wahre Aufgabe der Smart Meter ist es, euch auszuspionieren und zu kontrollieren - wann ihr elektrische Geräte nutzen könnt und wann nicht", erklärte ein Tea-Party-Mitglied auf einer Versammlung in Roanoke, Virginia, einer Stadt, die sich auf diese Weise bemüht, Strom zu sparen.

Doch inzwischen gibt es auch Stimmen, die den konservativen Aktivisten vehement widersprechen. Schließlich haben auch etliche Befürworter von Umweltschutz- und Energiesparmaßnahmen noch nie von der Agenda 21 gehört - und können so gar kein Teil der UN-Weltverschwörung sein, wie die New York Times feststellt.

Reiten auf einer Welle irrationaler öffentlicher Ängste

In einem Kommentar der Roanoke Times etwa wurde die kürzlich gefällte Entscheidung des im Bundesstaat Virginia gelegenen Counties, im ICLEI zu bleiben, als Zeichen von Vernunft gewertet: "Die zwei Republikaner im Ausschuss mussten mit ihrer Partei brechen [...] damit die Vorgänge in der County-Regierung Teil der Realität bleiben". Einer Realität, so schreibt die Zeitung, die die phantastische Behauptung ablehnt, ICLEI in den USA sei ein Teil einer von den UN geführten Verschwörung.

Der Widerstand in den Gemeinden gegen ICLEI reite auf einer Welle irrationaler öffentlicher Ängste, die der Ausschussvorsitzende Richard Flora treffend mit den Verhältnissen während der McCarthy-Ära verglichen habe, heißt es in der Roanoke Times. "Anstelle der kommunistischen Bedrohung werde heute ein globaler Umweltschutz gefürchtet, der ausgeht von ... tja, irgendwem da draußen."

Wie irrational die Ängste vor der Machtübernahme der Vereinten Nationen sind, wird zum einen durch die Handlungsunfähigkeit dieser Organisation belegt, wenn es darum geht, wichtige Mitgliedsstaaten zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen - etwa dem Kyoto-Protokoll beizutreten. Das hat auch die Obama-Regierung nicht getan. Und schließlich sind die USA der größte Beitragszahler der UN und Vetomacht im Sicherheitsrat. Vor wem also haben die Republikaner eigentlich Angst?

Die Resolutionen sind auf der Seite des RNC unter folgendem Link zu finden: http://www.gop.com/Images/CommsLogo/2012_wintermeeting_resolutions.pdf

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