Verkehrsminister Dobrindt:Eigenbrötler mit Verzettelungsgefahr

German Weekly Cabinet Meeting

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will stärker ins Bild rücken.

(Foto: Getty Images)

Bislang ist Alexander Dobrindt als Verkehrsminister in erster Linie als besonders unauffällig aufgefallen. Das soll sich jetzt ändern - offenbar auf Drängen von CSU-Chef Seehofer.

Von Daniela Kuhr und Robert Roßmann

Es ist ein ziemlich skurriles Ereignis, das da einmal im Jahr in der Zentrale der Deutschen Bahn stattfindet. An diesem Mittwoch ist es wieder so weit: Die Bahn hat zum Aktionärstreffen geladen, auch Hauptversammlung genannt. Doch während andere Konzerne dafür eigens riesige Konferenzhallen anmieten, reicht bei der Bahn ein vierzig Quadratmeter großer Raum im 21. Stock des Berliner Bahntowers. Ganze zwanzig Minuten dauert die Veranstaltung in der Regel, dann haben Vorstand, Aufsichtsrat und Eigentümer alle Tagesordnungspunkte abgearbeitet.

Warum dieses Treffen so rasch und geräuschlos abläuft, hat einen einfachen Grund: Die Bahn gehört zu 100 Prozent dem Bund. Es sind also nicht Tausende Aktionäre, die sich da einfinden, sondern lediglich ein einziger Eigentümervertreter. In den vergangenen vier Jahren war das der damalige Verkehrsminister Peter Ramsauer. Und in diesem Jahr?

Bis vor wenigen Tagen konnte das niemand bei der Bahn beantworten. Fest stand nur: Der neue Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatte schon vor längerer Zeit abgesagt. Wer statt seiner als Eigentümervertreter kommen sollte, war nicht klar. Erst am vergangenen Freitag rief plötzlich Dobrindts Büro an: Der Minister werde den Termin nun doch persönlich wahrnehmen.

Erstaunliche Zurückhaltung

Dieses Hin und Her mag ein winziges Detail sein, für sich genommen sogar ein lächerliches - wäre es denn das einzige. So aber fügt es sich in das Bild, das Dobrindt seit seinem Amtsantritt vor gut drei Monaten abgibt: nämlich ein extrem blasses. Noch kein einziges Mal ist der CSU-Politiker als Fachminister nennenswert in Erscheinung getreten, weder mit einem Interview noch mit einer Rede auf einer Veranstaltung.

"Er taucht halt nirgendwo wirklich auf", sagt der Geschäftsführer eines großen Verkehrsverbands. "Und wenn er sich doch blicken lässt, ist es ihm leider bisher nicht gelungen, etwas Gehaltvolles zu sagen." Deshalb wisse niemand so recht, "wie er tickt" und wo der Minister hinwolle in der Verkehrspolitik.

Das ist vor allem deshalb erstaunlich, weil sich Dobrindt im Bundestags-Wahlkampf - damals noch als CSU-Generalsekretär - gern mit wortgewaltigen Auftritten hervorgetan hat. In den vergangenen drei Monaten musste man dann aber den Eindruck gewinnen, dass die neue Funktion als Minister den Polterer ziemlich eingeschüchtert hat.

Breitband lässt ihn aufblühen

Dobrindt sitzt in seinem Büro im ersten Stock des Ministeriums und überlegt eine Weile, wenn man ihn auf diese Wahrnehmung anspricht. "Mir ist nun mal bewusst, dass ich hier eine neue Rolle habe, und ich widme mich ihr mit aller Ernsthaftigkeit", sagt er schließlich. Er habe "ein sehr traditionsreiches Haus übernommen - und damit sehr viel Verantwortung".

Der einzige Bereich, der Dobrindt bislang erkennbar am Herzen liegt, ist der Ausbau des Breitband-Netzes, für den sein Ministerium seit der Wahl zuständig ist. Da blüht der 43-Jährige auf. Ihm fallen spontan Sätze ein, wie: "Wer heute nicht erkennt, dass ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung einer Gesellschaft durch die Digitalisierung generiert wird, der wird den Wohlstand auf Dauer kaum erhalten können."

Zur Bahn dagegen kam von Dobrindt bislang nicht viel mehr, als dass sie die Bahnhöfe barrierefrei gestalten, den Lärm der Güterwaggons reduzieren und ihre Züge verstärkt mit W-Lan ausstatten müsse. Alles Themen, die das Unternehmen längst auf dem Schirm hatte. "Mein Eindruck ist, dass wir bei ihm noch nicht so recht im Fokus stehen", sagt einer, der weit oben im Bahntower arbeitet. Die ursprüngliche Absage zur Hauptversammlung verstärkte diesen Eindruck noch.

Kein Interesse an der Verkehrspolitik?

Für Ramsauer war es immer Ehrensache gewesen, persönlich zur Hauptversammlung zu gehen. Er hätte das nicht machen müssen, seine Vorgänger hatten stets nur Vertreter geschickt. Doch Ramsauer hatte die Bahn immer auch ein bisschen als "sein" Unternehmen gesehen. Das wurde von vielen belächelt, andererseits aber galt es auch als Beleg für sein Interesse an dem Konzern.

Eben das vermissen viele derzeit noch bei Dobrindt. Und zwar nicht nur das Interesse an der Bahn, sondern - was für einen Verkehrsminister nicht gerade dienlich ist - das Interesse an der Verkehrspolitik generell. Egal mit welchem Verkehrsverband oder -unternehmen man derzeit spricht, überall herrscht eine gewisse Ratlosigkeit über Dobrindt. "Ich habe das Gefühl, er ist in seinen neuen Themen überhaupt noch nicht angekommen", meint ein Lobbyist.

Seehofers neuer Star in Berlin

Doch Dobrindt arbeitet daran. Hinter dem Schreibtisch des Ministers stehen vier Deutschland-Karten an der Wand, die noch nicht aufgehängt sind. "So was soll man aus gutem Grund ja nicht selbst machen", sagt er wie zur Entschuldigung. Eine davon zeigt die Bundesländer, die anderen die Wasserwege, das Straßen- und das Schienennetz. "Ich behalte eben gern den Überblick", sagt Dobrindt und nimmt auf dem schwarzen Ledersofa neben seinem Schreibtisch Platz. Und dann beginnt er zu erzählen, um was er sich bereits alles gekümmert hat.

Er redet von der Wasserschifffahrts-Reform und ihren Details, vom Elektromobilitätsgesetz, an dem er arbeitet, von der Bahn, mit der er sehr wohl regelmäßig telefoniere, vom Deutschen Wetterdienst, der auch zu seinem Ministerium gehört, vom Computerspiele-Preis, den sein Haus jetzt vergibt - und so ganz allmählich schleicht sich ein Verdacht ein, der eine Erklärung dafür sein könnte, warum die ersten Monate so schlecht gelaufen sind: Hier ist jemand im Begriff, sich gehörig zu verzetteln.

Dabei hat Dobrindt durchaus schon etwas erreicht. So hat er den Bundesfinanzminister davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, wenn der Großteil der Erlöse aus den Frequenz-Versteigerungen nicht im allgemeinem Haushalt versickert, sondern in den Breitband-Ausbau gesteckt wird. Außerdem hat er durchgesetzt, dass die Mittel für den Verkehrsbereich künftig "überjährig" zur Verfügung stehen, also nicht am Jahresende verfallen. Beides sind große Erfolge, Dobrindt hat es jedoch nicht geschafft, sie als solche zu verkaufen.

Auf dem Minister lastet ein gewaltiger Druck. Als CSU-Chef Horst Seehofer ihn nach Berlin geschickt hat, war das mit großen Erwartungen verbunden. Dobrindt sollte Seehofers neuer Star in Berlin werden. Der frühere Generalsekretär übernahm nicht nur quasi über Nacht ein Haus mit 1600 Mitarbeitern, sondern auch ein für ihn komplett neues, riesiges Themengebiet. Wie sehr ihm das bewusst ist, sieht man schon daran, dass Dobrindt oft bis spät nachts in seinem Büro im Ministerium über Akten brütet. Allein. Doch eben das halten manche für einen Fehler.

Er müsste sich viel mehr unterhalten im Haus, mit den Fachleuten reden, Abteilungsleiter einbinden, rückkoppeln, berichten auch Menschen, die es gut mit ihm meinen. Dobrindt dagegen sagt: "Es macht doch mehr Sinn, sich mit einem Abteilungsleiter über Fachliches zu unterhalten, wenn man auch selber im Thema gut drin ist." Deshalb liest er jetzt viel. Oft bis Mitternacht.

Vertraute Dobrindts verweisen darauf, dass dieser als Generalsekretär genauso angefangen habe. Er habe sich die CSU-Zentrale genau angesehen, sich lange Gedanken über die beste Struktur und die wichtigsten Themen gemacht - und erst dann mit dem Umbau angefangen. Dieser habe dann aber auch funktioniert.

"A gmahde Wiesn"

Dass Dobrindts Leben seit dem Aufstieg in die Bundesregierung schwieriger geworden ist, zeigt auch sein Verhältnis zur CSU-Landesgruppe. Eigentlich sind für ihn bessere Zeiten angebrochen. In die Landesgruppe sind wegen des erfolgreichen CSU-Wahlkampfs, für den Dobrindt verantwortlich war, viele jüngere Abgeordnete eingezogen. Sie danken es ihm. Außerdem sind einige wichtige ältere Kollegen, die dem eigenartig modern-aggressiven CSU-Generalsekretär kritisch gegenüberstanden, aus dem Parlament ausgeschieden. Die Landesgruppe wäre für Dobrindt also "a gmahde Wiesn", wie man im Freistaat sagt.

Doch mit einer Illoyalität hat er es geschafft, die Abgeordneten trotzdem gegen sich aufzubringen. Anfang März hatte es bei einem internen Treffen der Berliner CSU-Granden Kritik am vergleichsweise sanften Umgang von Landesgruppen-Chefin Gerda Hasselfeldt mit der SPD im Fall Edathy gegeben.

"Ich bin außerordentlich unzufrieden", soll Dobrindt dabei geschimpft haben. Er habe deshalb "die Schulterklappen wieder aufgelegt", sagte er dem Spiegel später. Sein Auftrag laute zwar nicht mehr, "der General zu sein". Aber er werde künftig ein Minister sein, der sich neben seinem Fachgebiet auch stärker mit den allgemeinen Themen beschäftige. Das war eine offene Kampfansage an Hasselfeldt. Illoyalität schätzen sie aber in der Landesgruppe nicht - die Christsozialen wissen, dass sie in der großen Koalition nur gemeinsam stark sein können. Und so stellten sich die CSU-Abgeordneten in der nächsten Landesgruppensitzung demonstrativ hinter ihre Chefin.

Lange Zeit hat Seehofer nicht mitbekommen, wie groß die Schwierigkeiten sind, die sein Zögling in Berlin hat. Erst als Anfang März einige sehr kritische Artikel über Dobrindt erschienen, wurde der CSU-Chef aufmerksam. Offenbar hat er mit dem Minister darüber gesprochen. Jedenfalls bemüht sich Dobrindt seit einigen Tagen erkennbar, auf andere zuzugehen: auf Verbände, auf Journalisten, auf Parteifreunde, auf die Fachleute in seinem Haus - und sogar auf die Bahn. Und deshalb will er jetzt doch selbst zur Hauptversammlung kommen.

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