Süddeutsche Zeitung

Verkehrspolitik:Die Pedal-Prämie

Die Linke wollen den Kauf, die Wartung oder die Reparatur eines Fahrrades vom Staat bezuschussen lassen - mit 200 Euro für jeden Radfahrer. Nicht nur Union und FDP stellen sich gegen diesen Vorschlag, auch bei den Grünen gibt es starke Vorbehalte.

Von Boris Herrmann, Berlin

In der Debatte um Kaufprämien für Autos hat die Linksfraktion im Bundestag einen Gegenentwurf präsentiert: die Fahrradprämie. Auf einem Bild, das Abgeordnete der Linken im Netz verbreiten, wird die Forderung mit einer Radfahrerin in einer Rot-Weste illustriert. Die Frau und ihr Fahrradlenker wurden aus einer heroisch wirkenden Froschperspektive fotografiert, im Hintergrund meint man ein Stück postsozialistischer Alexanderplatz-Architektur zu erkennen. Ästhetisch geht das in Richtung: Völker hört die Pedale!

Andreas Wagner, der Obmann der Linken im Verkehrsausschuss, beschreibt seine Idee einer allgemeinen Fahrradprämie von 200 Euro indes mit einer anderen Bildsprache: "Das ist eine Blume aus dem Blumenstrauß für unser Gesamtverkehrskonzept", sagt er. Das darf man wohl als kleine Spitze verstehen gegenüber einer anderen Oppositionspartei, die zwar eine Blume im Logo hat, aber in Baden-Württemberg eben auch einen Ministerpräsidenten, der eine Prämie für Verbrennungsmotoren will. Auf dem Feld des stets emotional geführten Kulturkampfes "Auto gegen Fahrrad" schimmern die Linken gerade ein bisschen grüner als die Grünen.

Wer wegen Corona öffentliche Verkehrsmittel meidet, soll Rad statt Auto nutzen, so die Linke

In der Linksfraktion sind darüber keineswegs alle glücklich, weil zur Kernklientel dieser Partei auch überzeugte Autofahrer gehören, sei es aus Notwendigkeit oder aus Prinzip. Es lässt sich aber schwer leugnen, dass der Vorstoß Charme hat - und ein gutes Timing. Die Fahrradprämie, sagt Wagner, solle all jene, die derzeit wegen Corona öffentliche Verkehrsmittel meiden, auf das Rad locken statt ins Auto. Nach Vorstellung der Linken soll der Zuschuss auch für die Wartung und die Reparatur eingesetzt werden dürfen. So etwas wie eine Fahrrad-Bedürfnisprüfung ist in dem Fraktionsbeschluss nicht vorgesehen. Alle wären bezugsberechtigt, auch Großverdiener. Andernfalls ließe sich die Prämie nicht schnell und unbürokratisch umsetzen, sagt Wagner. 300 Millionen Euro müsste die Bundesregierung nach seiner Rechnung dafür einplanen.

Union und FDP sind dagegen, was nicht weiter überrascht, schon allein deshalb, weil der Vorschlag von den Linken kommt. Aber auch bei den Grünen gibt es Vorbehalte, kommunikativ sei der Antrag zur Fahrradprämie schlau, inhaltlich ausbaufähig. Laut dem grünen Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar ist es zwar absolut sinnvoll, mehr Geld für den Radverkehr auszugeben, das Problem sei jedoch nicht, dass es in Deutschland zu wenig Räder gebe, vielmehr fehle es an Radwegen, Radbrücken und Anreizen zum Bike-Sharing. "Bei Haushalten mit geringem Einkommen kann eine Prämie Fahrradmobilität ermöglichen, dann muss die Prämie jedoch höher liegen als von den Linken beantragt", sagt Gelbhaar. Erstaunlicherweise klingen die Grünen hier sozialer als die Dunkelroten.

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SZ vom 30.05.2020
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