Verkehrspolitik:Minister Spatenstich

Verkehrsminister Andreas Scheuer

Verkehrsminister Andreas Scheuer räumt im September 2019 bei der Eröffnung eines Abschnitts der Isentalautobahn, der A 94, Absperrungen beiseite.

(Foto: Sebastian Kraft/dpa)
  • Spatenstiche, Grundsteinlegungen, Bänder durchschneiden: Mindestens einmal pro Woche rücken Vertreter des Bundesverkehrsministeriums zu Feierlichkeiten für neue Verkehrsprojekte aus.
  • Ministeriumsangaben für 2019 zeigen nun, wo dabei die Prioritäten liegen: Minister Scheuer und seine Mitarbeiter gingen zu zahlreichen Straßenprojekten - aber nur zu einem Fernbahnprojekt.
  • Die grüne Opposition wirft Scheuer vor, sein Terminkalender sei das Zeugnis einer antiquierten Verkehrspolitik.

Von Markus Balser, Berlin

Als am 6. Dezember der Spatenstich für den Ausbau des Autobahnkreuzes Nürnberg-Ost anstand, war das Anlass für einen typischen Auftritt von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Die Polizei eskortierte anreisende Politprominenz zum kleinen Erdhügel auf der Baustelle am Rande der Schnelltrasse. Der Einsatz mit der Schaufel diente dem Baufortschritt zwar nur bedingt, der eigenen Präsenz in den Medien dagegen schon mehr. Kameras des Bayerischen Rundfunks hielten die Szene für die Nachrichten fest.

Spatenstiche, Grundsteinlegungen, Bänder durchschneiden: Mindestens einmal pro Woche rücken Emissäre des Bundesverkehrsministeriums in Deutschland aus, um den Bau von Verkehrsprojekten zu starten oder sie für den Verkehr freizugeben. Neue Angaben des Ministeriums zeigen nun, wo dabei die klaren Prioritäten liegen. Denn im Terminkalender von Scheuer und der Ministeriumsspitze aus dem vergangenen Jahr finden sich Dutzende Straßen-, aber nur ein einziges Fernbahnprojekt.

Die Spatenstich-Bilanz steht damit in krassem Gegensatz zur verkehrspolitischen Bedeutung. Denn eigentlich ging es im Jahr 2019 stets darum, die Folgen von zu viel Straßenverkehr in den Griff zu bekommen - ob bei Klimaschutz oder schlechter Luft in den Städten.

Die Antworten legen nahe, wo das Ministerium ganz offensichtlich in der Öffentlichkeit punkten will. Während es sich von 63 wichtigen Straßenverkehrsprojekten nur einen einzigen Spatenstich entgehen ließ, listet die Antwort 94 Baustarts oder Verkehrsfreigaben bei großen Bahnprojekten auf - und 93 ohne Beteiligung von Scheuers Ministerium. Nur ein einziges Mal trat das Ministerium in Erscheinung: als Staatssekretär Enak Ferlemann am 14. Dezember die Verkehrsstation Elbbrücken für den Verkehr freigab. So geht es aus der 19-seitigen Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen vom 3. März hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Bei der Opposition wächst das Unverständnis über die Haltung des Verkehrsministers und seiner Hausleitung. Die Grünen werfen Scheuer schon seit langem vor, sich vor allem für den Straßenverkehr einzusetzen. "Wenn sich die Betonmischer für neue Bundesstraßen drehen, sind Verkehrsminister Scheuer und seine Staatssekretäre sofort zur Stelle", klagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Stephan Kühn, am Sonntag. "Wenn es um klimafreundliche Mobilität auf der Schiene oder im Nahverkehr geht, glänzt Scheuer durch Abwesenheit." Der Terminkalender Scheuers sei das Zeugnis einer antiquierten Verkehrspolitik, so Kühn.

Dabei hatte das Verkehrsministerium in den vergangenen Monaten eigentlich gute Gründe, diese Strategie zu ändern. Denn inzwischen fließt so viel öffentliches Geld in den Ausbau des Bahnverkehrs wie seit vielen Jahrzehnten nicht. Auch die Mittel für den Nahverkehr wurden aufgestockt. Doch auch von den 59 begonnenen neuen Nahverkehrsprojekten würdigte das Ministerium den Listen zufolge zum Start nur vier mit der eigenen Anwesenheit.

Wo Scheuer persönlich aktiv wurde

Tief blicken lässt auch die regionale Verteilung der Auftritte. Denn während bei vielen Straßenprojekten in Deutschland die Fachebene des Ministeriums vorfuhr, war das in Bayern ganz anders. Alle sieben Fernstraßenbau-Termine nahm Verkehrsminister Scheuer höchstpersönlich wahr. Ähnlich präsent war die Hausleitung nur in Baden-Württemberg, jenem Bundesland, aus dem Scheuers Staatssekretär Steffen Bilger kommt. Egal, ob Ortsumgehung oder neue Lärmschutzwand - in Baden-Württemberg war stets Bilger zu Gast.

Die eigenen Auftritte mit der Schaufel ließ sich das Ministerium dabei durchaus auch etwas kosten. Allein bei den Straßenbauprojekten summierten sich die Kosten im vergangenen Jahr nach Ministeriumsangaben auf mehr als 350 000 Euro. Aus dem Ministerium hieß es, die stärkere Präsenz bei Straßenverkehrsprojekten lasse keine Rückschlüsse auf politische Ziele zu. Der Bund stelle der Bahn mehr finanzielle Mittel denn je zur Verfügung.

Scheuer war bereits vergangenen Woche in die Kritik geraten, weil sein Ressort die eigenen Klimaziele zu verfehlen droht. Scheuers Klimaplan soll laut Gutachtern anderer Ministerien gerade mal die Hälfte der selbst gesteckten Ziele bis zum Jahr 2030 bringen.

Der Autoverkehr gehört seit Jahren zu den großen Klimasündern. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass Deutschland seine Vorgaben aus dem Abkommen von Paris verfehlt. Umweltverbände kritisierten zuletzt den Kurs der Regierung. So sprach der BUND von einem klimapolitischen Versagen. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte, es seien weitere Maßnahmen nötig, um die fehlenden Prozentpunkte zu schaffen. Im April soll es wegen der neuen Lage eine weitere Sitzung des Klimakabinetts geben.

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