Nach dem Verschwinden des Präsidenten der internationalen Polizei-Organisation Interpol hat sich China erstmals zu dem Fall geäußert. Gegen Meng Hongwei werde wegen mutmaßlicher Gesetzesverstöße ermittelt, teilte die Disziplinarbehörde der regierenden Kommunistischen Partei mit. Was ihm vorgeworfen wird, sagte sie nicht. Meng stehe unter "Aufsicht", hieß es. Interpol teilte kurze Zeit später mit, es sei eine Rücktrittserklärung Mengs mit "sofortiger Wirkung" eingegangen.
Mengs Frau hatte die Behörden alarmiert, weil seit einer China-Reise des Interpol-Präsidenten Ende September jedes Lebenszeichen von ihm fehlt. Da Interpol seinen Sitz in Lyon hat, ermittelt die französische Justiz. Auf einer Pressekonferenz teilte Mengs Frau mit, sie habe vor seinem Verschwinden eine Mitteilung von ihm bekommen, die darauf hinweise, dass er sich in Gefahr befände. Seit dieser Nachricht vom 25. September habe sie keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt, sagte Grace Meng.
Meng ist der erste Chinese in dem Amt. Seine Wahl im Jahr 2016 hatte eine Debatte ausgelöst, da er zuvor zwölf Jahre lang Vizepolizeiminister der Volksrepublik China war. Amnesty International nannte die Wahl Mengs zum Interpol-Chef damals "außerordentlich beunruhigend". China versuche seit Jahren "über Interpol Andersdenkende und Flüchtlinge im Ausland verhaften zu lassen". Bürgerrechtler werfen Interpol schon seit Jahren vor, sich auch für die Ziele autoritärer Regime wie Iran, Syrien, Russland oder China einspannen zu lassen.
Meng stammt aus der Stadt Harbin im Nordosten Chinas. Er studierte Jura an der Peking University, bevor er eine Karriere im chinesischen Sicherheitsapparat machte. 2004 stieg er zum Vizepolizeiminister des Landes auf, außerdem zum stellvertretenden Leiter der Bewaffneten Volkspolizei, eine paramilitärische Einheit, die bei Unruhen im Landesinneren eingesetzt wird.