Verkehr:Böse Fahrt

Ohne Verkehrswende keine Klimawende, dazu steht jetzt auch die Bundesregierung. Wirklich? Warum um SUVs und E-Roller ein Glaubenskrieg geführt wird.

Von Josef Kelnberger

Am Morgen des 16. Oktober 2019 machten sich Aktivisten von Greenpeace am Allerheiligsten der CSU zu schaffen, dem Parteilogo an der Zentrale in München. Sie strichen das C durch und fügten dem verbliebenen SU ein V hinzu. SUV. Eine Sprecherin von Greenpeace sagte, die CSU habe das Attribut "christlich" in ihrem Namen nicht mehr verdient.

Die Aktion zeugt von grandioser Selbstüberhöhung. Es liegt nicht in der Kompetenz von Greenpeace, die Verkehrspolitiker oder die Hersteller und Fahrer von Geländewagen an der Lehre Jesu zu messen. Andererseits ist die CSU auch selbst schuld, dass der Streit um das Auto pseudoreligiöse Züge angenommen hat. Ihr Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer etwa würgt Debatten über Tempolimits, Fahrverbote oder Restriktionen für SUVs gern mit dem Argument ab, er wolle einen Rückfall in die "Trabizeit" vermeiden. Es klingt nach "Freiheit statt Sozialismus".

Der Glaubenskrieg um den SUV entbrannte nach einem Unfall in Berlin. Ein Porsche- SUV war in eine Gruppe von Fußgängern gerast, vier Menschen kamen zu Tode. Die Polizei geht davon aus, dass der Fahrer einen epileptischen Anfall erlitten und deshalb das Gaspedal durchgedrückt hat. Einige Klimaschützer konnten der Versuchung nicht widerstehen, aus dem Anlass gegen "Stadtpanzer" zu wettern, die Menschen töten, auf den Straßen oder durch ihre Emissionen.

Mercedes GLE

Umstritten: Die modischen SUVs stehen im Mittelpunkt der Debatte.

(Foto: Mercedes)

Aber auch nüchtern betrachtet sind die SUVs ein Anachronismus: Sie brauchen zu viel Platz in den ohnehin dem Verkehrsinfarkt nahen Städten, und sie verbrennen zu viel Sprit, misst man sie an den Klimazielen. Weil aber die Autokonzerne in der Entwicklung von E-Autos der Konkurrenz hinterherhinken, brauchen sie die Einnahmen aus dem Verkauf von SUVs, entsprechend werden sie beworben. Jedes dritte neu zugelassene Auto ist ein SUV. Die Klimasünde heute soll den Klimaschutz von morgen finanzieren.

Ohne Verkehrswende keine Klimawende, dazu steht jetzt auch die Bundesregierung. Ein Fünftel aller deutschen CO₂-Emissionen kommt aus dem Verkehr, zwei Drittel davon aus dem Auspuff von Pkws. Doch beim Versuch der Wende rächen sich Fehler der Vergangenheit: der Dieselskandal, die verschlafene E-Mobilität, die kaputtgesparte Bahn, die fixe Idee einer Ausländermaut, die nach dem ablehnenden Urteil des EuGH den Staat noch viel Geld kosten wird - und Verkehrsminister Scheuer vielleicht sogar den Job, weil er vorab schon Verträge mit potenziellen Mautbetreibern abgeschlossen hat.

Verkehr: Die E-Roller, deren Zulassung Verkehrsminister Scheuer als persönlichen Erfolg feierte, sind beliebt, aber keine Lösung.

Die E-Roller, deren Zulassung Verkehrsminister Scheuer als persönlichen Erfolg feierte, sind beliebt, aber keine Lösung.

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Unverdrossen versucht derweil Andreas Scheuer, den Glauben an eine schmerzfreie Verkehrswende zu predigen. Dazu kam ihm der E-Roller als Symbol gerade recht. Flott sah Scheuer aus, wie er da im Frühjahr auf dem elektrisch betriebenen Roller durch die Flure seines Ministeriums sauste. Bild verbreitete das Video online, die Botschaft: Seht her, Leute, so geht moderne urbane Mobilität, so macht die Verkehrswende Spaß, vergesst die grünen Fahrrad- und Verbotsfanatiker! Doch bald nach Zulassung der Gefährte hagelte es Klagen über E-Rowdys, Unfälle, wild geparkte Scooter, die angeblich Bürgersteige versperren und das Stadtbild verschandeln. E-Roller ja oder nein? Ein neuer Glaubenskrieg als Ergebnis einer irrationalen Politik.

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