Die Luftbelastung mit Stickstoffdioxiden (NO₂) ist 2020 erheblich gesunken. Nur noch drei bis vier Prozent der Messstationen an Straßen hätten den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten, teilte das Umweltbundesamt (UBA) mit. 2019 hätten noch 21 Prozent der Stationen zu hohe Werte registriert.
"Es ist erfreulich, dass sich die positive Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt", erklärte UBA-Präsident Dirk Messner. Allerdings erinnerte er daran, dass Deutschland den bereits 1999 beschlossenen Grenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit seit 2010 hätte einhalten müssen. "Dass neu zugelassene Dieselautos erst seit kurzer Zeit die Grenzwerte auch auf der Straße einhalten, ist der Hauptgrund für die rund zehnjährige Misere."
Seit verbesserte Filter und Motoren sowie eine effizientere Software eingesetzt würden, sei der Erfolg messbar, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte in Berlin - und zwar "nicht nur auf dem Papier", wie sie mit Blick auf den Dieselskandal ergänzte. 2018, bei ihrem Dienstantritt, sei die Lage um einiges angespannter gewesen. Mögliche Fahrverbote hätten die Debatte bestimmt. Zu Hochzeiten seien in 57 Städten Grenzwertüberschreitungen registriert worden.
Die aktuellen Ergebnisse beruhen auf einer vorläufigen Auswertung von rund 400 Messeinrichtungen, wie das UBA mitteilte. Die Corona-Pandemie sei dabei nur geringfügig für den Rückgang verantwortlich. Lediglich im März und April habe es wegen weniger Verkehr auf den Straßen niedrigere Werte gegeben.
Stickoxide lösen Atemwegserkrankungen aus und werden maßgeblich durch den Straßenverkehr, besonders durch ältere Diesel, produziert. In Hamburg (Jahresmittelwert 41 Mikrogramm pro Kubikmeter) und München (Jahresmittelwert 54) sei noch zu viel NO₂ in der Luft festgestellt worden, hieß es weiter. Überschreitungen in weiteren Städten wie in Stuttgart seien bei der Auswertung zusätzlicher Daten noch zu erwarten.
Deutschland hatte in vielen Städten seit 2010 jahrelang die Grenzwerte der EU hier teils massiv überschritten, was ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich zog. Zeitweise drohten flächendeckende Fahrverbote für Diesel, der Wert gerade älterer Fahrzeuge sank drastisch. Die Autobranche bot Abwrackprämien an, um die Flotte zu modernisieren. Mit Software-Updates für Motoren konnten die Abgaswerte gedrückt werden. Auch Nachrüstsätze zur Abgasreinigung für Autos und Lkws kamen auf den Markt. Schon vor der Corona-Pandemie besserte sich die Luft deshalb merklich. Der Austausch älterer Diesel durch moderne und saubere Fahrzeuge war dabei entscheidend.
Neben Verbesserungen an den Fahrzeugen direkt hatten laut UBA auch lokale Maßnahmen wie Tempolimits und Fahrverbote sowie der Einsatz schadstoffärmerer Busse eine positive Wirkung.
Ministerin Schulze plädierte für eine Fortsetzung der eingeschlagenen Wege. Neben strengen Abgasvorschriften will sie dabei auf eine weitere Verkehrberuhigung in den Innenstädten und den Einsatz moderner Elektrofahrzeuge im Öffentlichen Personennahverkehr setzen. Bereits heute seien etwa 1500 Elektrobusse in Deutschland unterwegs. Vor drei Jahren seien es ungefähr nur 100 gewesen.
Holzfeuerung inzwischen Feinstaub-Quelle Nummer eins
Größere Anstrengungen forderte UBA-Präsident Messner trotz des stetigen Rückgangs bei den Feinstaub-Belastungen. Auf sie seien laut Europäischer Umweltagentur 2018 etwa 63 100 Todesfälle in Deutschland zurückzuführen, sagte er in Berlin. Die Verbesserung der Luftqualität beim Feinstaub gehe vor allem auf die Reduktion der Auspuffemissionen durch Partikelfilter zurück. Dagegen stiegen die Belastungen aus dem Abrieb von Reifen, Bremsen und Straßenbelag an, da auch die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge zunehme. Bedeutendste Feinstaub-Quelle sei inzwischen die Holzfeuerung.
Die Grenzwerte für Feinstaub bedürfen aus der Sicht Messners, der sich dabei auch auf Forderungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina berief, einer Anpassung an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse. So überarbeite die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gerade ihre Empfehlungen. Aber selbst dem aktuellen WHO-Wert sei 2020 an etwa vier Prozent (2019: 13 Prozent) aller Messstationen nicht entsprochen worden. Bei der Gruppe der kleineren Schadstoff-Partikel hätten sogar 86 Prozent aller Stationen den Grenzwert verfehlt, sagte der UBA-Präsident.