Für die Union war der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen bislang eine weitgehend freudlose Angelegenheit. Vier Tage vor der Landtagswahl sind die Aussichten derart düster, dass in Düsseldorf eine Debatte über die Zukunft des glücklosen Spitzenkandidaten und CDU-Landesparteichefs Norbert Röttgen entbrannt ist. Umso größer ist die Genugtuung, dass jetzt einmal die in Umfragen unangefochtene Ministerpräsidentin Hannelore Kraft negative Schlagzeilen kassiert.
Hannelore Kraft beim Wahlkampf in Höxter
(Foto: Getty Images)Das Magazin Stern erhebt in seiner aktuellen Ausgabe den Vorwurf, die Regierung Kraft habe sich nach der Wahl 2010 bei den Hintermännern des CDU-kritischen Blogs "Wir in NRW" erkenntlich gezeigt. Die hatten im Wahlkampf in schöner Regelmäßigkeit Interna aus der Union lanciert und damit unter anderem die Affäre um die Aktion "Rent a Rüttgers" losgetreten - im Gegenzug für Sponsorengeld hatte die CDU Termine mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers vermittelt.
Einer der "Wir-in-NRW"-Blogger schrieb seinerzeit unter dem Pseudonym "Theobald Tiger" seine Enthüllungsgeschichten. Der Stern berichtet, dabei handele es sich um wohl um Karl-Heinz Steinkühler, einen ehemaligen Journalisten, der nach der Wahl eine Kommunikationsagentur gegründet habe. Jene Agentur habe später "Dankeschön-Aufträge" der Regierung bekommen.
Die Staatskanzlei reagierte umfassend und transparent auf die Vorwürfe - konnte sich in Augen ihrer Kritiker aus der Union aber dadurch nicht entlasten. Tatsächlich habe besagte Kommunikationsagentur seit 2010 Aufträge für Broschüren und andere Öffentlichkeitsinitiativen des Familienministeriums im Gesamtwert von rund 300.000 Euro erhalten, sagte Krafts Regierungssprecher Thomas Breustedt. Davon seien Aufträge für etwa 80.000 Euro bislang abgearbeitet worden.
Breustedt betonte jedoch, es habe "für alle Publikationen ordnungsgemäße Vergabeverfahren beziehungsweise öffentliche Aufträge" gegeben. "In allen Verfahren erhielt das beste und wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag." Die erstellten Broschüren seien von exzellenter Qualität und vergleichsweise preisgünstig. Die Unterstellung, der einstige Blogger sei damit für Wahlkampfhilfe belohnt worden, wies Breustedt zurück. "Es wird eine diffuse Vermutung geäußert, ohne Fakten zu präsentieren."
Der Union reichen die Auslassungen Breustedts jedoch nicht. "Frau Kraft muss den Stern-Vorwurf von Gefälligkeitsaufträgen selbst aufklären, statt ihren Sprecher mit Nebelkerzen loszuschicken", twitterte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe.
Doch Hannelore Kraft will zu der delikaten Sache lieber nichts sagen. Am Rande eines Wahlkampfauftritts in Soest wehrte die Landesmutter eine entsprechende Frage der SZ ab - und verwies wiederum auf Regierungssprecher Breustedt.
Die Genossen ahnen: Es könnte noch dicker kommen. Inzwischen schreibt der Stern in einem weiteren Artikel davon, dass eine "neue Spur im SPD-Filz" zum ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück führe. Der mögliche SPD-Kanzlerkandidat nahm bei einem bezahlten Auftritt das Vermittlungsgeschick von Karl-Heinz Steinkühler in Anspruch.
Womöglich kocht die Hamburger Zeitschrift das alles zu heiß, schließlich hat Steinbrück aus dem Vorgang kein Geheimnis gemacht: Er geht aus der Liste der Nebentätigkeiten des SPD-Abgeordneten auf der Bundestags-Homepage hervor.
Auf der anderen Seite beschreibt der Stern Auffälligkeiten wie diese: In seinem Buch Unterm Strich beschreibe Steinbrück Weblogs als Refugium des "professionellen Journalismus für Informationen und Recherchen". Und welches Beispiel nennt der Ex-Minister? Der Politblog "Wir in NRW". Steinkühler wiederum schreibt auf seinem offiziellen Blog gerne positiv über den "Vortragsreisenden Peer Steinbrück". Und bedauert, dass dieser zwar im Volk wachsenden Rückhalt fände, aber nicht in seiner Partei.
Mehr Licht in die Sache könnte Steinkühler bringen, aber er ist für Journalisten derzeit nicht zu erreichen. "Er ist den ganzen Tag in Terminen", heißt es nach Anfrage der SZ in der Agentur Steinkühler. Auch auf eine schriftliche Anfrage reagierte Steinkühler bislang nicht.
Die derzeitigen Macher des Blogs "Wir in NRW" wehren sich gegen die Vorwürfe: "Dieser Bericht ist lächerlich. Der Blog hat zu keinem Zeitpunkt direkt oder indirekt Geld erhalten!", schrieben sie bei Twitter. "Wer die Quelle für diese verleumderische Kampagne kennt, kann das richtig einordnen."
So steht Aussage gegen Aussage, die Faktenlage ist problematisch. Dennoch schlagen die Vorwürfe in Düsseldorf Wellen. "So verdient man Geld mit Blogs", ätzten die Konkurrenz-Blogger "Ruhrbarone" im Hinblick auf "Wir in NRW". Dessen Macher Alfons Pieper, ehemals in führender Position bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, war 2010 mit dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus ausgezeichnet worden. "Die klammheimliche Freude der Ruhrbarone finden wir allerdings unprofessionell und schändlich", entgegnete "Wir in NRW" bei Twitter.