Süddeutsche Zeitung

Verrat von Wahlprognosen:Gefährliches Gezwitscher

Seit es Umfragen am Wahltag gibt, gilt das eherne Gesetz: nicht veröffentlichen, bevor die Wahllokale geschlossen haben. Doch am Superwahlsonntag hielten sich manche nicht daran.

Wenn Fernsehen, Radio und Internet Punkt 18 Uhr ihre Prognosen zu einer Wahl veröffentlichen, ist darin noch keine gezählte Stimme berücksichtigt. Die Prognosen beruhen auf einer Befragung der Wähler, wenn diese das Wahllokal verlassen.

Diese Wahltagsbefragungen (englisch: exit polls) sind meist deutlich näher am tatsächlichen Ergebnis als die Umfragen vor der Wahl. Und deshalb sind sie auch so gefährlich.

Die Umfragen dürfen nicht vor Schließung der Wahllokale veröffentlicht werden, weil sie sonst, so die Befürchtung, die Wähler unzulässig beeinflussen könnten. Wer die Zahlen vorab verbreitet, dem droht eine emfindliche Geldstrafe. Bislang gingen Journalisten und Politiker, die vorab über die Zahlen informiert waren, vertrauensvoll mit der Information um.

Doch das Zeitalter des Internets scheint zunehmend zum Zeitalter der Indiskretionen zu werden. Bei den Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und in Thüringen lagen nun schon vor der Schließung der Wahllokale Prognosen vor - verbreitet über Twitter.

So kam die erste Prognose aus dem Saarland von dem Nutzer "Daniel1131290" bereits vor 17 Uhr. Danach verbreiteten sich die Zahlen aus dem Saarland, Thüringen und Sachsen wie ein Lauffeuer durchs Netz. Einer der Twitter-Accounts, über den die Wahlprognosen ins Netz sickerten, war nach Informationen von Spiegel Online der des CDU-Vorsitzenden im Stadtverband Radebeul. Auch wenn die Twitterer keine Quellen genannt haben - ihre Prognosen weichen kaum von denen ab, die um 18 Uhr in der ARD zu sehen waren.

Schon bei der Wiederwahl Horst Köhlers zum Bundespräsidenten waren Abstimmungsergebnisse vorab über Twitter verbreitet worden. Damals verrieten drei Bundestagsabgeordnete ihren Parteifreunden und der ganzen Welt über die Internetseite Twitter live aus der Bundesversammlung, dass Köhler bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde - bevor dieser die Wahl überhaupt angenommen hatte.

Bundeswahlleiter Roderich Egeler warnte deswegen bereits vor einer Katastrophe bei der Bundestagswahl: "Es wäre der GAU, wenn die Wählerbefragungen vor Schließung der Wahllokale öffentlich bekannt würden." Ob dieser größte anzunehmende Unfall eintreten wird, wird sich am 27. September zeigen.

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